der einarmige Major über-
nahm von neuem sein Ba-
taillon. Vergeßt es nicht,
ihr daheim! Wir können in
Deutschland ruhig schlafen,
solange unser Heer Männer
hat, die auch mit einem Arm
ihr Bataillon gegen den Feind
führen, und Kommandeure,
die so das Herz ihrer Leute
zu wiegen verstehen.
Die 105er lagen jetzt im
Norden, auf dem blutgesät-
tigten Boden Flanderns.
Diesmal hatten Engländer,
farbige und weiße, sich ihnen
gegenüber eingegraben, und
ein Kampf wurde zwischen
den beiden Feinden ausge-
fochten, dessen Wildheit der
Haß aufpeitschte. Unsere
Leute waren eins in diesem
Haß, sie wußten: den Krämer-
seelen dort drüben danken
wir diesen Krieg von Tod
und Grauen und endlosem
Leid. Das Wort: Gotlt strafe «
England stand jedem im Herzen eingeschrieben. Was wissen
die zu Hause, denen niemals im gräßlichen Gemetzel das
warme Blut des nächsten Kameraden und Freundes ins
Gesicht spritzt, von solchem Hassenkönnen? An einem
Apriltage hatten abends die Engländer einen Teil unserer
Schützengräben auf Höhe 60 in die Luft gesprengt. Manch
Braver war zerfetzt und verschüttet worden. Wütende
Kämpfe waren gefolgt, sie wurden mit verbissener Tapfer-
keit von beiden Seiten geführt. Da gab's keinen Pardon.
Gott strafe England! Die Entscheidung schwankte tage-
lang her und hin. Ein Geringes konnte die Schale des
Sieges auf dieser oder jener Seite sich neigen lassen.
Schließlich behielten wir die Oberhand, nur ein Teil der
seinerzeit gesprengten und von den Engländern besetzten
Gräben war noch in Feindeshand. General von Deimling
besah sich die Sache und befahl, den Gegner auch noch
aus diesen Stellungen wieder zu verjagen. Es war not-
winen Major Fürstenau und seine Tapferen sollten da-
ei sein.
Ein Frühlingstag ging über Flandern. Die Lerchen
sangen, als könnte es nie anders sein, die Sonne lockte
die ersten Lenzblumen aus blutgedüngtem Boden. Die
zum Sturm bestimmten Kompagnien wurden zunächst etwas
zurückgenommen, damit die Artillerie ungehindert vorn
gegen die englischen Gräben wirken könnte. Diese Gräben
lagen steinwurfweit von den unseren. Die gleichgestellten
Uhren in den deutschen Unterständen zeigen die vierte
Stunde, da setzte das Feuer unserer Artillerie ein. Die
Lerchen verstummen im Nu. Wie Hammerschläge in einem
Stahlwerk schmettern die schwarzen Geschosse unserer
Mörser auf den Boden herab, der die englischen Gräben
verbirgt. Bald ist das Land in eine Wolke von Staub
und erstickendem Dampf gehüllt. Major Fürstenau und
sein treuer Adjutant Ehrismann können durch die Schieß-
scharte eines Unterstandes die Wirkung des eigenen Ar-
tilleriefeuers beobachten. Sie liegen mit ihren Leuten seit
Tagen immer unter Feuer im Schützengraben und sehen
aus wie Erdarbeiter, Offiziere und Mannschaften sind
kaum auseinander zu kennen, das Leben in der Erde und
die ständige Todesgefahr, in der man gemeinsam schwebt,
hat sie auch äußerlich gleich gemacht. Wenn man daheim
sehen könnte, wie unsere schmucken Soldaten draußen aus-
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Waldunterst ände in den Vogesen
schauen! Und doch hat man seine helle Freude an diesen
Kerlen.
Länger als drei Stunden wüten nun schon die deut-
schen Mörser gegen die feindlichen Gräben. Da vorn
ist alles Qualm, Getös, spritzendes Feuer. Das Telephon
im Unterstand klingelt. Die Meldung kommt von einem
Artilleriebeobachtungsstand vorn, daß die Wirkung der
Mörser eine günstige ist. Günstig? Zum Teufel auch,
ich sollte meinen, in solchem Eisenhagel könnte auch der
zäheste Engländer nicht mehr am Leben sein. Ubrigens,
die feindliche Artillerie bleibt uns nichts schuldig, ihre
Granaten prasseln und knallen auf die deutschen Linien
und zwischen den herüber und hinüber heulenden eisernen
Boten flattern kleine aufgescheuchte Vögel, jäh in ihren
Liebesliedern unterbrochen. Sie schwirren her und hin,
finden nicht Rast noch Deckung und fallen endlich er-
mattet oder von eisernen Geiern zerrissen zu Boden.
Hauptmann Renner hat seine Reserven sich platt gegen
die Grabenwände legen lassen, so sind sie einigermaßen
geschützt. Sie müssen schon warten, bis ihre Zeit ge-
kommen sein wird. Die Ungeduld fragt: Können wir
stürmen? Aber was ist das? Keine Antwort kommt?
Das TLelephon versagt, die Drähte sind zerschossen. Sie
müssen auögebessert werden, und zwar sofort, trotz des
feindlichen Feuers. Drei Patrouillen werden dazu aus-
gesendet. Soviel Mann, soviel Helden! Die Leute gehen
ohne zu zucken an die Arbeit, und sie bringen es fertig,
im Hagel der Granaten die Leitung wieder in Stand
zu setzen. Als sie aus dem Höllenfeuer heimkehren, stärkt
Major Fürstenau die Kameraden mit Rotwein und Zi-
garren. Er hat nichts anderes zu schenken. Das Kreuz
von Eisen haben sie alle verdient.
Die Dämmerung verschleiert das Land, endlich, jetzt ist's
Zeit zum Sturm. Die deutsche Artillere legt auf die Minute
pünktlich ihr Feuer weiter zurück, Sperrfeuer, um den eng-
lischen Reserven das Vorwärtskommen zu versalzen, und un-
sere Leute brechen mit Hurra vor. Im Nu gquirlt um die
englischen Gräben ein furchtbares Getümmel. Hand-
granaten krachen, ein tolles Durcheinander tobt, Mann
stürzt sich gegen Mann, Kolben und Spaten schwingen
durch die Luft, Klingen blitzen auf und tauchen in Men-
schenleiber, Augen funkeln mordgierig und sieglüstern,