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dem sie sich befinden, und daß somit das Bergbaurecht auf
diese Kohle ein Ausfluß des Grundeigentums ist. Der
Staat war nun schon vor dem Kriege selbst in großem
Umfange zum Ankauf von Kohlenfeldern übergegangen.
Nebenher entwickelten sich jedoch immer stärker sowohl ein
spekulativer Handel mit kohlenführenden Grundstlücken und
mit den von dem Grundeigentum abgetrennten Koblen=
bergbaurechten als auch ein großbändlerisches Bestreben,
in der mitteldeutschen Braunkohlenindustrie eine Monopol-
bildung zu erreichen. Diese Erscheinungen hatten in der
Zweiten Ständekammer den Abgeordneten Hofmann und
Genossen Anlaß gegeben, zu einem Antrag an die Staats-
regierung, einen Gesetzentwurf vorzulegen, durch den das
ausschließliche Recht des Staates eingeführt würde, Kohlen
aufzusuchen und, soweit der Abbau nicht begonnen hat, zu
gewinnen, und zwar unter Wahrung der berechtigten Inter-
essen der Grundeigentümer und unter Bekämpfung aller
spekulativen Rechtsgeschäfte. Dieser Antrag führte über ver-
schiedene gesetzgeberische Zwischenstufen himweg zur gesetz-
lichen Einführung des staatlichen Kohlenabbaurechtes. Die
Kohle wurde — von den im Gesetz selbst vorgesehenen
Ausnahmen abgesehen — Lom Verfügungsrecht des Grund-
eigentümers ausgeschlossen. Die vom Grundeigentum ab-
getrennten Kohlenabbaurechte erloschen zugunsten des Staates.
und das Recht, Kohle aufzusuchen und zu gewinnen, er-
bielt für die Zukunft in dem aus dem Geset sich ergebenden
Umfange der Staat. Dieser scharfe Eingriff in die Privat-
rechte der Grundeigentümer und der Inhaber von Kohlen=
abbaurechten wurde dadurch gemildert, daß für die Grund-
eigentümer und die Inhaber der erloschenen Kohlenabbau=
rechte eine im Gesetz selbst nach Art und Umfang bestimmte
Entschädigung vorgesehen wurde. Das Verfügungsrecht über
die unterirdische Kohle und über die vom Grundeigentum
abgetrennten Kohlenabbaurechte steht mithin künftig nur
dem Staate zu. Damit ist ein Zweifaches erreicht. Erstens
ist eine für die kohlenbedürftige Industrie Sachsens gefähr-
liche Monopolbildung der Kohlengewinnung unmöglich ge-
macht, und zweitens ist die künftige Gewinnung der nicht
unerschöpflichen Kohlenschätze des Landes in die Hände des
Staates gelegt, der dabei mehr als die privatwirtschaftlichen
Betriebe mit ihrer naturgemäß nur auf Erwerb gerichteten
Tätigkeit auch die Interessen der Allgemeinheit durch haus-
bälterischen Abbau wahrnehmen kann.
Neben und mit der Kohle kbommt für die sächsische
Industrie künftig als zweite große Kraftquelle auch die
Elektrizität in immer größerem Umfange in Betracht. Auch
hier leitete der sächsische Staat während der Kriegszeit eine
weitausgreifende Wirtschaftspolitik ein. Bereits vor dem
Kriege hatte der Elektroverband der sächsischen Gemeinden
unter Führung des Dresdner Oberbürgermeisters Geheim-
rat Dr. Beutler ein auf Zusammenfassung der Elektrizitäts-
versorgung abzielendes großzügiges Projekt in Bearbeitung
genommen. Die Grundgedanken dieses Projektes auf-
nehmend, ging in den Kriegojahren der Staat selbst dazu
über, sich einen ausschlaggebenden Einfluß auf dem Gebiete
der Elektrizitätsversorgung des Landes zu sichern. Er be-
schritt dabei nicht unmittelbar den Weg der Gese=
gebung, sondern den des Erwerbes und des Ausbaues be-
stebender privatwirtschaftlicher Anlagen. Das Endziel dieser
Entwickelung wird, gleichviel ob dabei der durch die Revo-
lution in den Vordergrund geschobene Gedanke der sogenann-
ten Sozialisierung breiteren Raum gewinnt oder nicht, darin
zu erbennen sein, daß nach und nach in Sachsen der Staat
der Hauptträger der Elektrizitätserzeugung durch staatliche
Großkraftwerke sein wird, während die Abgabe der Elektrizität
an die Verbraucher hauptsächlich bei den Kommunalkörpern
ruben wird. Ob die staatliche Zentralisierung der Elektrizitäts-
erzeugung auch die weitere Entwickelung und den Ausbau
der sächsischen Staatsbahnen förderlich beeinflussen wird,
steht dahin. Im Interesse der sächsischen Volkswirtschaft
ist es zu hoffen. Im Rahmen der Zeitverhältnisse gewürdigt,
haben die sächsischen Staatsbahnen auch ihre außerhalb des
Heeresbetriebes liegenden Aufgaben während des Krieges
in einer Weise gelöst, die hohe Anerkennung verdient.
Ausblick in die Zukunft
Zablreich und tief sind die Eingriffe, die der Krieg in
das Wirtschaftsleben Sachsens bedingte; aber man muß
sagen, daß es kein Bild des Niederganges war, was es
bot. Im Gegenteil: eine volle Anpassung an die Kriegs-
notwendigkeiten half an den meisten Stellen über das
Schwere hinweg, und die unvermeidlichen Schäden waren
fast allenthalben auf das möglichst geringste Maß beschränkt
geblieben. Dieses Bild wollen wir uns durch die Folge-
erscheimungen des Jusammenbruchs vom 9. November 1018
nicht trüben lassen. Daß wir guch wirtschaftlich schließlich
der gewaltigen Übermacht unserer Feinde erlagen, ändert
nichts an der beispiellosen Kraftentfaltung, mit der über
vier Jahre die heimische Volkswirtschaft den Erdrosselungs-
versuchen der ganzen Welt standhalten konnte.
Die Zukunft der sächsischen Volkswirtschaft liegt in das
gleiche Dunkel gehüllt wie die des ganzen deutschen Wirt-
schaftslebens. Auf allen Gebieten sehen wir uns Zuständen
gegenüber, die sich noch nicht im entferntesten überblicken lassen.
Die Übergangswirtschaft wird ausschlaggebend beeinflußt
werden, von der Art, in welcher sich die durch die Revolution
zerrütteten heimischen Verhältnisse wieder sichern werden
und von der Schnelligkeit, in der sich die Neuordnung unserer
wirtschaftlichen Beziehungen zu den briegführenden und zu
den neutralen Staaten vollziehen wird. Die Gestaltung der
Volkowirtschaft Sachsens als eines vorwiegenden Industrie-
landes wird dabei ganz wesentlich davon abhängen, ob, wann
und in welchem Umfange die von der sächsischen Industrie
benötigten Nohstoffe, hauptsächlich Wolle und Baumwolle,
zu haben sein werden. Diese Entwickelung ist aber nicht nur
ein Vorgang auf dem Gebiete der Welttoirtschaft, sondern
auch ein solcher der inneren deutschen Volkswirtschaft, und
damit der Uberleitung des staatlich geregelten Wirt-
schaftslebens in die Bahnen des freien Wirtsehaftsverkbehrs.
Daß das Eingreifen von Reich und Staat in das freie
Erwerbsleben und in die Rechte der Einzelpersönlichkeiten
so bald als möglich auf das äußerste Maß eingeschränkt
werden muß, dürfte keinem Zweifel unterliegen, aber die
früheren Formen des Wirtschaftsverkehrs werden nicht sofort
und nicht ausnahmslos wieder vorhanden sein, vor allem
werden sich die Beschaffung der Arbeitskräfte und die Ein-
fuhr und Ausfuhr zunächst noch unter mehr oder weniger
starken Nachwehen des Krieges vollziehen. Für Sachsen
wird es darauf ankommen, daß bei der für die Zeit
nach dem Kriege von Reichs wegen geregelten Einfuhr und
Verteilung von Rohstoffen die sächsische Industrie in einer
ihrer Eigenart und Bedeutung entsprechenden Weise berück-
sichtigt wird. Nicht möglich wird es sein, daß alle
Arbeitskräfte in ihre frühere Beschäftigung zurückbehren
können. Es wird hier eine gewisse Umschichtung unvermeid-
lich sein, was sich für die Städte und Bezirke Sachsens mit
tertilindustrieller Entwickelung im Anfang nachteilig bemerk-
bar machen wird. Hoffentlich wird es sich hier nur um
eine vorübergehende Erscheinung handeln. Der Inlands-
bedarf an Erzeugnissen der Textilindustrie ist nach den Ein-
schränkungen des Krieges so erheblich, daß beim Vorhanden=
sein genügender Nohstofse die Tertilindustrie starke Be-
schäftigung auch in der Zeit haben wird, in der sie sich ihre
alten Exportgebiete zurück, oder neue dazu erobert. Wenn das
Schwergewicht der wirtschaftlichen Entwickelung Sachsens
auch nach dem Kriege zweifellos bei der Industrie liegen
wird, so entbindet das nicht von der Notwendigkeit, der
Landwirtschaft in Sachsen die nachhaltigste Förderung an-