Full text: Sachsen in großer Zeit. Band I. (1)

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war ein ruhiger Spaßvogel, der die ganze anwesende Ge- 
sellschaft, Deutsche und Franzosen, unterhielt. 
Plötzlich erscholl das jedem Berliner Unter den Linden 
und im Tiergarten bekannte „Tatüh—tatah!“ der kaiser- 
lichen Automobile. Voran Moritz Sachse und der komman= 
dierende General unseres Korps, Erxzellenz von Laffert. 
Im zweiten Wagen unser Kaiser mit dem sächsischen 
Kronprinzen, dann das Gefolge. Laute Hurrarufe er- 
schollen, und selbst unsere Franzosen standen stramm mit 
ihren Besen und Spaten an der Seite. 
Einen Augenblick hielt der Wagen, und der Kaiser sagte 
zu uns die wenigen Worte, die aber um so mehr Eindruck 
machten: 
„Es war gut so, Sachsen. Macht's weiter so!“ 
Sein Gesicht zeigte eine eiserne Ruhe, weder erregt 
noch bewegt, nur etwas blaß. Kaum waren die paar Worte 
gesprochen, fuhr die Kolonne weiter zum Generalkommando. 
Kurze Zeit darauf kam an das ganze Korps mit Aus- 
nahme einer 
Etwa 30 Meter vor dem Graben stoße ich auf eine ver- 
lassene Horchpostendeckung. Ein darin liegendes Gewehr 
und Käppi nehme ich mit. Weiter vor hat keinen Sinn. 
Ich krieche zum Jug hinüber, der mit mir am weitesten 
vorn ist. Tauschen uns aus. 
„Im Graben selbst Totenstille, leer. Links etwa 100 m 
in einem Gebüsch französische Posten.“ 
Also zurück. 30 Meter mag ich gekrochen sein, als 
etwa 20 Schüsse fallen. Brückner und Müller springen 
auf mich zu. 
„Seid ihr alle zurück?“ 
Ich sehe nur drei. Jug fehlt. Brückner und Müller 
schicke ich zurück, krieche selbst wieder vor, um Jug zu 
suchen, finde ihn aber nicht. Vielleicht ist er doch zurück. 
Aber bei der Kompagnie fehlt Jug. „Ist er verwundet 
oder totI!“ Ich erbitte mir vom Zugführer den Revolver 
und gehe nochmals vor. 
Nach dreiviertelstündigem Kriechen finde ich ihn mit 
durchschossener 
  
Brigade Alarm 
und es wurde 
aus seinen 
Stellungen zu- 
rückgezogen und 
um Somme Py 
zusammengezo- 
gen. Unsere 
Stellungen 
wurden vom 7. 
Korps besetzt. 
Was war denn 
da wieder los? 
Man munkelte 
alles Mögliche, 
bis der Befehl 
verlesen wurde, 
das 10. Korps 
werde aus der 
Schlachtfront an 
der Aisne zurück- 
gezogen, da es 
sich bisher am 
tapfersten ge- 
halten habe und 
nun einen anderen ehrenvollen Auftrag erhalte. Wohin 
es ging, wußte niemand. 
Feld-Pionierunteroffizier Emil Fischer, 22. III, 
beim Stabe 1 des 19. Armee-Korps. 
Im Hexenkessel 
Es ist am 7. Oktober. 10. Kompagnie Res.-Regt. 107 
liegt in vorderster Linie im „Hexenkessel"“. Gegen 9 Uhr 
abends befiehlt der Herr Leutnant die Gruppenführer der 
5. und 6. Armee zur Patrouille. Es sollen neuangekommene 
Ersatzleute mitgehen. Außerdem meldet sich Kamerad Jug 
freiwillig. Auf Anraten Jugs bitten dann später Kamerad 
Schönfelder und ich den Herrn Leutnant um eine frei- 
willige Patrouille. Sie wird bewilligt. Schönfelder ist 
Führer. Es machen noch Kamerad Brückner I und Müller 
mit. So treten um 3 Uhr morgens zwei Sachsen, ein 
Preuße, ein Bayer, ein Thüringer den Gang an. Fest- 
gestellt soll werden, wie stark der vorderste feindliche 
Schützengraben besetzt ist. Kaum hört Jug den Befehl, 
als er auch schon als erster vorgeht. Wir folgen aus- 
geschwärmt. Der Mond scheint. Kaum sind wir 300 Meter 
gegangen, als uns das „Qui vive, halte à“ entgegentönt. 
„Hinlegen“. Feldgrau ist unsichtbar. „Kriechen“. 
  
Berittene Marinetruppen in Tsingtau 
Brust. Ein 
schneller Tod — 
und ich hatte 
einen Kamera- 
den verloren. 
Unteroffizier 
der Landwehr 
G. 
I. R. 106 
Wo der Feind 
am nächsten, da 
ist es den Hun- 
dertundsechsern 
amliebsten. Bei 
Oudraye (Ende 
Aug. 1914). Der 
Feind hält das 
Dorf besetzt. 
Dicht davor liegt 
ein hochgehäuf- 
ter Strohfeimen, 
gerade im 
Schußfeld. Feindliche Kolonnen sammeln sich fortgesetzt 
hinter ihm. Das ist dem Gefreiten Franz Loricke zu arg. 
Er geht allein und aufrecht im heftigen Feuer gegen den 
Feimen vor, kriecht den letzten Rest und steckt das Stroh 
am sinkenden Abend in Brand. Hoch schlagen die Flam- 
men, und magisch beleuchtet steht die eben hinter dem Stroh 
gesammelte Kolonne der Franzosen da, unserer Artillerie 
ein treffliches Schußziel. 
Wo Loricke am Maschinengewehr stand, war für gute 
Laune gesorgt. Bei au Cerf cabinet. Da hatte eine Granate 
dao Gewehr verschüttet. Die Hundertsechser baddelten sich 
wieder hervor. „Franz, wo bist du?“ — „Alles da.“ 
Er machte das Gewehr schon wieder schußfertig. Wieder 
kam eine Granate, noch eine ... Auf Meternähe schlugen 
sie ein. Nicht einmal die gute Laune des Gefreiten ver- 
scheuchten sie. " 
Friedrich Zehnder, auch Gefreiter bei 106, erwies 
sich gleichfalls als ein Juwel von Güte und Treue. Er 
schleppte Wasser und Patronen vor bei Oudraye. Und bei 
Tourteron ging er auf eigene Faust vor, streifte das Ge- 
lände ab und erwischte zwei Franzmänner, die unter Leichen 
versteckt, dem Maschinengewehr der ersten Kompagnie in 
die Flanke schossen. Daß eine Franzosenschwadron in Attacke 
zusammengeschossen werden konnte, kam noch extra auf sein 
Konto, denn Zehnder ging mit offenen Augen auf Erkundung.
	        
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