Full text: Sachsen in großer Zeit. Band I. (1)

radfahrer keine Gruppe hatte, blieb ich übrig. Schon am 
Vorabend hatten wir davon gesprochen, der Stadt Lille 
das Wasserwerk abzustellen, und so wurde ich 
plötzlich gefragt, ob ich soviel davon verstände, daß ich 
das fertig brächte. Zwar hatte ich keine Ahnung davon, 
sagte aber trotzdem Jal und erbat mir noch einen Mann. 
Ich nahm den mir als geschickten Maschinenschlosser be- 
kannten Peonier Ziegler mit. Außerdem erhielt ich einen 
Zug Infanterie, etwa 30 Mann und sechs Unteroffiziere 
unter Führung eines Feldwebels. 
Unser Oberleutnant Rägler führte uns nach dem un- 
gefähr drei Kilometer vor den Toren der Stadt gelegenen 
Wasserwerk, direkt neben einem Fort, das schon in unserm 
Besitz war. Ich ließ sofort die Maschinen anhalten und 
den Dampf von den Kesseln ablassen. Darauf wollte ich 
die Ventile des Hochdruckreservoirs zudrehen, damit außer- 
dem noch in den Röhren stehendes Wasser nicht mehr 
in die Stadt gelangen konnte. Zu meinem Arger erfuhr 
ich, daß dieser 
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noch in Lille. Am 15. Oktober spät abends langte er end- 
lich im Quartier der 38. Infanterie-Brigade an.) 
Ich erstattete Generalmajor Bärensprung Bericht über 
unsere Tätigkeit. Dann bekamen wir zu essen und zu trinken. 
Champagner! Außerdem je zwei Zigarren, gute deutsche 
mit Bauchbinde, eigenhändig vom General. Da es schon 
spät geworden war, sollten wir bei der Brigade bleiben 
und erhielten als Schlafstelle die Hauskapelle des Schlosses 
angewiesen. Der Altar war zur Telephonstelle eingerichtet. 
Schon zeitig am nächsten Morgen kam der Befehl zum 
Weitervorrücken, da die Engländer im Vormarsch auf 
Lille seien. Wir sollten eine Feldstellung anlegen und den 
weiteren Vormarsch des stärkeren Gegners verhindern. 
Der kleine Kreuzer „Leipzig“ 
Der jungen deutschen Marine galt zu Kriegsbeginn Eng- 
lands ärgster Spott. Die deutschen Blaujacken, in noch 
keinem Kriege 
  
Hochdruckbehäl- 
ter auf einem 
Hügel, wieder 
drei Kilometer 
entfernt und 
einen Kilometer 
vor dem 
Festungsgürtel 
lag. Nun ging's 
mit unserm Ober- 
leutnant und 
einer Gruppe 
meines Zuges 
Infanterie dort- 
hin. Wir mußten 
erst die eisernen 
Eingangstüren 
aufbrechen, um 
in die Bentil- 
räume zu gelan- 
gen. 
Ineiner Stun- 
de danach war 
der Stadt Lille 
die Wasserzufuhr 
genommen! 
Schneller ging es nicht, da ich die Bedeutung der einzelnen 
Ventile nicht kannte und erst alles ausprobieren mußte. 
Was es für eine Stadt von 300 doo Einwohnern und einer 
viel größeren Besatzung bedeutet, keinen Tropfen Wasser 
zu haben, noch dazu wo sie unsere schwere Artillerie in 
Brand geschossen hatte, davon muß man sich erst ein Bild 
machen! Die Arbeit hat auch ihre Wirkung getan. Schon 
am späten Abend desselben Tages war Lille in unseren 
Händen. Auch die anderen Kameraden unseres Zuges 
haben sich dabei ein großes Verdienst erworben, indem sie in 
starkem feindlichem Feuer bis ans Tor vorgingen und dieses 
sprengten, sodaß das Infanterie-Regiment 181, an der 
Spitze unsere Mioniere, in die Stadt eindringen konnten. 
Wir in unserem Wasserwerk erfuhren erst morgens um 
4 Uhr von der Einnahme durch folgende Meldung: 
An Zug 6/181 und Pioniere! Setzen Sie sofort 
Wasserwerk in vollen Betrieb und ziehen Sie sich bis 
7 Uhr vormittags an das Südtor von Lille heran, 
wo Sie Ihre Kompagnie treffen. Lille ist in unserm 
Besitz. Vorsicht vor zersprengter feindlicher Kavallerie 
und Franktireurs. Credner, Leutnant. 
(Die Wiederherstellung des Wasserwerkes hatte ihre 
Schwierigkeiten, die Kompagnie fand Fischer weder vor 
u. Sachsen in großer Zei# 
  
Der König im Felde 
erprobt, und die 
deutschen Pan- 
zerschiffe und 
Kreuzer, in noch 
keinem Seege- 
fecht bewährt, 
wurden verhöhnt 
und gegenüber 
den neutralen 
Mächten als eine 
unfähige, ohn- 
mächtige Waffe 
Deutschlands 
ausgeschrien. 
Und doch hat ge- 
rade die junge 
deutsche Marine, 
unseres Kaisers 
Schöpfung, den 
Engländern 
Schlag auf 
Schlag versetzt, 
ihnen sogar die 
einst unbestrit- 
tene Herrschaft 
auf allen Meeren 
in blutigen, negreichen, herrlichen Kämpfen abgetrotzt, 
sodaß zuletzt Englands wohlversteckte Flotte dem Fluch 
der Lächerlichkeit bei aller Welt anheimgefallen ist. Daran 
hat auch das Binnenland Sachsen seinen guten An- 
teil, denn Sachsens König war von jeher ein begeisterter 
Förderer des kaiserlichen Gedankens einer starken deutschen 
Flotte gewesen, Sachsens Söhne stritten auch in diesem 
Kriege als Matrosen und Offiziere auf allen Meeren, und 
zwei stolze deutsche Kreuzer trugen die Namen der beiden 
sächsischen Hauptstädte Dresden und Leipzig als Ehren- 
namen am Bug. Beide Schiffe sind ehrenvoll aus dem 
Kampfe ausgeschieden, heldenhaft sind sie geendet. Davon 
hier einiges: « 
Im Oktober 1914 hören wir zuerst von der „Leipzig“. 
Sie hat an der Nordküste von Peru einen englischen 
Dampfer „Bankfield“ mit 6000 Tonnen Zucker für Liver- 
pool in Grund gebohrt, damit dem Feinde einen Schaden 
von 120 ooo Pfund Sterling zugefügt und die Besatzung 
des englischen Dampfers als Gefangene mit dem deutschen 
Dampfer „Marie“ auf die Galapagosinseln geschickt. Ein 
kecker Streich der deutschen Flagge, auf den die Sachsen 
mit Recht nicht wenig stolz gewesen sind. 
Die „Leipzig“ im Großen Ozean ist dann zusammen 
mit ihrem Schwesterkreuzer „Dresden“ dem Geschwader 
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