Der kleine Kreuzer „Dresden“
Mitte Juli 1914 lag S. M. S. „Dresden“ in Vera
Cruz. In Mexiko hatten die Wirren ihren Höhepunkt er-
reicht, und Präsident Huerta, im Begriff abzudanken, rief
deutschen Schutz an. Der kaiserlich deutsche Gesandte in
Meriko, Konteradmiral a. D. von Hintze, berief deshalb
die „Dresden“ nach Puerto Mexiko, den Präsidenten Huerta
und seinen Kriegsminister Blanquel, sowie deren Familien
zur Fahrt nach Kingston (Jamaika) an Bord zu nehmen.
Der englische Kreuzer „Bristol“ werde die „Dresden“ be-
gleiten und die beiden Familien beherbergen, während die
Würdenträger selber auf der „Dresden“ zu fahren ver-
langt hatten. Die Engländer machten Winkelzüge und ver-
zögerten die Abfahrt fast um eine Woche. Obendrein be-
bandelten sie die Familie Huertas nicht eben zuvorkommend.
Schließlich kamen auch die Frauen, Kinder und Diener-
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desten damals beim Abschied ein beiderseits aufrichtiger
gewesen war.
Am 2"5. Juli nachmittags s Uhr ankerte die „Dreoden“
in Port au Prince neben der „Karlsruhe“, und der Kom-
mandantenwechsel fand statt. Fregattenkapitän Lüdecke über-
nahm die „Dresden“, und alles hoffte auf baldige Heim-
kehr nach Deutschland, war doch der größte Teil der Offi-
ziere und Unteroffiziere verheiratet.
Kapitänleutnant Aust erzählt in seinem Kriegstagebuch,
daß ihm der erste Offizier der „Dresden“, als er sich bei
ihm von Bord meldete, auf den Wunsch: frohe und baldige
Heimkehr! prophetisch erwidert habe: ·
„Wer weißl Vielleicht sind Sie eher zu Hause als ich.“
„Karlsruhe“ ging nach Havana und wartete dort ab.
Bald zeigte Freund „Berwik“ als erster Engländer un-
verhohlen, was von seiner Nation zu erwarten sei.
Die „Dresden“ ging auf schnelle Fahrt mit unbe
schaft der beiden kanntem Ziel
Merikaner mit . .
an Bord der *
„Dresden“ und
diese fuhr, drei In der De-
Tage verspätet, zember-See-
am 20. Juli ab.
An Bord der
„Dresden hatte
sich Huerta mit
den Seinen über
nichts zu be-
klagen und ver-
lebte während
der dreitägigen
Fahrt wohl die
angenehmsie,
sorgenfreieste
Zeit seincs Le-
bens. In Sicht
von Jamaika er-
hielt „Dresden“
am 24. Juli
Funkspruch: Die
Lage ist höchst
schlacht bei den
Falklandinseln
1014 hatte auch
im Geschwader
des Helden-Ad-
mirals Grafen
von Spee der
kleine Kreuzer
„Dresden“ mit-
gekämpft und
war schließlich
dem verfolgen-
den übermäch-
tigen Feinde
glücklich ent-
kommen. Lange
blieh das Schiff
verschollen, dem
gespannt; Ösler-
reich= Ungarn
hat an Serbien
ein Ultimatum gerichtet! Um 1 Uhr am 24. Juli ging Huerta
in Kingston dankerfüllt von Bord der „Dresden“. Wie Ka-
pitänleutnant Aust in seinem Kriegstagebuch, dem einzigen
Zeugnis der (die „Dresden“ ablösenden) „Karlsruhe“, er-
zählt, schenkteder Präsidentdem Kommandanten der „Dres-
den“, Fregattenkapitän Erich Köhler, zum Andenken
den goldenen Bleistift, mit welchem er während seiner
Präsidentschaft alle Erlasse unterschrieben hatte, dem
ersten Offizier eine alte spanische Goldmünze, das Ge-
schenk einer alten Wahrsagerin und seitdem sein Talis=
man, dem Adjutanten scinen und jedem von der Be-
satzung, der ihm begegnete, Offizier oder Mann, ein
Goldstück. Redliche Dankbarkeit für deutsches Geleit
und deutsche Gastfreundschaft. -
Nachdem sie gekohlt hatte, fuhr die „Dresden“
schon am Abend wieder aus Kingston ab, der „Karlsruhe“
entgegen, die vor Port au Prince lag, dortige Unruhen
in Schach zu halten. Unterwegs funkte der Kommandant
des englischen Panzerkreuzers „Berwik“ dem Fregatten-
kapitän Köhler seinen Glückwunsch zur bevorstehenden
Übernahme des Kommandos der „Karleruhe“. Man
hatte die Leute der „Berwik“ Ende Juni in Buerto
Mexiko kennen gelernt und Freundschaft geschlossen, so
daß der Wunsch auf baldiges Wiedersehen zum min-
Anlagen von Drahtverhau im Hohlweg auf dem Paissy-Rücken
nach der
„Leipzig“jähem
Untergang nun
die Liebe und
Bewunderung der Sachsen verdoppelt entgegengebracht
wurde. Für seine kleinen Kreuzer hatte sich Admiral
Graf Spee mit seinen beiden Panzerkreuzern „Scharn-
horst“ und „Gneisenau“ geradezu geopfert, nachher
waren von jenen dreien auch die „Leipzig“ und die
„Nürnberg“ noch der englischen Meute zum Opfer ge-
fallen und damit die „Dreoden“ als alleiniges und letztes
Schiff der Deutschen aus der schweren Seeschlacht vom
#8. Dezember übriggeblieben. Mehr als zwei Monate be-
hauptete sie die See an der Westküste Südamerikas,
überbrachte dem deutschen Konsul in Punta Arenas den
Gefechtsbericht über Heldentum und Untergang von vier
stolzen deutschen Kreuzern und eines Admirals von
unvergänglichem Namen. Versenkte Ende Februar 1915
an der chilenischen Küste ein großes englisches Bark-
schiff und war mit ihren schnellen Maschinen bald da
und bald dort, dreihundertundsechzig Mann an Bord
und nur zehn 10-Zentimetergeschütze, ein Schiff ohne
Panzerschutz, aber beseelt von 360 kühnen Deutschen, deren
jeder seine Brust zum Panzer für die „Dresden“ dem
Feinde zu bieten bereit war.
Und auf dies kleine schnelle Schiffchen machten zwei
Geschwader von je vier Kreuzern, darunter zwei englische
Kolosse wie „Kent“ und „Glasgow“ mit fast 1000 Mann
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