Full text: Sachsen in großer Zeit. Band I. (1)

nach allen notwendigen Stellen von unserem Arbeitstisch 
auo telephonieren, so sicher, so verständlich und bequem, 
wie in Leipzig von unserem Geschäftszimmer aus. 
„Das Essen ist fertig.“ Diese Meldung erinnert und 
daran, daß wir außer einem Stück Schokolade, Kommißbret 
  
  
Kirchgang sächsischer Truppen im Westen 
und etwas hartem Landschinken heute noch nichts im Magen 
gehabt haben. Auf dem Gesindetisch der Ferme stehen die 
Zinnteller, die das Generalkommando mit ins Feld ge- 
nommen hat, einige Flaschen roten Landweins, einige frag- 
würdige vorgefundene Bestecke, die die meisten lieber durch 
die von Muttern mitgegebenen zusammenlegbaren Eßbestecke 
ersetzen, und schon trägt der Koch einen großen Kessel 
herein, in dem Kartoffeln und Gulasch friedlich beieinander- 
wohnen. Es schmeckt vorzüglich, Hunger ist der beste Koch. 
Unser trefflicher Intendant, der eben von seiner täglichen 
Fahrt zu den rückwärtigen Verpflegungskolonnen zurück- 
gekehrt, bringt uns als besondere Delikatesse noch frisches 
Brot mit, eben von einer Feldbäckereikolonne ausgegeben. 
Dann eine Zigarre als Magenschluß, belgisches Fabrikat 
leider, da die deutschen schon lange in Rauch aufgegangen 
sind, aber was will man schließlich mehr! 
Eo ist etwas Schönes um die Kameradschaft im 
Felde. Jeder wacht mit Argusaugen darüber, daß — der 
andere genug zu essen bekommt, und besonders Seine Ex- 
zellenz ist unermüdlich darin, jeden verspätet Ankommenden 
selbst zu versorgen, damit er auch ja noch satt wird. Der 
„Koch“ (sonst Hotelier aus Plauen i. V., jetzt Reserve- 
manng eilt geschäftig hin und her in einem tadellosen weißen 
— Damennachthemd mit Spitzen, das er an Stelle des 
stark verbrauchten eigenen auf der letzten Ferme mitgehen 
hieß. Die steifgeplättete Spitzenhalskrause gibt einen ein- 
druckovollen Kontrast zu dem seit Wochen nicht rasierten 
Kriegerkinn. 
Wer nichts mehr zu tun und fertig gegessen hat, wühlt 
sich schleunigst in sein Stroh ein, wer weiß, wie lange man 
schlafen kann. Es ist erstaunlich, in welcher Lage und bei 
welchem Lärm man schlafen gelernt hat. Selbst das Schnar- 
chen eines unserer Herren, das, in lebendige Kraft umgesetzt, 
nachweislich die brisante Wirkung unserer schweren Artillerie 
übertreffen würde, stört niemanden mehr. Auch nicht das 
fortgesetzte Kommen und Gehen; schon melden sich die 
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Befehlsempfänger der unterstellten Truppen und Behörden; 
abgekommene Abteilungen oder Wagenkolonnen fragen nach 
ihrem Truppenteil, Meldungen aller Art gehen ein, die 
Pflege der Verwundeten erfordert besondere Maßnahmen, 
kurzum, Ruhe tritt in dem sonst so stillen Gehöft in dieser 
Nacht nicht ein. 
Der befehlsholende Generalstabsoffizier, der gerade, als 
Gott Morpheus ganz Gewalt über uns gewonnen hat, ein- 
trifft, bringt fast alles wieder auf die Beine, denn er 
bringt ja den „Befehl“, und meist nicht nur diesen, sondern 
noch eine ganze Masse anderer Schreiben mit, die, da der 
Tag keine Zeit dafür läßt, in der Nacht erledigt werden 
müssen. Im Generalstabszimmer sitzen wieder der Cbef 
mit seinem getreuen Gehilfen. Gott sei Dank, die Wei- 
sungen von oben decken sich mit dem, was vorbereitet war, 
fast wörtlich. Nun wird der Entwurf des Befehlo Seiner 
Exzellenz vorgetragen, der die tägliche Störung seiner Nacht- 
ruhe mit stets gleichbleibender Nuhe, Liebenswürdigkeit und 
Elastizität erträgt. Die Herren kommen aus dem Zimmer 
Seiner Exzellenz zurück. Durchschreibebücher liegen bereit, 
die Befehlsholer haben ihre gespitzten Bleistifte gezückt, 
und eine Viertelstunde später geht der Wille des Korps 
binaus zu den Truppen, die schon vorher durch unsere treue 
Drahtstrippe ihre sogenannten „Vorbefehle“ erhalten haben. 
Die Türe zum Nebenzimmer öffnet sich, in einem kleinen 
Nebenraume, sonst wohl Speisekammer, haben beim Schein 
einer trüben Kerze die Herren eine kurze, aber inhaltsschwere 
Beratung abgehalten, denen die wichtige Sorge für den 
Nachschub unserer Truppen obliegt die wie mit Geister- 
hand weit über das Land die zahllosen Kolonnen leiten, 
welche täglich das Drittel hunderttausend Menschen mit 
Lebensmitteln, Munition und allen sonst notwendigen Lebens- 
bedürfnissen versorgen, die Verwundeten und Gefangenen 
abtransportieren, die ankommenden Ergänzungen nach- 
führen. Der Offizier des Generalstabes, der das Zusammen- 
wirken dieses weitverzweigten Organismus leitet, tritt zum 
Chef und erstattet seinen Vortrag: „Herr Oberstleutnant, 
mit der Miition stehen wir gut usw.“ und dann eilen 
auf demselben Wege, wie der Befehl, die von ihm vorge- 
  
  
Ein Gruß in die Heimat
	        
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