Full text: Sachsen in großer Zeit. Band I. (1)

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große Wassertünipel, durch Löcher und Schlamm. Manch- 
mal neigte sich unser Wagen tief auf die eine Seite, doch 
konnte das unserm Humor keinen Abbruch tun. 
Unterwegs wurden noch zwei Husaren aufgeladen, die 
zu Fuß zum Befehlsholen gewesen waren und bis zum 
nächsten Dorf wollten. Wie die Heringe lagen und saßen 
wir 7 Mann im Wagen, und dazwischen „unser“ Adjutant, 
ein lustiges Liedlein trällernd! „Deutschland, Deutschland 
über alles!“ stimmte er jetzt an, und mächtig fielen unsere 
Stimmen ein, so daß es weit über die schneebedeckte Sand- 
wüste schallte! Angstlich und zugleich neugierig kamen die 
Bauern aus ihren Katen und schauten kopfschüttelnd auf 
unsere „Porzellanfuhre“. 
„Ich glaube, die halten uns für verrückt!“ sagte unser 
Adjutant lachend und stimmte ein neues Liedlein an. Dann 
folgte Witz auf Witz. Auch von seinem Beruf als Rechts- 
anwalt erzählte er, daß zuviel Konkurrenz darin sei usw. 
Da meinte mein Kamerad: „Nu iech dächt', mit de 
schreibt einer seiner früheren Schüler in die Heimat. „Nicht 
Lehrer, nein, Freund, der mit dem Adel und dem Schwung 
seiner Seele unsere jungen Gemüter emporriß und fliegen 
lehrte in weiteren Höhen hoch über den Niederungen der 
Erde! Wie manchmal hat er uns in geweihter, dem per- 
sönlichen Gedankenaustausch bereit gehaltener Stunde leise 
anvertraut, wie auch er um Goethes Lebenskunst ringen 
mußte! Und wie hat er uns im Sturm und Drang unserer 
jungen Herzen verstanden, wenn wir im Uberschäumen der 
jugendlichen Kräfte über Fesseln der Alltagswelt klagten! 
Verständnisinnig und väterlich freundlich schreibt er es 
sich von der Seele: „Niemand ist so unfrei als ein Rektor, 
das dürfen Sie mir glauben, und einem freiheitlich ge- 
sinnten Menschen ist das nicht eben behaglich. 
Aber wie er selbst ihn nie verließ, hat er auch uns 
immer den schmalen Weg der Pflicht gewiesen. So haben 
wir in goldenen Primatagen mit ihm in Weimar wie im 
Schulzimmer von Goethe geschwärmt, aber auch von ihm 
  
Advekat'n is und an ihm 
wie mit de Mau- gelernt.“ 
rer.“ „Wieso 1870 in Kiel 
denn?“ geboren, seit 
„Nu, de 1880 Schüler 
Maurer ber Niekolai- 
mach'n sulang 
  
schule in Leip- 
  
üb'r a Haus, zig, meldete 
bis se wied'r Dähnhardt 
enn neie Auf- nach wohlbe- 
trag hoom!“ standenem 
Alle lach- Abiturienten- 
ten, und am eramen sich 
meisten unser ohne Wissen 
Adjutant. End- seines Vaters 
lich, nach einer beim Infan- 
Zweistunden= terie-Regiment 
fahrterreichten 106 als Einjäh- 
wir unser Dorkf. rig-Freiwil- 
Hinkend und liger. Mit Leib 
stöhnend stie- und Seele Sol- 
gen wir aus. dat, war er 
„Um 8 Uhr schon nach drei- 
soll das Ba- Denkmal des 130. Regiments an der Porte Arras (Lille) viertel Jahren 
taillon laut t allerhöchger Genehmigung den Tagebüchern des Königs von Sachsen über seine Frontreisen entnommen) Unteroffizier 
Befehl in 3. 
stehen; jetzt ist es 8¼ Uhr. Wie ich das machen soll, wissen 
die Götter. Doch jeder Befehl ist heilig,“ sagte unser 
Adjutant lächelnd und stampfte davon. 
Ich kroch in mein Quartier, trank hastig meinen Morgen- 
kaffee, den die Kameraden fürsorglich bereit gestellt hatten. 
Wir warfen unsern „Affen“ auf den Rücken und fert 
ging's! Gefr. Albert Räppel # 
Rektor Oskar Dähnhardt 
Nach Tausenden zählen die Schulmänner, die im Welt- 
kriege ihr Leben ließen für das geliebte Vaterland und 
seine Zukunft. Auch Sachsens Lehrerschaft stellt seinen 
starken Anteil zu den gefallenen Helden des Lehrerberufes. 
Einer von den besten sächsischen Schulmännern, der weit- 
bekannte Rektor der Leipziger Nikolaischule, Dr. Oskar 
Dähnhardt, ein Mann, dem Tausende, junge und alte, 
begeistert anhingen, einer der genialsten Führer unserer 
Jugend, weit über Sachsen hinaus verehrt, fiel als Haupt- 
mann an der Spitze seiner Landsturm-Kompagnie am 
25. April 1915 vor Ypern. 
„Unser Rektor Dähnhardt gefallen! Mir brennen die 
Augen und schmerzt die Seele, wenn ich, in Dankbarkeit 
errötend, daran denke, was er unser einem gewesen ist,“ 
und hielt auch 
seine Vizefeldwebelübungen allen Strapazen zum Trotz 
schneidig durch. Als Reserveoffizier wurde er wegen seiner 
Ruhe und Bestimmtheit während eines Manöver-Gefechtes 
ganz besonders belobt, 1902 zum Oberleutnant d. R. 
seinem geliebten Regiment befördert. 
Der Krieg rief ihn in den großen Ferien 1914 von 
einer sizilianischen Studienreise heim. Es gelang ihm, am 
10. August einzutreffen, aber er mußte sich, bei seiner 
glühenden Begeisterung ein schweres Opfer, vorerst damit 
begnügen, die Ausbildung einer Landsturm-Kompagnie in 
Leisnig zu übernehmen, anstatt freiwillig in vordersier Reihe 
zu kämpfen. Bald zum Hauptmann ernannt, ist Rektor 
Dähnhardt dann Etappenkommandant in Cambrai und 
anderswo gewesen, jedem seiner Soldaten ein Vorbild und 
ein Freund. 
„Unser Hauptmann Dähnhardt — schreibt einer — war 
so recht das Vorbild eines schneidigen und gerechten Kom- 
pagnieführers, der aber auch mit uns fühlte, daß wir 
alte Soldaten sind, und der als ein Vater seiner Kompagnie 
angesehen wurde. Haben wir ihm doch so viele angenehme 
Stunden zu verdanken, und war doch unsere Kompagnie 
mit Herrn Hauptmann Dähnhardt die angesehenste im 
Bataillon. Einen solchen Führer, der so viel Vertrauen ge- 
noß, finden wir nicht leicht wieder.“ 
So lieb er seine Landsturmleute hatte, übergroß war
	        
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