Full text: Sachsen in großer Zeit. Band I. (1)

* 
Halt, jetzt muß ich mich etwas verkriechen. Wir 
werden mit Schrappnells beschossen, der Schmutz flog bis 
in das Buch, in das ich schreibe. Gleich schreibe ich weiter. 
— So, jetzt hat es etwas nachgelassen. 
Eine Patrouille kam vorhin zurück, die in den ver- 
lassenen Graben vorgegangen war. Sie bestätigte alle meine 
Erkundungen. 
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Wir schauerten wirklich. · 
„Nicht sehen,“ sagte einer, „sonst träume ich davon!“ 
Dabei können wir ohne Wimperzucken zertrümmerte 
Schädel und Granatwunden ansehen. 
Strohtod ist etwas Grauenhaftes, Schauerliches. Wie 
kann man nur so sterben, war unser aller Gefühl. Im 
· Kampfe sterben 
  
In den Gräben, 
durch die sie ge- 
kommen waren, 
hatten sich eine 
Menge Soldaten 
angesammelt. 
Ganz vorn beim 
Feind waren be- 
sonders viel Ver- 
wundete drin. 
Mein Oberleut- 
nant auch, er hat 
einen Beinschuß. 
Es scheint ihm 
leidlich zu gehen. 
Wie aber soll 
man ihn zurück- 
bringen? 
Wersindüber- 
haupt die Ver- 
wundeten, wen 
hat es heute ge- 
hascht? Hoffent- 
lich ist Thilo nicht dabei. Die armen Kerle, die nicht gleich 
tot sind, verbluten sich nun vorn. Es kann ihnen ja niemand 
helfen. Dichtgesät liegen sie. 
„Opfer fallen hier, 
weder Lamm noch Stier, 
aber Menschenopfer unerhört."“ 
Ich vermeide es immer, Euch von den Toten, von 
  
Begräbnis eines sächsischen Jägers 
ist das einzig 
Würdige, Männ- 
liche. 
Seid also nicht 
traurig, wenn ich 
fallen sollte. 
Hier sterbe ich 
schön. Im wun- 
derbaren Herb- 
ste, in freier Luft, 
unbeengt, im 
Walde, den ich 
so sehr liebe. 
Mir graut es 
nicht, es geht 
zum Licht! 
Dochichglau- 
be, daß ich nicht 
fallen werde. Ich 
bin ja immer 
wunderbar be- 
hütet worden. 
Heute besonders. 
Ob wohl mein Bursche verwundet ist? Gestern früh ist 
er mit vier Mann Stroh holen gegangen. Er wollte mir 
es bringen. Als sie nun mit Stroh unter den Armen 
zurückkamen, schoß ein Engländer, eo gibt gute Schützen 
unter ihnen, auf sie und legte drei von den fünfen um. 
Die zwei, die von der Achten mit waren, sind nicht ge- 
troffen worden. « 
  
Verwundeten und Verstümmelten zu erzählen. Ihr Un- Heute werden wir aber viele Verluste haben. Glück- 
abgestumpf= licherweise 
ten könnt so ist schon wie- 
wasnichtver- der Ersatz da. 
tragen. Wir Fünfzig 
können ruhig Mann pro 
alles mit an- Kompagnie. 
sehen. Trotz Vorläu= 
des vielen sig bin ich 
Häßlichen: Kompagnie- 
„Kein schön- führer, wer- 
rer Tod ist de aber sicher 
auf der Welt, von einem 
als wer vorm der Oberleut- 
Feind er- nants abge- 
schlagen!“ löst, die mit 
Das ha- dem Ersatz 
ben wir ge- kommen. 
stern emp- Jetztgeht 
sunden. es uns hier 
Wir gingen ganz gut im 
in das Ge- Graben. Es 
höft, wo wir 
so vortreff- 
lich lebten. 
Ich schrieb 
Cuch gestern davon. In einem Stalle, der mit weißen 
Tüchern ausgeschlagen war, lag ein sieinalter toter Mann 
aufgebahrt. So alt war er, daß er im Gesicht wie ein 
Weib aussah. Ein langes weißero Hemd hatte er an, um die 
gefalteten Hände war ein Rosenkranz geschlungen. Kerzen 
und ein Kruzifir standen auf dem Tisch. 
  
Vorderste Sachsenstellung vor Reims (Cernay). Im Hintergrund die alte Römerstraße Metz -Reims. 
Die weißen Streifen zeigen die vorderste feindliche Linic an 
hatgeregnet, 
wie Ihr ja 
auch am 
Briefe merkt. 
Regen tut mir nicht viel. Ich habe einen tadellosen eng- 
lischen Ulster aus einem Schützengraben herausgeholt. Er 
ist mollig warm. Darüber trage ich den Gummimantel. 
Ich habe Zwiebäcke mit Fluade gegessen, Butterbrot mit 
Schweizerkäse und habe Kakao dazu getrunken. Der Kocher 
ist unbezahlbar. Das war gestern Nacht eine mächtige 
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