Ich bin glücklich, wirken zu dürfen. Das Schönste im
Leben ist das Gefühl, etwas wert zu sein, etwas leisten
zu können. Was für große Tage erlebt Ihr!! — Das ist
für uns schwer, daß eine große, dauernde Begeisterung,
wie sie raschem Handeln entspringt, fehlt. Wir liegen
auf der Lauer. Aber gerade da kann ich die Verzagten
ermutigen, denen alles zu langsam geht, die mit Schmerz
sich zur Untätigkeit verurteilt sehen, während sie vor einem
Jahr vielleicht Unterseeboots-Kommandanten, Torpedoboots=
offiziere usw. waren. Das ist ja sehr schwer, in großer
Spannung abwarten und zusehen zu müssenl
Viel sitze ich abends an meinem Schreibtisch über Pre-
digtplänen, bei geschichtlichen Studien usw. Arndts Kate-
chismus, Treitschkes Geschichte, Egelhaaf, Homer Lea, Des
69
über Gneisenau, besonders Charakterschilderung. Wieviel
Parallelen zu 1813 heutel
Gott schenke Euch dieselbe Frische und Freudigkeit, die
er mir gibt. Und immer den Kopf hochl
Und ein andermal schreibt er:
Das Predigen ist jetzt schön, manchmal sehr schön,
aber darum nicht leicht. — Für die meisten Leute an Bord,
Matrosen und Heizer, Unteroffiziere und Offiziere haben
diese acht Wochen seit Mobilmachung nichts bedeutet, als
Wachen und Arbeiten, Warten und Aufpassen, Wünschen
und Sorgen oder Sichängstigen um zu Haus usw.
Und was sie brauchen, suchen, ist Kraft und Freudig-
keit, Gleichmut und Ausdauer! — Dazu soll ich ihnen
belfen, das ist das Schöne an meiner Arbeit. — Nie habe
Drahtverhau bei der Zementfabrik Berry au Bac am Aiene-Kanal
britischen Reiches Schicksalsstunde, Schleiermacher, dazu
noch unser Marinegesangbuch, das ist so mein täglich Brot.
Mitten in dem Lärm beseelt mich ein tiefer innerer
Friede. — Gewiß, ich hab's leicht, brauch nicht an Weib
und Kind zu denken. — Nicht gebunden zu sein, das er-
leichtert mir mein Wirken. — Ich habe ja lange Euch ge-
sagt, daß ich den Krieg ahnte, — zuerst in meiner
Silvesterpredigt — wohl 1904 oder os.
Glücklich bin ich auch in schönen Erinnerungen an viel
liebe Menschen — an Kindheit und Universität. Manche
Menschen gewinnen erst volle Bedeutung, wenn sie schon
lange nicht mehr sind. — Wo werden Walther und Ger-
hard sein? Ihr dürft stolz sein, drei Söhne ins Feld
schicken zu können!
Manchmal denke ich an die Zukunft. Wie wird sie sich
gestalten? Mehr Innerlichkeit schenke uns Gott. Manch-
mal vermisse ich sie stark.
Sonntag, 23. 3. Vortrag von reichlich einer Stunde
ich so gern gepredigt, wie in diesen Wochen. — Es ist mir
nie leicht geworden, ich habe das Unzulängliche oft stark
empfunden; auch jetzt fehlt diese Stimmung nicht — aber
mehr als je hebt mich das Gefühl „manchen sind die Worte
doch eine Erquickung, eine Hilfe“, — „Gott läßt das
Wort nicht leer verhallen“, „es wirkt in Segen“. Und
so freue ich mich meiner Arbeit und danke Gott, daß er
mir hilft, dann hat ja meine Arbeit, mein Leben einen Zweck.
Oft kam ich mir recht zwecklos vor. Das ist jetzt anders.
Deshalb bin ich fröhlich. — Gewiß, wolkenlos ist der
Himmel nie. Ernste, schwere Gedanken mischen sich manch-
mal dazwischen. Aber auch das soll uno nicht niederdrücken,
soll nicht mutlos machen: im Gegenteil, der Stahl muß
geschmiedet werden, sonst bleibt's gemeines Eisen.
Eingehend und mit köstlichem Humor, mit packender
Anschaulichkeit schildert Pfarrer Rost einmal in einem
langen rückblickenden Briefe vom Oktober, geschrieben
unterm 81° W. KL., die Ausfahrt des Geschwaders aus