Full text: Sachsen in großer Zeit. Band I. (1)

Kinder werde ich im Leben nicht vergessen können. Es war 
einfach fürchterlich.“ 
Gott ließ sich nicht spotten. Bald, schon bald kam die 
Rache mit dem wuchtigen Schritt der deutschen Bataillone, 
und die Kanonen Krupps dröhnten Vergeltung vor Lüttich, 
Brüssel und Antwerpen. 
Auf dem Vormarsch 
Mit seinem Regimente zog auch der regierende Herzog 
Ernst von Sachsen-Altenburg gen Westen, führte später 
eine Brigade und zuletzt die 8. Infanterie-Division, bis er 
den obersien Kriegsherrn bat, seines militärischen Komman= 
dos enthoben zu werden und in die Heimat zurückkehren zu 
dürfen, wo seine Anwesenheit in dringlichen Regierungs- 
geschäften nötig geworden war. Aus der Zeit des Vor- 
marsches 
stammt der 
folgende 
Brief des 
Herzogs in 
die Heimat: 
„Wir ha- 
ben viel er- 
lebt und sehr 
viel geleistet. 
Marschieren. 
und immer 
marschieren, 
ohne Rast 
und Ruh. Am 
10. August 
kamen wir in 
Willdorf bei 
Jülich mit 
der Bahn an 
und vom 12. 
August ab 
marschieren 
wir mit einem 
einzigen 
Ruhetage bis 
heute, wo wir 
dicht bei 
  
23 
Ruhe auf einem Stoppelacker, nachdem wir alle aus der 
Feldküche gemeinsam mit den Mannschaften — wie über- 
haupt fast immer — gegessen hatten, ging es weiter bis 
zur Dunkelheit. 
Die Stimmung ist vorzüglich. Ich habe für heute nacht 
ein richtigeo Bett, ich glaube das vierte Mal im Krieg; 
seit acht Tagen habe ich mich heute das erste Mal aus- 
gezogen.“ 
Der erste Sonntag am Feinde 
Es war zu Beginn des großen Krieges. Die Sonne 
glutete auf das liebliche Elsaß. Blaudunstig schwammen über 
zitternden Luftwellen die Waldkuppen der Vogesen. Aber ihre 
kühlen Schatten lagen noch fern, und ihre Bäume waren nech 
weit. Auf die staubige Straße fslammte die Hitze herab, doch 
sie wurde von 
den begeister- 
ten Kricgern 
geduldig er- 
tragen. 
Seit vier Uhr 
des Morgens 
war das Bat- 
taillon Für- 
stenau auf 
den Beinen. 
Man mar- 
schierte gen 
Westen, auf 
den Feindzu, 
das war das 
einzige be- 
kannte Ziel. 
Was brauch- 
ten die Bra- 
ven mehr zu 
wissen, es 
war ihnen 
genug, daß 
es gegen den 
Feind ging. 
An Feldern, 
an Dörfern 
sind. Das vorbeitrapp-= 
sind Märsche, !—em rrbw r nt ten sie vor- 
wie siebisher Waschpause sächsischer Truppen auf der Fahrt in Feindesland wärts, immer 
in der Ge- weiter. 
schichte noch nicht dagewesen sind. Das Wetter war schön. Das 
Regiment hat mehrmals 50 Kilometer als Tages- 
leistung zu verzeichnen. Überall erregte unsere Ankunft Er- 
staunen. So in Löwen und Brüssel. Wir wurden zuerst, auch 
jetzt noch, in dem Dorfe für Engländer gehalten, weil die 
Leute nicht begreifen können, daß wir schon da sind. Die 
Belgier steckten übrigens in der letzten Zeit ihre Dörfer 
selbst an. 
Am 24. August traten wir zuerst ins Gefecht. Ich 
führte eine kombinierte Brigade, bestehend aus. Das 
Regiment hat sich glänzend geschlagen. Trotz der kolossalen 
Anstrengungen war es in bester Stimmung und kampf- 
freudig. Ich war an diesem Tage dauernd im schwersten 
Gewehr= und Geschützfeuer. Am 26. August hatten wir 
einen Marsch von genau 23 Stunden, von früh ½7 Uhr 
bis zum nächsten Morgen ½6 Uhr. Dabei sollte ich mit 
dem Regiment über eine Brücke, um eine Stellung zum 
Schutze eines Brückenbaues einzunehmen. Die Brücke war 
aber, wie wir rechtzeitig feststellten, mit Minen belegt, und 
20 Minuten darauf flog sie in die Luft. Nach dreistündiger 
Eine endlose Artilleriekolonne hielt auf der Straße, 
die das Bataillon entlang zog. Auf Rohren und schweiß- 
feuchten Pferderücken glitzerte die Sonne. Seltsam an- 
zusehen, diese Geschütze, deren Rohre mordbereit sich durch 
die stählernen Schutzschilde schoben. Es war, alo könne 
jeden Augenblick feuriger Flammenhauch des Hasses aus 
ihnen hervorsprühen. Und in Sonne und Staub trottete 
das Bataillon an den Batterien entlang. Immer neue Ge- 
schütze, Protzen, Bespannungen — wollten sie denn gar 
kein Ende nehmen? Die Leute schauten und zählten nicht 
mehr. Sonne und Staub töteten alles Nachdenken. 
Der Marsch des Bataillons ging weiter. Die Artillerie= 
Kolonne blieb zurück. Die Orte Siegesheim — eine gute 
Vorbedeutung —, Ungersheim, Bollweiler wurden durch- 
schritten. Und immer heißer brannte die Sonne. Den 
schwerbepackten Soldaten rann der Schweiß vom Gesicht, 
bald hier, bald da taumelte, brach einer kraftlos zusammen. 
Es wurde eine Stunde Halt gemacht. Die Leute zogen die 
Nöcke aus, um sich zu kühlen, und holten Wasser. Sie 
hätten sich am liebsten hingelegt. Doch die Kriegslage
	        
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