138
der 12. Kompagnie vermochten einige Gruppen den feind-
lichen Graben zu erreichen. An der Bahn Moorslede —
Zonnebeke war ja ein Herausgehen unmöglich, da die eng-
lische Feldwache mit drei Maschinengewehren ein mörde-
rischeo Dauerfeuer auf unseren Grabenrand beiderseits des
Bahndammes abgab, daß die Sandsäcke nur so auf
und nieder hüpften .., aber weiter links, bei den
zerfetzten Kirschbaum-Stümpfen, wo eine leidlich gang-
bare Sappe zum feindlichen Graben führte, kamen ein
paar Gruppen der 2. Kompagnie in todverachtendem Vor-
stürmen hinüber und rollten ein Stück der Stellung nach
der Straße Paöschendaele-Broodscinde und rechts binab
nach der Bahn zu auf.
„.. Wir wußten erst überhaupt nicht, wie wir eigent-
lich da hinüber gekommen waren,“ erzählte der kleine
vigilante Fritz Folgner von der 2. Kompagnie, „und
mußten uns erst mal eine Weile richtig erholen — diese
Aufregung! .. Monatelang in einem Graben gesessen,
den du ganz genau kennst, wo du dir genau im Bilde
bist, wav um dich herum und vor allem vor dir ist —,
und nun mit einem Male in einem stockfremden Graben-
stück, wo du zunächst weder aus noch ein weißt .., dann
aber fir den Spaten raus und den Graben nach der an-
deren Seite eingerichtet —, es dauerte nämlich nicht lange,
da sah ich schon wieder einen solchen Kerl gebückt gerade
auf mich zu geschlichen kommen . . er sah uns nicht —
ich gehe in Anschlag —: in dem Augenblick verschwand er
wieder in einem Grabenstück.. da —, jetzt biegt er eben
um einen Erdhügel herum, bis in Brusthöhe frei —:
so knipse ich ihn ab. Dann kam ein zweiter —, dem es
ebenso erging, und so habe ich dort noch mehrere ab-
geschossen ... Aber, ganz wohl ist uns paar Männeln da
drüben nicht gewesen!
Du mußt bedenken: mit zwei, drei Gruppen hielten wir
ein schmales Grabenstück, rechts und links in nächster Nähe,
mur durch ein paar halbzerschossene und eingestürzte Schul-
terwehren getrennt, schon wieder der Feind, dabei keine
Verstärkung aus unserem Graben 'ranzukriegen. Erst dann
spät am Abend bekamen wir welche, und konnten uns
mal richtig stärken. .. Es dauerte auch gar nicht lange,
so unternahmen sie schon ohne Artillerie einen Gegenan-
griff, aber sie kamen nicht bis ran, denn wir spannten
natürlich auf die Ratte . Freilich, viele liebe Kame-
raden, mit denen man sich in dem langen Winter, Freud
und Leid teilend, angefreundet hatte, waren in wenigen
Minuten gefallen oder verwundet, ein paar vermißt —
wie gesagt: das ist mir noch jetzt ein Rätsel, daß man
in dem Feuer nichts abbekommen hat .“
Allnächtlich erfolgten nun Gegenangriffe, die aber sämt-
lich fehlschlugen. Es war ja nur noch eine Frage von
Tagen, daß der Gegner angesichts der beiderseitigen starken
Bedrohung seiner Flanken rücken mußte — und in der
Nacht zum 4. Mai ist er dann tatsächlich mit Sack und
Pack abgezogen.
Wenngleich dem Sturm von Keerselaarhock militärisch
eine größere Bedeutung nicht beigemessen werden kann,
so bewies er doch klar den über einen harten, zermürbenden
Winter lebendig erhaltenen Schneid und Angriffsgeist un-
serer 242 er, für deren viele, die erst im Fanuar und
März 1915 zum Regiment gekommen waren, er die Feuer-
taufe bedeutete; eine große Zahl aus den unmittelbar be-
teiligten Kompagnien, in erster Linie des III. Bataillons,
wurde gleich bei dieser Feuertaufe verwundet, weshalb
bei diesen die Eindrücke des Sturmes vom 25. April
länger und klarer festhafteten als bei den gefechtsfähig
verbliebenen Kameraden.
DOHundertfünf
in. Kampf gegen
die Engländer
Dader Regiments-
kommandeur, Oberst
Freiherr von Olders-
hausen, oft die Bri-
gade zu führen hatte,
waren die Hundert-
fünfer meist von Ma-
jor Fürstenau kom-
mandiert worden.
Beim Sturm auf
Schweighausen war
er als erster in das
Dorf gedrungen, und
sein König hatte ihm
für seine tapferen
Taten den Heinrichs-
orden verliehen. Dann
aber hatte er in einem
Gefecht den linken
Arm verloren. Doch
der begeisterte Sol-
dat fragteseinen Kom-
mandeur, ob er ihn
auch noch mit einem
Arm brauchen könne.
Oberst von Olders-
hausen antwortete:
„Ihr Herz ist mehr
Sonderzelchnung für „Sachsen in
großer Zeit“ von Erich Fraaß
Eine unter Wasser gesetzte Stellung aus dem Jahre 1914
wert als vier Arme.
Kommen Sie.“ Und