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Halt, jetzt muß ich mich etwas verkriechen. Wir
werden mit Schrappnells beschossen, der Schmutz flog bis
in das Buch, in das ich schreibe. Gleich schreibe ich weiter.
— So, jetzt hat es etwas nachgelassen.
Eine Patrouille kam vorhin zurück, die in den ver-
lassenen Graben vorgegangen war. Sie bestätigte alle meine
Erkundungen.
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Wir schauerten wirklich. ·
„Nicht sehen,“ sagte einer, „sonst träume ich davon!“
Dabei können wir ohne Wimperzucken zertrümmerte
Schädel und Granatwunden ansehen.
Strohtod ist etwas Grauenhaftes, Schauerliches. Wie
kann man nur so sterben, war unser aller Gefühl. Im
· Kampfe sterben
In den Gräben,
durch die sie ge-
kommen waren,
hatten sich eine
Menge Soldaten
angesammelt.
Ganz vorn beim
Feind waren be-
sonders viel Ver-
wundete drin.
Mein Oberleut-
nant auch, er hat
einen Beinschuß.
Es scheint ihm
leidlich zu gehen.
Wie aber soll
man ihn zurück-
bringen?
Wersindüber-
haupt die Ver-
wundeten, wen
hat es heute ge-
hascht? Hoffent-
lich ist Thilo nicht dabei. Die armen Kerle, die nicht gleich
tot sind, verbluten sich nun vorn. Es kann ihnen ja niemand
helfen. Dichtgesät liegen sie.
„Opfer fallen hier,
weder Lamm noch Stier,
aber Menschenopfer unerhört."“
Ich vermeide es immer, Euch von den Toten, von
Begräbnis eines sächsischen Jägers
ist das einzig
Würdige, Männ-
liche.
Seid also nicht
traurig, wenn ich
fallen sollte.
Hier sterbe ich
schön. Im wun-
derbaren Herb-
ste, in freier Luft,
unbeengt, im
Walde, den ich
so sehr liebe.
Mir graut es
nicht, es geht
zum Licht!
Dochichglau-
be, daß ich nicht
fallen werde. Ich
bin ja immer
wunderbar be-
hütet worden.
Heute besonders.
Ob wohl mein Bursche verwundet ist? Gestern früh ist
er mit vier Mann Stroh holen gegangen. Er wollte mir
es bringen. Als sie nun mit Stroh unter den Armen
zurückkamen, schoß ein Engländer, eo gibt gute Schützen
unter ihnen, auf sie und legte drei von den fünfen um.
Die zwei, die von der Achten mit waren, sind nicht ge-
troffen worden. «
Verwundeten und Verstümmelten zu erzählen. Ihr Un- Heute werden wir aber viele Verluste haben. Glück-
abgestumpf= licherweise
ten könnt so ist schon wie-
wasnichtver- der Ersatz da.
tragen. Wir Fünfzig
können ruhig Mann pro
alles mit an- Kompagnie.
sehen. Trotz Vorläu=
des vielen sig bin ich
Häßlichen: Kompagnie-
„Kein schön- führer, wer-
rer Tod ist de aber sicher
auf der Welt, von einem
als wer vorm der Oberleut-
Feind er- nants abge-
schlagen!“ löst, die mit
Das ha- dem Ersatz
ben wir ge- kommen.
stern emp- Jetztgeht
sunden. es uns hier
Wir gingen ganz gut im
in das Ge- Graben. Es
höft, wo wir
so vortreff-
lich lebten.
Ich schrieb
Cuch gestern davon. In einem Stalle, der mit weißen
Tüchern ausgeschlagen war, lag ein sieinalter toter Mann
aufgebahrt. So alt war er, daß er im Gesicht wie ein
Weib aussah. Ein langes weißero Hemd hatte er an, um die
gefalteten Hände war ein Rosenkranz geschlungen. Kerzen
und ein Kruzifir standen auf dem Tisch.
Vorderste Sachsenstellung vor Reims (Cernay). Im Hintergrund die alte Römerstraße Metz -Reims.
Die weißen Streifen zeigen die vorderste feindliche Linic an
hatgeregnet,
wie Ihr ja
auch am
Briefe merkt.
Regen tut mir nicht viel. Ich habe einen tadellosen eng-
lischen Ulster aus einem Schützengraben herausgeholt. Er
ist mollig warm. Darüber trage ich den Gummimantel.
Ich habe Zwiebäcke mit Fluade gegessen, Butterbrot mit
Schweizerkäse und habe Kakao dazu getrunken. Der Kocher
ist unbezahlbar. Das war gestern Nacht eine mächtige
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