Full text: Sachsen in großer Zeit. Band I. (1)

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Uhr — wie eine Schnecke schlich die Zeit. Mancher Ka- 
merad kritzelte noch schnell einen kurzen Gruß an seine 
Lieben daheim auf eine Feldpostkarte — vielleicht den 
letzten 
Da setzt plötzlich das Artilleriefeuer aus — schnell 
blicken wir über den Wall.. aber schon fängt das Ticken 
der feindlichen Maschinengewehre an. Dreiviertel auf Zehn! 
Der Befehl: „Alles Seitengewehre aufpflanzen!“ kommt 
durch. Da setzt die Artillerie nochmals ein, diesmal aber 
viel lebhafter: die Blechkanonen brüllen sich förmlich heiser. 
Und jetzt kommt: „Alles fertig machen!“ Davon, daß 
wir den feindlichen Gra- 
paar Engländern verteidigt, aber auch hier wird rasch auf- 
geräumt. Hinter dem Wäldchen mußten wir uns ein- 
graben, da alles, was links der Bahn lag, uns nicht so 
rasch hatte folgen können. Unser Graben war bald einiger- 
maßen ausgebaut; das feindliche Artilleriefeuer störte uns 
bei der nun folgenden genauen Durchsuchung der Unter- 
stände nicht im geringsten. Eil das war ja eine richtige 
Lebensmittelniederlage! Fleischkonserven in Menge, Weiß- 
brot, verschiedene Marmeladen, kondensierte Milch, und zum 
Schluß noch genügend „Stäbchen“! So begann denn nach 
der schweren blutigen Arbeit ein allgemeines Frühstück. 
Bei Eintritt der 
  
ben nehmen würden, 
war jeder felsenfest 
überzeugt; jeder ver- 
traute unbedingt den 
tüchtigen Führern und 
nahm sich vor, es den 
Engländern mal tat- 
kräftig zu beweisen. 
Gewaltsam wurde ein 
jäh aufsteigendes be- 
klommenes Gefühl beim 
Gedenken an die fer- 
nen Lieben, an die 
teure Heimat unter- 
drückt. Nur jetzt nicht 
weich werden! 
Dasteht unser Kom- 
pagnieführer aufs, hebt 
die Hand: wie der Blitz 
ist das Wort „Losl!" 
durch die Reihen, mit 
einem Ruck sind ein 
  
Dunkelheit wurde fest- 
gestellt, daß die ganze 
vordere Linie ohne 
Leuchtpistole und -pa- 
tronen war. Richtig 
griffen auch die Eng- 
länder mitten in der 
Nacht unsere neuge- 
wonnene Stellung an. 
Sehen konnten wir 
nichts pulverten aber, 
unterstützt von unseren 
zwei Maschinengeweh- 
ren, feste drauflos: so 
brach der Angriff zu- 
sammen. Bei Tages- 
anbruch überzeugten 
wir uns davon bis dicht 
heran waren sie ge- 
kommen: gegen 40 tote 
und einige verwundete 
Engländer lagen vor 
  
paar Sandsäcke von der 
Brustwehr gerissen —: 
ein Sprung — und vor- 
wärto stürmen wir! Unser Führer ein Stück vor uns, der 
dritte Zug dicht hinter uns, geschlossen, wie wir's auf dem 
Kasernenhofe geübt hatten: nur das Rattern der Maschinen- 
gewehre, das Zischen und Pfeifen der Kugeln versetzt uns in 
den wirklichen Krieg. „Alles hinlegen!“ denn jetzt empfing 
uns auch noch aus der linken Flanke rasendes Maschinen- 
gewehrfeuer. Unser Kompagnieführer läßt, die Gefahr erken- 
nend, sofort einen Teil der ersten Welle links einschwenken. 
Wir übrigen stürmen weiter geradeaus; schon ist inzwischen 
die zweite dicht herange- 
kommen, und mit lautem 
Hurra geht's an den Gra- 
ben. Die Besahmung, die sich 
erst sehr tapfer gewehrt 
hatte, wollte sich nun er- 
geben — doch da schleu- 
dert uns einer von den Ha- 
lunken noch eine Hand- 
granate entgegen, worauf 
wir natürlich kurzen Pro- 
zeß machen mußten. Nun 
ist der Graben unser, und 
weiter geht's! 
Da erreicht uns die 
Nachricht, unser wackerer Führer, Oberleutnant Depen- 
dorf, sei gefallen! 
Dies niederschmetternde Wort läßt uns Halt machen —, 
doch alsobald reißt uns Leutnant Rose wieder mit vor- 
wärto. Aus einem kleinen Wäldchen prasselt und neuerlich 
Maschinengewehrfeuer entgegen, das aber durch unser Ge- 
wehrfeuer bald zum Schweigen gebracht wird. Die im 
Wäldchen befindlichen Unterstände werden noch von ein 
Ein kleiner Minenwerfer 
  
unserer Stellung. 
An diesem 9. Mai 
ging ich einmal am 
Bahndamm entlang bis zu unserem alten Graben zurück. 
Wie ganz anders mutete einen das jetzt alles an! Viele 
Kameraden, die uns fehlten, waren durch das starke 
Flankenfeuer verwundet, viele aber auch — gefallen! Wie 
tapfer gekämpft worden war, sah man an den vielen toten 
Engländern; auch ihre Garde-Regimenter hatten schließlich 
unserem siegreichen Vordringen nicht standgehalten. 
Auf * Uhr nachmittags war ein neuer Sturm festgesetzt, 
der aber, weil alles, was links der Bahn lag, unsere Höhe 
noch nicht erreicht hatte, 
unterblieb. Am Abend 
rückte aber doch das Ba- 
taillon noch ein Stück wei- 
ter vor und schanzte sich 
auf der Höhe ein. 
Leider hat uns der so 
gut gelungene Sturm am 
8. Mai unsere sämtlichen 
Kompagnieführer gekostet: 
Haupimann Grahl, 6., 
verwundet; Oberleutnant 
Dependorf, 7., Leutnant 
Müller, 5., gefallen; Leut- 
nant Halbach, 8., ver- 
wundet. Oberleutnant Dependorf war eben erst ins Feld 
gekommen, hatte mit großer Begeisterung und ganz her- 
vorragendem Schneid unsere 7. geführt —, da mußte ihn 
so jäh das Geschick ereilen. Auch Leutnant Miller, der 
seine s. als zweite Welle gegen den Feind führte, war es 
nicht vergönnt, das siegreiche Ende des Sturmes zu 
erleben. 
Stets werden wir den beiden uns so lieb gewordenen
	        
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