Full text: Sachsen in großer Zeit. Band I. (1)

waren; so hatte ein Geschoß einem den Kopf ganz weg- 
gerissen oder ein Splitter den Leib aufgerissen; Perde 
sprangen wie wild herum — es war grausig. Ein Grena- 
dier-Hauptmann bat mich um einen Trunk aus meiner 
Feldflasche, ich hatte sie noch nicht wieder festgemacht, da 
schien mir und allen anderen das Blut zu stocken, denn ein 
Bataillon der Grenadiere kam im Laufschritt aus dem 
Feuer zurück, wir schrien: „Was ist los “ — keine Ant- 
wort —, nun wußten wir, was los war. Ohne einen 
Befehl des Generals abzuwarten, zogen wir den Degen 
und rissen die Grenadiere mit vor, alles machte Front, 
und nun krachte die feindliche Artillerie auf uns los. 
Wir mußten durch Granat= und Schrappnellfeuer durch, 
vor mir, neben und hinter mir schlugen die Granaten ein, 
Kameraden fielen, ich schrie „Vorwärts, herausaus 
dieser Hölle“ — immer mehr fielen. Mein Tornister 
verschwand vom Rücken mit einem mächtigen Ruck, — 
war er von einem Sprengstück getroffen 7 ich weiß es nicht, 
umsehen wollte ich mich nicht, nur vorwärts! Wir kamen 
an zwei Häuser, an diesen ging ich rechts vorbei, dann 
mußte ich durch eine 
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im Wagen nach dem Lazarett gebracht worden. Nach langem 
Suchen fanden wir das Regiment hinter einer Höhe, wo 
es sammelte. Viele fehlten!!1 — — — 
Aus einem Briefe des Leutnants Gerhard Rost!# 
aus Schweikershain i. Sa. 
Bioul 
Zwei Kompagnien eines Reserveregiments und zwei 
Batterien Reserve-Feldartillerie aus Sachsen waren am 
24. August 1914 auf dem Vormarsche westlich Warnant. 
Auf der Höhe von Bioul meldete der Führer einer Pa- 
trouille der Reserve-Husaren, er werde aus dem stark 
vom Feinde besetzten Bioul fortgesetzt beschossen. Der 
Feind sei aber wohl schon im Abmarsch begriffen. Oberst- 
leutnant Nichter stellte mit eigenen Augen durch das Glas 
starke Verpflegs= und Gepäck-, auch Autokolonnen und 
Geschütze unter Infanteriedeckung fest, anscheinend von den 
Maaskämpfen des vergangenen Tages abgesprengte Teile, 
die sich nun durchzu- 
  
Dornenhecke — kein 
Durchgang; ich schlug 
mit meinem Degen auf 
sie ein, und die Aste 
gingen auseinander, so 
daß ich mich durchzwän- 
gen konnte; mir folgten 
die 123er und 121er. 
Nun sprang ich noch 
zirka 50 Schritt, um 
dann in Stellung zu 
gehen. Jetßzt sah ich mich 
um, es war furchtbar, 
dies Schlachtfeld 11 
Die feindliche Artil- 
lerie bemerkte unsern 
Durchbruch durch die 
Hecke und feuerte auf 
diese, deshalb gingen 
wir weiter vor. Ich lag 
mitten in der Linie der 
Grenadiere, ein Haupt- 
mann Lutz lag dicht 
neben mir und wurde 
zerschmettert. Immer weiter ging es vor, bis wir endlich 
ganz dicht an die feindliche Infanterie-Stellung kamen. 
Dort feuerten wir wieder. Ein Grenadier-Leutnant mit zer- 
schossener Brust kommandierte seinen Zug weiter, er hatte 
ein Gewehr in der Hand und schoß. Wieder krochen Leute 
hinter die Höhe zurück, wir brachten sie wieder rauf. — 
Plötzlich erhielten wir auc der Flanke Infanteriefeuer, 
meiner Ansicht nach konnten es nur eigene Truppen sein, 
die schossen. Ich schrie nach einem Hornisten — endlich 
kam einer — und befahl ihm, den Grenadierruf 123 zu 
blasen. Das Feuer verstummte, man hatte uns verstanden, 
wir waren gerettet. 
Ich dankte Gott, meine Kraft schien zu Ende, ich brannte 
mir eine Zigarette an, dann fühlte ich mich wieder besser. 
Bald darauf kam der Befehl, die Brigade solle sammeln. 
Ich führte als ältester Offizier alle 124er zurück, ließ noch 
Verwundeten helfen, sprach mit meinem Hauptmann Mög- 
ling, der von Schmerzen gepeinigt auf dem Schlachtfelde 
lag. Ein Granatsplitter hatte ihm den rechten Oberschenkel 
halb abgerissen; wir betteten ihn auf eine Zeltbahn und 
wollten ihn in den Wald bringen. Er wimmerte entsetzlich 
vor Schmerzen und bat uns, ihn liegen zu lassen, er halte 
es nicht aus. Wir trafen einen Arzt von den 120ern und 
baten ihn, nach dem Hauptmann zu sehen; er ist dann auch 
  
Sächsische Grenadiere auf der Verfolgung des Feindes passieren einen 
französischen Ort 
schlagen versuchten. Er 
ließ ihnen durch eine 
Batterie von der Höhe 
aus gehörig Feuer auf 
den Pelz geben, und 
Oberleutnant Nößler 
setzte ihnen dabei hart 
zu. Unter den in dem 
Dorfe zusammen- 
gedrängten Fabrzeugen 
entstand eine große Ver- 
wirrung. Nun wurden 
auch die französischen 
Bedeckungstruppen mit 
einigen Treffern bedacht. 
Der Feind nahm das 
Gefecht nicht auf. Da 
erbat sich der aus den 
Kämpfen um Houx als 
schneidiger sächsischer 
Reitersmann gerühmte 
Adjutant des Obersileut= 
nants Nichter, Leutnant 
Garke, die Erlaubnis, 
mit zwei Begleitern die Verhältnisse im Dorfe Bioul 
aus möglichster Nähe feststellen zu dürfen. Das Feuer 
wurde eingestellt und Leutnant Garke durfte bis auf 
500 Meter heranreiten. 
Er kam nicht zurück. Reiter wurden ihm nachgesandt, 
die beiden Kompagnien gegen das Dorf in Marsch gesetzt. 
Der Oberstleutnant trabte selber mit acht Reitern nach 
Bioul hinein. 
Leutnant Garke war, weil er aus 300 Meter Nähe 
doch nichts Nechtes erkennen konnte, keck in das Dorf 
hineingeritten. Hier fand ihn sein Oberstleutnant bereits 
mit einem Parlamentär der Franzosen verhandeln, und 
freudestrahlend konnte er melden: Der Feind will 
sich ergeben! 
Nun ritten sächsische Reiter schnell durch alle Dorf- 
gassen und riefen den Franzosen zu: Legt eure Waffen 
nieder, denn auf den Höhen ringsherum stehen zwölf 
Batterien schußbereit. Hier kommt kein Kerl und kein 
Pferdeschwanz lebendig mehr heraus! 
Den Sachsen machte der Befehl einen riesigen Spaß. 
Einige von ihnen sind namentlich bekannt geworden; sie 
werden sich, überlebten sie den Krieg, des Tages von 
Bioul gern erinnern, wenn sie nun im Sachsenbuche ihre 
Namen wiederfinden: Sergeant Schwarze und die
	        
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