Full text: Sachsen in großer Zeit. Band I. (1)

Wort mit uns getauscht. . . nun liegen wir hier still und 
tot. Aber wir sind euch immer noch nahe, treu bis über 
den Tod hinaus. Wir liegen hier und hören euch. Redet 
zu uns, unsere Herzen sind nicht gestorben. Und wenn 
ihr einst aus diesem Kriege in die Heimat wiederkbehrt, 
so erzählet daheim, daß wir hier liegen, wie das Gesetz es 
befahl, getreu dem Vaterlande! In der Heimat aber sollen 
sie uns nicht so bald vergessen, die wir hier draußen 
ruhen. Sie sollen uns aber auch in unseren Gräbern lassen. 
— Wir sind frei von der Erde, wir sind ein Reich für uns, 
und doch bleiben wir hier; wo wir gestritten haben und 
wo wir gefallen sind, wollen wir auch begraben sein.“ 
Ihre Gräber müssen von ihnen reden und zeugen von ihnen, 
denn es sind Namenlose, die hier ruhen. Kein Geschichts- 
werk rühmt ihre Namen und kein Dichter besingt ihre 
Taten. Vater und Mutter hatten daheim gezuckt und ge- 
weint, als sie der herbe Verlust traf; vielleicht auch trauert 
eine stille Braut um sie. Doch davon wissen wir nichts, 
wir ahnen 
141 
wurde. Alo hierauf bekannt wurde, daß weiter rechts 
Kameraden verschüttet seien, eilte der brave Chemmitzer 
Schulmeister dahin und grub im schwersten Artilleriefeuer 
den Unteroffizier Winter und den Reservisten Erler aus 
und brachte sie vorläufig an eine weniger beschossene Stelle 
des Grabens. Unter eigener Lebensgefahr holte Meusel 
dann von vorne einen Sanitätsunteroffizier herbei und 
leistete diesem beim Verbinden der Verwundeten tatkräftige 
Hilfe. Wieder und wieder wurde er aufgefordert, sich 
doch auch selber verbinden zu lassen. Statt dessen trug er 
noch nacheinander zwei Verwundete im schwersten Artillerie= 
feuer auf dem Rücken bis an die Reservestellung und be- 
wirbte hier ihren sofortigen Weitertransport. Jetzt ließ 
er sich verbinden. 
Inzwischen war das feindliche Artilleriefeuer aufs höchste 
gesteigert worden: trotzdem beobachtete Meusel freiwillig 
den Feind und meldete schließlich rechtzeitig den erkannten 
englischen Angriff dem Zugführer, der daraufhin sofort 
eine wirk- 
  
es nur. 
Nur we- 
nige Schritte 
sind es vom 
Graben zum 
Grab, und 
wenn man 
durch die 
schmale 
Schießscharte 
den Feind 
beobachtete, 
konnte man 
auf manchem 
schlichten 
Holzkreuz le- 
sen: Hierruht 
ein tapferer 
Kamerad 
vom ... ten 
Regiment. 
— Ja, tapfer 
und brav wa- 
ren sie, das 
kündet auch 
ihre Ruhestätte; sie sind vorm Feind gefallen und vorm 
Feind begraben. Uns aber mahnen sie: Gebt Acht, seid 
wie wir — und die Kugeln pfiffen über Tote und Lebende. 
Kriegsfreiwilliger Böttcher, 107, 
bei Neuville schwerverwundet und gestorben. 
  
Stete freiwillig 
Die Stellung der Kompagme hatte am 15. Juni 1913 
ganz besonders unter schwerem Artilleriefeuer zu leiden. 
Ungezählte Tausende von Granaten mittleren und schweren 
Kalibers ebneten die Gräben teilweise vollkommen ein. 
In dieser kritischen Zeit stand der Einjährig-Freiwillige-Ge- 
freite Kurt Herbert Meusel, Lehrer in Chemnitz, auf 
Posten, die Augen unablässig und unbekümmert um den 
schrecklichen Granatenregen auf die gegenüberliegende feind- 
liche Stellung gerichtet. Die nach allen Seiten bin ein- 
schlagenden Geschosse wirbelten mächtige Erdwolken auf 
und erschwerten die Beobachtung ungemein. Meusel lugte 
ab und zu über die Brustwehr hinaus und erhielt dabei 
einen Kopfstreifschuß. Wiederholt von seinem Zug= und 
Gruppenführer aufgefordert, sich verbinden zu lassen, ver- 
weigerte er jede Hilfe, beobachtete weiter die feindliche 
Stellung und verblieb auf seinem Posten, bis er abgelöst 
  
Unterstand des Grenadier-Regiment 101 
same Vertei- 
digung ver- 
anlaßte. Auch 
daran nahm 
der Chem— 
nitzer hervor- 
ragenden 
Anteil. 
Am 16. 
Juni wurde 
wieder die 
ganze Stel- 
lung der 
Kompagnie 
mit Geschos- 
sen schwer- 
sien Kalibers 
eingeebnet. 
Dic meisten 
Winterstollen 
waren bereits 
verschüttet. 
Meusel, der 
sich heute mit 
in dem Un. 
terstand des Zugführers befand, holte Ersatz für die 
verschüttete Munition, namentlich Handgranaten, heran 
und verteilte sie im heftigsten Trommelfeuer unter 
die Gruppen des Zuges. Bei der späteren Verteidi- 
gung wurde er durch einen schweren Kopfschuß ver- 
wundet und brach besinnungslos zusammen. Nach dem 
wiedererlangten Bewußtsein äußerte er seine größte Be- 
friedigung über die zweite, siegreiche Abwehr des Feindes. 
Ein Schmerzenslaut — trotz sehr schwerer Verwundung — 
kam nicht über seine Lippen. 
Für solch hervorragend tapferes Verhalten ist Meusel 
zum Unteroffizier befördert worden und hat das Eiserne 
Kreuz erbalten. 
Sichsische Pioniere 
Vom 1. Pionier-Bataillon Nr. 12 wird berichtet: Am 
11. Juli lols gegen 7 Uhr abends trafen wir auf der 
Höhe los mit dem Querschlag eines Mittelschachtes auf 
einen französischen Minengang. Der vor Ort arbeitende 
Bergmann ließ sogleich mit dem Fernsprecher Meldung an 
den Pionier-Offizier, Leutnant Zillinger, erstatten. Eine 
Patrouille ging zum Schacht vor, wo an der Durchbruchs- 
stelle bereits Gefreiter Posselt und Unteroffizier Mehl- 
born den Zugang erweiterten. Die dahinter arbeitenden
	        
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