Full text: Sachsen in großer Zeit. Band I. (1)

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tragenen „Besonderen Anordnungen für den Munitionsersatz 
usw.“ an alle Dienststellen, während die Kommandeure der 
Munitionskolonnen und Trains, die mit an der Beratung 
in der Speisekammer teilgenommen hatten, sich auf ihr 
Stroh legen, für kurze Stunden, ehe sie mit Pferd und 
Kraftwagen wieder zu ihren Kolonnen eilen. 
Der Generalstabsoffizier für die rückwärtigen Verbin- 
dungen will eben auch auf sein Strohlager sinken, aber 
ach, schon erscheint der Telephonist in der Tür: „Herr 
Hauptmann werden am Apparat gewünscht von der 3. Mu- 
nitions-Kolonne.“ Er ist wohl der einzige, der unsere treue 
Strippe ab und zu mit gemischten Gefühlen betrachtet, 
denn sie fesselt ihn unbarmherzig Tag und Nacht. Viele 
wollen von ihm etwas haben, Munition, Liebesgaben, Gly- 
zerin, Stacheldraht usw. in buntem Wechsel, alle wollen 
sie von ihm Auskunft erhalten, die Kolonnen, die in dunkler 
Nacht noch kein Befehl ereilt hat, und die nun in höchster 
Not ihren höchsten Helfer anrufen. Mit stets gleicher Ruhe 
gibt er ihnen Auskunft und kein Fragesteller geht un- 
getröstet von dannen. 
Unterdessen, 
Ich habe heute Nachtdienst und trete noch einmal unter 
die Tür unsereo nun ziemlich stillen Hauses. Zwei Hacken- 
paare schlagen militärisch aneinander: Die Posten unserer 
getreuen Leibwache, der Nadfahrerkompagnie Jäger-Ba- 
taillon 13, die uns seit einigen Tagen begleitet und be- 
hütet und sich dabei von den Strapazen der heißen Wochen, 
während deren sie der Kavallerie-Division zugeteilt war, 
erholt. Über mir sternklare Nacht, tiefe Stille um mich 
ber, nur auf der Dorfstraße erinnert dumpfes Wagen- 
gerassel der zwischen Etappe und Truppe „pendelnden“ 
Kolonnen, daß auch diese stille Nacht dem Kriege dienst- 
bar ist. Aber der Sternenhimmel ist zu schön, er verdrängt 
auf Minuten alles, was Krieg und Kriegsgetümmel heißt, 
auc den Gedanken und läßt sie heimwärts eilen, wo das 
strahlende Firmament in gleicher Schönheit sich über dem 
friedlichen Dache wölbt, das Weib und Kind, Eltern und 
Geschwister umhegt. 
„Lieb Vaterland, magst ruhig sein!“ Gott sei Dank, 
daß viele hundert Kilometer mich von ihnen trennen, daß 
wir den furchtbaren Krieg in Feindesland bineinführen 
durften. 
  
die Ubr zeigt 
nunmehr starf 
nach Mitternacht, 
der Chef hat 
eben seinen 
Klemmer ins 
Etuiversenktund 
will sein Bauern- 
ben bestleigen, 
erscheinen in der 
Tür die beiden 
Adjutanten und 
bitten um Vor- 
trag. Beide ha- 
ben seit unserem 
„Diner“ bifrig 
gearbeitet. Ersatz 
von Offizieren 
und Mannschaf- 
ten, an Pferden, 
Material, Listen- 
fübrung über 
Gefallene, Ver- 
wundete, poli- 
zeiliche Maßnahmen und vieles andere wollen erledigt sein, 
zum großen Teil Arbeit, wie in Friedenszeiten, nur hier 
im Kriege doppelt wichtig und doppelt folgenschwer. 
Die Uhr zeigt auf 1 Uhr, als auch dies erledigt ist. 
Da brummt draußen das Fliegerauto. Noch mit Kappe 
und Joppe kommen sie, die beiden jungen Fliegerleutnants, 
um die wir schon in Sorge schwebten, weil sie abends nicht 
zurückgekehrt waren. In straffer, militärischer Haltung, 
aber mit leuchtenden Augen statten sie ihre Meldung ab. 
Sie sind weit hinter die feindlichen Stellungen geflogen, 
bringen — wie immer — vorzügliche Meldungen, haben 
Bomben geworfen, sind dabei in starkes feindliches Artillerie= 
feuer gekommen, haben sieben Treffer im Apparat, von 
denen einer sie dann auf dem Rückweg zu einer Notlandung 
außerhalb ihres Flughafens gezwungen hat. Daher die 
Verspätung. „Bis morgen ist der Apparat aber wieder 
Flugbereit,“ ergänzt der eifrige Führer der Abteilung, der 
seine Jungens immer begleitet, die Meldung. Die wichtige 
Fliegermeldung macht noch einige Zusätze zu den Anord- 
nungen für den kommenden Tag notwendig, auch das 
Armee-Ober-Kommando muß benachrichtigt werden, eifrig 
arbeitet das Telephon. Endlich ist auch das erledigt; mit 
einem befriedigten: „Na, das war ja ein ganz runder Tag“ 
entläßt der Chef seine Herren. 
   
Truppennachschub bei der Verpflegung in Plauen (oberer Bahnhof) 
Ich trete zu- 
rück und suche 
die Strohhütte 
im Generalstabs- 
zimmer auf. Un- 
ter dem mono- 
tonen: „n wie 
Nathan, i wie 
Isidor, z wie 
Zacharias“ der 
nimmermüden 
Telephonisten, 
die während der 
ruhigeren Nacht- 
stunden die nicht 
auf die Opera- 
tion bezüglichen 
Telephongesprä- 
che (z. B. An- 
fragen der An- 
gehörigen nach 
Verwundeten) 
durchgeben, senkt 
sich rasch der 
Schlaf auf meine Augenlider, bis der erwachende Tag 
neue Arbeit, neue Pflichten und — will's Gott — neue 
Siege bringt. 
(Aus den „Leipziger Neuesten Nachrichten“ 1914.) 
  
Leipziger Ulanen bei Chalons 
Als am 6. September 1914 die 24. Inf.-Division mit 
dem Ulanen-Regiment an der Spitze von Chalons aus 
ihren Vormarsch in die Gegend von V. antrat, hörte man 
gegen 10 Uhr vormittags starken Kanonendonner von Süden 
her. Daraufhin wurde Vizewachtmeister Berger der 1. Es- 
kadron Ulanen-Regiment Nr. 13 (aus Pötnit bei Dessau) 
in die Richtung geschickt, woher das Schießen zu vernehmen 
war. Dieser ritt mit seiner Patrouille ab und meldete nach 
kurzer Zeit durch Meldereiter, daß die Artillerie des Nach- 
bar-Armeekorps im Kampf mit feindlicher Artillerie stände. 
Er selbst ritt mit vier Ulanen weiter, um die feindliche 
Artilleriestellung zu erkunden. Dicht bei V. stieß er auf 
abgesessene Kavallerie, durch deren Feuer ein Pferd seiner 
Patrouille abgeschossen wurde. Er brach mit allen vier 
Ulanen im Galopp durch und ritt weiter. Nach kurzer Zeit 
sah er ein französisches Bataillon, das er unbemerkt um-
	        
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