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dem am Hange liegenden Mignéville ab; wir folgten ihm.
Kurz vor dem Dorfe wird gehalten, Quartiere werden
verteilt: Batl. 88 im Südausgange in den letzten Häusern.
Ich hatte rasch den kleinen Rest meiner stolzen 4. Kom-
pagnie in zwei Gehöften links der Straße untergebracht.
Bewohner gab es hier nicht mehr. Hinauf auf die Penne
ins Heu und ins Stroh, unten kamen noch die Pferde
unter, denen auch mal Ruhe recht not tat. An Absatteln
konnte nicht erst gedacht werden, da alle in höchster
Alarmbereitschaft blieben. Naß wie wir waren bis auf die
Haut, legte sich alles so rasch als möglich hin. Lange
konnte es ja ohnehin nicht sein, denn die Uhr zeigte schon
3 Uhr morgens, als wir vorm Orte Halt gemacht hatten.
Sieben Stunden Marsch, fast im Eiltempo, ohne
Halt hatten wir hinter uns.
Mit Leutnant Ha. zusammen fand auch ich unter den
Mannschaften noch ein bescheidenes Plätzchen auf wenig
Heu, der nasse Umhang diente als Decke, frierend und
taillons — an einer Hand konnte man sie aufzählen —
zu sich und sprach uns Sachsen den Dank aus für die
seiner Truppe gewährte Unterstützung und bewunderte
die gute, tadellose, ja mustergültige Hal-
tung unserer Truppe in den schweren Tagen
bei St. Benoit. Damit waren wir aus diesem Ver-
bande entlassen und sollten nun versuchen, wieder den
Anschluß an unsere 19. Ers.-Div. zu gewinnen. Sie hatte
links von uns bei Les Feignes im Kampfe gelegen und
von da aus den Rückzug begonnen. Hauptmann Kl., der
bis auf weiteres das Bataillon führte, veranstaltete rasch
eine Art Totenfeier zu Ehren unseres gefallenen Majors.
Was wir an ihm verloren hatten, sollten wir erst später
kennen lernen.
Von Mignéville führte der Marsch weiter auf die
Hauptstraße Montigny—Domevre. Der letztgenannte Ort
bot ein Bild traurigster Verwüstung. Kaum ein Haus
noch ganz, alle ausgebrannt, wenig zerschossen. Die Be-
fröstelnd zwang die Müdigkeit zu kurzem Schlaf.
völkerung mußte sich wohl feindselig unseren Truppen
Um 6 Uhr — — gegenüber
morgenswar G ... gezeigt ha-
die Nacht- ben. Zur
ruhe schon Strafe dafür
beendet. Das war das Dorf
Wetterschien den Flam-
beute etwas men überge-
freundlicher, ben worden.
werden zu Nasch zogen
wollen;schon wir hindurch
morgens be- und kamen
gä d*„ gegen Mittag
onne die nach Blä-
weiten mont, einem
kampfdurch- kleinen
tobten Ilu-- freundlichen
ren. Auf gro- lothringischen
ßen Scheiter- Städtchen,
haufen hat-
ten sich die
Leute Gele-
genheit ge-
schaffen, den
Kaffee zu
kochen und
die Sachen
einigermaßen
zu trocknen. In einem gegenüberliegenden Hause hatte
Hauptmann Kl. bei einer liebenswürdigen Alten eine Tee-
stube eröffnet. Gä. und Ha. fand ich da wieder. Wir
schalteten in der Küche, als sei es unser Heim. Die Alte
sah friedlich zu und freute sich, auch von unserm Morgen-
frühstück etwas abzubekommen. Für sie war es sichtlich
eine leckere Mahlzeit: Tee mit Kommißbrot, Butter, Schin-
ken und Wurst. Bis 9 Uhr blieb uns Zeit, uns weiterhin
etwas von den Strapazen des vorhergehenden Tages zu
erholen. Dann wurde der Rückmarsch fortgesetzt.
Im Dorfe meldete jeder Kompagnieführer erst seine
Leutchen. Ich kam auf 7 Gruppen, andere mögen nicht
viel mehr gehabt haben. Die Zurückgebliebenen stellten sich
später ein; auf Lastautos einer Etappenfuhrparkkolonne
hatten sie unter Umgehung von Mignéêville den Weg über
Montigny eingeschlagen. Die Dorfstraße war gestopft voll
von Truppen. Kein Apfel hätte frei zur Erde fallen können.
Langsam, einer hinter dem andern, bahnte man sich zwi-
schen Wagen, Pferden, Geschützen und Mannschaften den
Weg zur Hauptstraße, die das Dorf querte; dort sollte das
Bataillon sammeln.
General von Heidborn, der badische Dioisionsführer,
dem wir unterstanden hatten, rief die Offiziere des Ba-
—
Schwere Geschütze auf dem Vormarsch
das geschützt
im Tale der
Bezouse zwi-
schen paralle-
- len Höhen-
»s-« zügen lag,
Q(w **
bild gekrönt
von den Rui-
nen eines alten, dem 16. Jahrhundert angehörigen Schlosses,
um die schon der Efeu sich hinauf bis zum obersten Ge-
mäuer gerankt hatte. Nach fast vierstündigem Marsche
wurde auf dem Marktplatz gerastet, auch die Bagage be-
kamen wir wieder einmal zu Gesicht, sogar Post gab es.
In einem am Markte gelegenen Hause machte man es
sich etwas bequem, reinigte sich wieder, aber Ruhe gab es
nicht. Als Dolmetscher mußte ich Dienste tun in einem
Nachbarhause. Meine Landser glaubten, im Hause eines
alten Kapitäns, der in Algerien und Dahomey sich Lorbeern
im Kampfe gegen Eingeborene geholt hatte, etwas Verdäch-
tiges gefunden zu haben. Ich unterhielt mich lange Zeit mit
den beiden friedlichen Alten und entlockte ihrem reichen Vor-
rate an Früchten und Wein manches für unser Mittagsmahl.
Durch den Ort zogen dauernd Truppen, Sachsen, Bayern,
Württemberger. Sie alle hatten neben und miteinander
gefochten. Auch Teile unserer in der letzten Zeit etwas
zersplitterten Division fanden wir wieder. Das mit uns
zum Sonderdetachement K. abkommandierte 47. Bataillon
rückte ohne Halt weiter an uns vorüber, ebenso Bataillon
48. Ihm folgten wir 2.45 Uhr. Blämont war Etappen-
station bayrischer Truppen gewesen. Die blauweißen Fähn-
chen an den Türen sprachen dafür.