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tragenen „Besonderen Anordnungen für den Munitionsersatz
usw.“ an alle Dienststellen, während die Kommandeure der
Munitionskolonnen und Trains, die mit an der Beratung
in der Speisekammer teilgenommen hatten, sich auf ihr
Stroh legen, für kurze Stunden, ehe sie mit Pferd und
Kraftwagen wieder zu ihren Kolonnen eilen.
Der Generalstabsoffizier für die rückwärtigen Verbin-
dungen will eben auch auf sein Strohlager sinken, aber
ach, schon erscheint der Telephonist in der Tür: „Herr
Hauptmann werden am Apparat gewünscht von der 3. Mu-
nitions-Kolonne.“ Er ist wohl der einzige, der unsere treue
Strippe ab und zu mit gemischten Gefühlen betrachtet,
denn sie fesselt ihn unbarmherzig Tag und Nacht. Viele
wollen von ihm etwas haben, Munition, Liebesgaben, Gly-
zerin, Stacheldraht usw. in buntem Wechsel, alle wollen
sie von ihm Auskunft erhalten, die Kolonnen, die in dunkler
Nacht noch kein Befehl ereilt hat, und die nun in höchster
Not ihren höchsten Helfer anrufen. Mit stets gleicher Ruhe
gibt er ihnen Auskunft und kein Fragesteller geht un-
getröstet von dannen.
Unterdessen,
Ich habe heute Nachtdienst und trete noch einmal unter
die Tür unsereo nun ziemlich stillen Hauses. Zwei Hacken-
paare schlagen militärisch aneinander: Die Posten unserer
getreuen Leibwache, der Nadfahrerkompagnie Jäger-Ba-
taillon 13, die uns seit einigen Tagen begleitet und be-
hütet und sich dabei von den Strapazen der heißen Wochen,
während deren sie der Kavallerie-Division zugeteilt war,
erholt. Über mir sternklare Nacht, tiefe Stille um mich
ber, nur auf der Dorfstraße erinnert dumpfes Wagen-
gerassel der zwischen Etappe und Truppe „pendelnden“
Kolonnen, daß auch diese stille Nacht dem Kriege dienst-
bar ist. Aber der Sternenhimmel ist zu schön, er verdrängt
auf Minuten alles, was Krieg und Kriegsgetümmel heißt,
auc den Gedanken und läßt sie heimwärts eilen, wo das
strahlende Firmament in gleicher Schönheit sich über dem
friedlichen Dache wölbt, das Weib und Kind, Eltern und
Geschwister umhegt.
„Lieb Vaterland, magst ruhig sein!“ Gott sei Dank,
daß viele hundert Kilometer mich von ihnen trennen, daß
wir den furchtbaren Krieg in Feindesland bineinführen
durften.
die Ubr zeigt
nunmehr starf
nach Mitternacht,
der Chef hat
eben seinen
Klemmer ins
Etuiversenktund
will sein Bauern-
ben bestleigen,
erscheinen in der
Tür die beiden
Adjutanten und
bitten um Vor-
trag. Beide ha-
ben seit unserem
„Diner“ bifrig
gearbeitet. Ersatz
von Offizieren
und Mannschaf-
ten, an Pferden,
Material, Listen-
fübrung über
Gefallene, Ver-
wundete, poli-
zeiliche Maßnahmen und vieles andere wollen erledigt sein,
zum großen Teil Arbeit, wie in Friedenszeiten, nur hier
im Kriege doppelt wichtig und doppelt folgenschwer.
Die Uhr zeigt auf 1 Uhr, als auch dies erledigt ist.
Da brummt draußen das Fliegerauto. Noch mit Kappe
und Joppe kommen sie, die beiden jungen Fliegerleutnants,
um die wir schon in Sorge schwebten, weil sie abends nicht
zurückgekehrt waren. In straffer, militärischer Haltung,
aber mit leuchtenden Augen statten sie ihre Meldung ab.
Sie sind weit hinter die feindlichen Stellungen geflogen,
bringen — wie immer — vorzügliche Meldungen, haben
Bomben geworfen, sind dabei in starkes feindliches Artillerie=
feuer gekommen, haben sieben Treffer im Apparat, von
denen einer sie dann auf dem Rückweg zu einer Notlandung
außerhalb ihres Flughafens gezwungen hat. Daher die
Verspätung. „Bis morgen ist der Apparat aber wieder
Flugbereit,“ ergänzt der eifrige Führer der Abteilung, der
seine Jungens immer begleitet, die Meldung. Die wichtige
Fliegermeldung macht noch einige Zusätze zu den Anord-
nungen für den kommenden Tag notwendig, auch das
Armee-Ober-Kommando muß benachrichtigt werden, eifrig
arbeitet das Telephon. Endlich ist auch das erledigt; mit
einem befriedigten: „Na, das war ja ein ganz runder Tag“
entläßt der Chef seine Herren.
Truppennachschub bei der Verpflegung in Plauen (oberer Bahnhof)
Ich trete zu-
rück und suche
die Strohhütte
im Generalstabs-
zimmer auf. Un-
ter dem mono-
tonen: „n wie
Nathan, i wie
Isidor, z wie
Zacharias“ der
nimmermüden
Telephonisten,
die während der
ruhigeren Nacht-
stunden die nicht
auf die Opera-
tion bezüglichen
Telephongesprä-
che (z. B. An-
fragen der An-
gehörigen nach
Verwundeten)
durchgeben, senkt
sich rasch der
Schlaf auf meine Augenlider, bis der erwachende Tag
neue Arbeit, neue Pflichten und — will's Gott — neue
Siege bringt.
(Aus den „Leipziger Neuesten Nachrichten“ 1914.)
Leipziger Ulanen bei Chalons
Als am 6. September 1914 die 24. Inf.-Division mit
dem Ulanen-Regiment an der Spitze von Chalons aus
ihren Vormarsch in die Gegend von V. antrat, hörte man
gegen 10 Uhr vormittags starken Kanonendonner von Süden
her. Daraufhin wurde Vizewachtmeister Berger der 1. Es-
kadron Ulanen-Regiment Nr. 13 (aus Pötnit bei Dessau)
in die Richtung geschickt, woher das Schießen zu vernehmen
war. Dieser ritt mit seiner Patrouille ab und meldete nach
kurzer Zeit durch Meldereiter, daß die Artillerie des Nach-
bar-Armeekorps im Kampf mit feindlicher Artillerie stände.
Er selbst ritt mit vier Ulanen weiter, um die feindliche
Artilleriestellung zu erkunden. Dicht bei V. stieß er auf
abgesessene Kavallerie, durch deren Feuer ein Pferd seiner
Patrouille abgeschossen wurde. Er brach mit allen vier
Ulanen im Galopp durch und ritt weiter. Nach kurzer Zeit
sah er ein französisches Bataillon, das er unbemerkt um-