Full text: Sachsen in großer Zeit. Band III. Die Kriegsjahre 1916-1918. (3)

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stellung die Angriffe des dichtauf folgenden Feindes in 
der nächsten Zeit erfolgreich abzuwehren. 
Mit der Verkürzung der Front in der Hermannstellung 
wurde die Heeresgruppe Boehn aufgelöst. Die zweite Armee 
trat zur Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht, die achtzehnte 
Armee zu der des Deutschen Kronprinzen. Die neunte 
Armee ging in der siebenten auf. General v. Carlowitz 
übernahm nunmehr die schwergeprüfte zweite Armee. Deren 
bisheriger Oberbefehlshaber, General v. d. Marwitz, trat 
an die Spitze der fünften Armee, die bisher der General 
v. Gallwitz als Heeresgruppenführer mitgeleitet hatte. 
Die neunte Armee hatte bereits Ende September die 
Laffauxecke, wo die sächsische 24. Reservedivision vom 19. 
September ab mit Auszeichnung focht, befehlsgemäß ge- 
räumt. Anfang Oktober gingen auch die siebente Armee und 
der rechte Flügel der ersten Armee, die bis dahin hinter der 
Veole standgehalten hatten, bis an den Damenweg (siebente 
Armee) und die Frühjahrsausgangsstellungen in der Cham- 
pagne zurück. 
Der Feind griff die neue Front erfolglos an. 
Die große Abwehrschlacht in der Champagne und beider- 
seits der Argonnen hatte inzwischen einen für uns günstigen 
Verlauf genommen, obwohl der Feind hier erbeblich größere 
Massen und frischere Truppen einsetzte. 
Vom 10. Oktober ab ließ der Deutsche Kronprinz die 
Hunding-Brunhildestellung einnehmen, von nordöstlich Laon 
über Sissonne bis an die Aisne und an dieser entlang bis 
in den Aisnebogen von Grandpré. Die Bewegung vollzog 
sich meisterhaft und war planmäßig am 13. Oktober be- 
endet. Der Feind folgte mit Ungestüm; zwischen Oise und 
Aiöne kam es zu heftigen Kämpfen, an denen auch die 
sächsische 24. Neservedivision teilnahm. Noch schwerer war 
der Kampf im Aisnebogen südlich Grandpré. 
Auch im Airetal setzte die amerikanische Armee ihre 
Sturmversuche gegen den rechten Flügel der fünften Armee 
fort, trotz außerordentlicher Uberlegenheit an Zahl ohne 
Erfolg, dafür mit um so schwereren Verlusten infolge 
schlechter Führung. 
Am 17. Oktober war das deutsche Heer wesitlich der 
Maas in eine geschlossene einheitliche Stellung zurückgeführt. 
An der Antwerpen—Maasstellung wurde eifrig gearbeitet. 
Die Räumung des bisher besetzten Gebiets nahm weiter die 
Bahnen voll in Anspruch. 
Die Westfront stand am 253. Oktober in hoher Anspan- 
nung von Hollands Grenze bis Verdun. Aber die Front hielt. 
Da erfolgte der italienische Angriff, zuerst an der Ge- 
birgsfront, dann an der Piave. Die Olberste Heeres- 
leitung rechnete mit schnellem Friedensschluß dort und 
hatte an der Tiroler Grenze rechtzeitig für Abwehr gesorgt. 
Der Generalfeldmarschall und Ludendorff eilten nach 
Berlin und beschworen den Kaiser zu letztem Widerstand. 
Ein Aufflammen des Volbes mußte die Lage bessern. Beim 
Feind war es nicht besser, aber dort „arbeitete die ganze 
Nation unverwandelt zusammen bis zum Ende“ (Winston 
Churchill). „Je mehr wir von dem Kampfe erfahren, 
um so mehr erkennt man, an welchem kleinen, dünnen, ge- 
fährlichen Fädchen unser Erfolg hing.“ 
Ein Aufruf ans Heer erging gleichzeitig, der die Schmach 
der Kapitulation zurückwies. 
Der Prinz Max stellte den Kaiser vor die Wahl zwischen 
ihm als Reichskanzler und Ludendorff als ersten General- 
quartiermeister. Der Kaiser entließ am 26. Oktober Luden- 
dorff. Am 27. Oktober ging die deutsche Note mit der 
Kapitulation an die Entente ab. Deutschland war verloren. 
Die Ereignisse nahmen unterdessen auch an der Kampf= 
front einen reißenden Verlauf. Sie sind der Beweis, daß die 
verblendete Hast der Regierung und der eigensüchtigen 
Politiker daheim, Frieden um jeden Preis zu schaffen, völlig 
unnötig war. # 
Der Feind tat, was er konnte, um mit den jämmerlichsten 
Triks und Praktiken doch noch das deutsche Feldheer nieder- 
zuwerfen, ehe der von ihm wohl vorbereitete und voraus- 
gesehene Dolchstoß der Heimat gegen den Rücken Sieg- 
frieds, des deutschen Feldheeres, erfolgte. 
Am 4. November begann das Westheer in fester Haltung 
in die Antwerpen —Maasstellung einzurücken. Der Feind 
folgte auf ganzer Front und versuchte den Hauptdruck 
von Verdun her. An der Lothringer und Elsässer Front blieb 
es noch ruhig. 
Die k. und k. Armee löste sich nach mattem Widerstand 
gegen die Italiener Anfang November völlig auf. 
Wir standen allein in der Welt, jedoch noch stark genug, 
um das Leben des höchsistehenden Volkes des Erddalles 
gegen den feigen Mörderverband von siebenundzwanzig Fein- 
den zu Lande und zur See teuer zu verkaufen. Aber es 
fehlte eben der eine Mann, den Furor teutonicus zu ent- 
fachen. Er wäre zu finden gewesen, wenn die Machthaber 
in der Heimat und der Ring von Schwächlingen um den 
Kaiser es zugelassen hätten. Das ist meine felsenfeste Über- 
zeugung. 
Statt dessen vertraute sich der Kaiser dem Narrenschiff 
des Prinzen Max und seiner Drahtzieher an. Das Verbot 
des Waffengebrauchs für die Truppen lud geradezu zum 
Beginn der Revolution ein. Sie begann schüchtern und 
zaghaft bei der Marine. 
Die kläglichste Regierung, die je ein Volk in seiner 
Not gehabt, verschwand, als die ersten Schreier durch 
Berlin tobten. Ahnlich spielte sich das Ende der Monarchien 
in den Teilstaaten, auch in Sachsen, ab. Kein Träger der 
Gewalt trat für seinen König ein, der als aufrechter Mann 
willens war, durchzuhalten, sich aber von den Männern 
seines Vertrauens verlassen sah. 
Der Prinz Max ober setzte vor seinem Verschwinden 
auch noch formell den Kaiser ab. Der neue erste General- 
quartiermeister, General Groener, bewog seinen kaiserlichen 
Herrn wegen angeblicher Bedrohung des Kaiserlichen Haupt- 
quartiers und Abfall des Feldheeres zur Flucht ins Ausland. 
Die Bundesfürsten traten ab, das stolze, herrliche 
Deutsche Reich sank wie ein Kartenhaus zusammen. Wo- 
für wir gekämpft und geblutet, dahin! Jede staatliche 
und gesellschaftliche Ordnung aufgelöst. Erfolgreiche Schreier 
drängten sich in Soldatenräte und rissen Gewalt und 
öffentliche Mittel an sich. 
Erst als die Revolution ausgebrochen war, willigten die 
Feinde in den Erdrosselungswaffenstillstand für das deutsche 
Volk, das sich vordem selbst entmannt hatte. 
Die Bedingungen waren so ungeheuerlich, daß die Außen- 
heere, besonders das immer noch riesige Westheer, ver- 
loren schienen. 
Deutschlands Heer und Flotte wurden zunächst durch 
Auslieferung der Geschütze, der Munition, der Schiffe, 
der Flugzeuge und des Bahnmaterials widerstandsunfähig 
gemacht. Dann sollte die hilflose Millionenmasse beim 
überstürzten Rückmarsch bis hinter den Rhein im Westen 
und aus den winterlichen Riesenräumen des Ostens an 
ihrer ungelenken Uberzahl ohne Führung und Nahrung im 
Kampf aller gegen alle zugrunde gehen. Diesen teuflischen 
Plan hat der treue Ekkehart des deutschen Volkes, der 
Nationalheros Hindenburg, der mit blutendem Herzen an 
der Spitze des baiserlichen Heeres ausharrte, zu nichte ge- 
macht. 
Die Rückführung des West= und Ostheeres gelang trotz 
immer neuer raffiniert ausgeklügelter Erschwernisse, bei 
denen kalte englische Brutalität mit haßverblendeter Nach- 
gier der Franzosen wetteiferte.
	        
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