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Der König fährt an die Front
Sobald es die Operationen auf den Kriegsschauplätzen
nur irgendwie zuließen, wollte unser König seine tapferen
Sachsen im Felde besuchen, Offizier und Mann, Feldherrn
und Regimenter da begrüßen und beglückwünschen, wo sie
mit der Waffe in der Hand den alten Ruhm der Sachsen
herrlich erneuten. Es zog ihn mit allen Kräften zu seinen
geliebten Soldaten, und er drängte auf die Ausreise zum
Kriegsschauplatze. Am 18. Oktober 1914 ward sie zur
Tatsache: Seine Majestät fuhr am Sonntag abend nach
Leipzig und am Montag früh 7.52 Uhr von dort aus nach
dem westlichen Kriegsschauplatze. Am Mittag des 20. Ok-
tober kam unser König glücklich im Großen Hauptquartier
an. Sein erster Besuch galt dem Kaiser. Und noch am
gleichen Nachmittage wurde das erste Lazarett besichtigt,
in dem viele verwundete Sachsen lagen. Glücklich bewegten
Herzens sahen sie ihren geliebten Herrscher von Bett zu
S. M. der Kaiser hat mir gestern das Eiserne Kreuz 1.
und 2. Klasse verliehen. Ich habe diese Auszeichnungen
freudigen Herzens angelegt, betrachte ich sie doch als eine
erneute kaiserliche Anerkennung für die ganz hervorragenden
Leistungen meiner braven Truppen. Ich habe die feste Zu-
versicht, daß es mit Gottes Beistand ihrer Tapferkeit
gelingen wird, auch weiter den Sieg an ihre Fahnen zu
heften.
fbl im Felde, 23. Oktober 1914.
Friedrich August.
„Hier liege ich und hier sterbe ich!“
Im Sturm auf den Wald von Ploegsteedt haben das
zweite und dritte Bataillon 106 die Fühlung verloren.
„Kompagnie Schulze Verbindung herstellen!“ lautet der
Befehl, und der Hauptmann führt seine Getreuen in die
Bett schrei- Nacht hinaus.
ten, jedem Da stürzt er
ohne Aus- hin wie ein
nahme die », Baum, rührt
L0nd Jhu- « - Glied
teln. an- mehr.
ches zu Her- „Schuß in
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Wort wurde Faßtleise an;
gewechselt
und manche
Gabe ge-
reicht, mit
vollen Hän-
den der dan-
kesfrohen
Heimatspen-
dete König
Friedrich
August.
Gleichen
Tages ver-
öffentlichte
das Stachsi-
sche Kriegs-
ministerium folgenden Armeebefehl des Königs:
Im Augenblicke, wo ich auf dem westlichen Kriegsschau-
platze eintreffe, drängt es mich, allen Truppen meiner
Armce, die in den letzten Monaten an den mit Gottes Hilfe
so erfolgreichen Kämpfen der deutschen Armee ruhmreichen
Anteil genommen haben, meine vollste Anerkennung und
meinen wärmsten königlichen Dank auszusprechen. Nicht-
achtend der schweren Verluste haben sie getreu der Über-
lieferung unserer Vorfahren zum Teil in denselben Gegen-
den wie 1870/71 unverwelkliche Lorbeeren erworben. Die
veränderte Kampfesweise, verbunden mit großen Verbesse-
rungen der Waffen, haben die Truppen aller Waffen, be-
sonders die Infanterie, vor ganz neue Lagen gebracht, aber
dessen ungeachtet haben sie alle im festen Vertrauen auf
den Schutz Gottes des allmächtigen Lenkers aller mensch-
lichen Geschicke und auf unsere gerechte Sache in freudiger
Begeisterung ihre Pflicht voll und ganz erfüllt. Das
Jahr 1914 wird für alle Zeit ein helleuchtendes Blatt in
der Geschichte meiner Armee bleiben. Der liebe Gott wird
uns auch weiterhin schützen und uns helfen, unsere schwere
Aufgabe vollenden. Friedrich August.
Zwei Tage später erfolgte die Verleihung des
Eisernen Kreuzes 1. und 2. Klasse an König Friedrich
August, bekanntgegeben durch folgenden Armeebefehl im
Kgl. Sächs. Militär-Verordnungsblatt:
Opern
wir müssen
ihn vorsichtig
rückwärts
tragen.“
Vier Mann
greifen be-
hutsam zu.
Der Haupt-
mann schlägt
die Augen
auf, er blickt
in die treuen
bekümmerten
Gesichter.
Unddenkt an
den Befehl.
„Was fällt euch denn ein? Hier liege ich und hier sterbe
ich. Ich bin doch noch immer Hauptmann, und ich kann
doch noch kommandieren. Na?
Los, die Verbindung zwischen den Bataillonen — —“
Hinter einen Baum läßt er sich betten, das Gesicht
ein wenig erhöht und dem Feinde zugewandt.
Seine Stimme erschallt, befehlend und anfeuernd.
Tapfere fallen, Verwundete stöhnen und kriechen im Nacht-
dunkel aus dem Feuer. Die andern wanken nicht und weichen
nicht, denn ihr Hauptmann ist ja bei ihnen, ihr herrlicher
Hauptmann, der sie doch nicht mit seinem Heldenmut be-
schämen soll, sie wären denn keine Hundertsechser mehr.
Der Ring der Bataillone um den Wald von Ploegsteedt
schließt sich wieder. Nun dürfen sie den Hauptmann auf-
beben und vom Gefechtsfelde tragen. Vor den Komman=
deur. Zuerst den Bericht erstattet, den Befehl als aus-
geführt gemeldet — dann hat der Arzt das Wort.
Aus solchen Helden wählt der König seine Ritterschar
vom Heinrichsorden.
„Wegen so einer Kleinigkeit .. ..“
Im Nachtgefecht bei St. Hilaire war der Landwehr-
mann Karl Renitzschke (131., 7. Kompagnie) am Arme
vernundet, wollte sich aber nicht verbinden lassen, ge-
schweige aus der Stellung zurückgehen.