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auf ihm zu erscheinen wagte.“ Heinrich riefen seine landes-
herrlichen Pflichten in die Heimat zurück, nachdem er den
Bau der Schiffe bewerkstelligt und eine zahlreiche Kriegs-
macht zur Besatzung und zur beabsichtigten Erbauung
von Elbing zurückgelassen hatte. Gerade nach den schönen
Erfolgen, die das vereinte Vorgehen von Heer und Flotte
auf den baltischen ÖOstseeinseln im Jahre 1917 erzielte, er-
füllt es ung Mitteldeutsche mit um so stolzerer Freude,
daß schon vor bald 700 Jahren unser Meißner Markgraf
denselben Gedanken des Zusammenwirkens, und zwar auch
an benachbarten östlichen Gestaden in die Tat umsetzte
und mit unsern Landsleuten schöne Erfolge errang.
Unter Heinrich machte das Haus Wertin seine wichtigste
mittelalterliche Erwerbung: die der Landgrafschaft
Thüringen mit der Pfalzgrafschaft Sachsen. Heinrichs
Mutter Jutta war beim Aussterben des alten Landgrafen-
hauses die nächstberechtigte Erbin; schon 1242 hatte Kaiser
Friedrich II. die Anwartschaft auf Thüringen dem Wet-
tiner verliehen, der in den schweren Kämpfen dieses größten
Hohenstaufenherrschers sich unter den deutschen Reichs-
fürsten als treue Stütze seines kaiserlichen Oberherrn er-
wies und den deshalb der mittelhochdeutsche Minnesänger
Tannhäuser pries:
An deme man je des besten jach (— sprach), — Hein-
rich der Mizenaere — Der sine triuwe nie zerbrach —
Der ist alles wandels laere (d. h. unwandelbar).
Nicht kampflos aber fiel ihm das schöne Land mit seinen
gesegneten Auen und flußdurchrauschten Waldbergen zu;
des Landgrafen Ludwig des Heiligen Tochter Sophie, ver-
mählte Herzogin von Brabant, beanspruchte das Erbe für
ihren Sohn Ludwig, den man das Kind von Brabant oder
von Hessen nannte; in langjährigen Kämpfen mußten
ländergierige Nachbarn zurückgewiesen, unbotmäßige Va-
sallen unter die Hand des neuen Landgrafen gebeugt werden.
Besonders die Stadt Eisenach hielt zu Sophiens Partei und
b-drohte durch Erbauung von Trutzburgen Heinrichs Leute
auf der Wartburg, bis es gelang, die Sperrfesten und
dann die Stadt selbst einzunehmen und ihre Bürger zum
Gehorsam zu bringen. Als Bundesgenosse Sophiens rückte
1263 Herzog Albrecht von Braunschweig in das östliche
Thüringen, verheerte die Bistümer Naumburg und Merse-
burg und bedrohte Leipzig, aber im Gefecht bei Besen-
städt (nordwestlich von Halle) am 27. Oktober 1263 sieg-
ten des Markgrafen Söhne Landgraf Albrecht von
Thüringen und Markgraf Dietrich von Lands-
berg, der Braunschweiger und seine Genossen wurden mit
mehreren hundert Mann gefangen. Die Folge war der Zu-
sammenbruch der hessischen Partei; 1264 beim Friedens-
schlusse mußte sich der brabantische Erbe mit Niederhessen
begnügen, das eigentliche Thüringen verblieb den Wettinern.
Die folgenden Jahrzehnte boten den Markgrafen und
ihren Mannen beinen Anlaß zu glänzenden Waffentaten;
wohl hören wir, daß 1265 auch Albrecht nach Preußen
zog, um die Heiden zu bekämpfen, und ebenso sein Bruder
Dietrich 1272; mehrfach aber wandten die Fürsten ihre
Waffen gegeneinander. Nach Heinrichs des Erlauchten
Tod (1288) drobte zeitweise der völlige Zerfall der Haus-
macht, besonders als es im April 1293 dem deutschen König
Adolf (von Nassau) gelang, den mit seinen Söhnen
Friedrich dem Freidigen
und Dietrich (Diezmann) veruneinigten Landgrafen Al-
brecht zum Verkaufe Thüringens zu bewegen und Adolf
auch die Mark Meißen als ein dem Reiche nach des Mark-
grafen Friedrich Tuta (eines andern Enkels Heinrichs des
Erlauchten) Tode heimgefallenes Lehen betrachtete. Im
Herbst 1204 besetzte Adolf Thüringen ohne ernsteren Wider-
stand; im Oktober fiel nach einiger Gegenwehr auch das
OÖsterland, Pegau, Groitzsch, Frohburg, Borna, selbst Leipzig.
Im Sommer 1208 bezwang er die noch widerstehenden
Plätze in Thüringen und schickte sich im Januar 1206 an,
auch Meißen zu unterwerfen. Markgraf Friedrich der Frei-
dige konnte dem Reichsheere nicht in offener Feldschlacht
entgegentreten und suchte die beiden Hauptfestungen Frei-
berg und Meißen zu halten. Hartnäckig verteidigte sich
Freiberg; nach längerem Widerstande fiel die Stadt, die
Burg aber hielt sich standhaft, bis die untergrabenen Mauern
den an Zahl stark überlegenen Angreifern den Sturm er-
möglichten und die letzten tapferen Verteidiger im März
1296 in die Hand des erbitterten Königs fielen. Schonung
des Besiegten kannte das Mittelalter nicht; das nicht durch
einen Vertrag bei der Übergabe gesicherte Leben war dem
Sieger verfallen. Auch Adolf achtete nicht die Treue und
Tapferkeit, sondern rächte die eigenen Verluste durch die
Tötung der Besatzung: 60 Getreue des Markgrafen wurden
hingerichtet und allen Gefangenen drohte das gleiche Schick-
sal, falls Friedrich nicht Stadt und Burg Meißen über-
gebe. Um das Leben der Seinen zu retten, eneschloß sich
Friedrich zu dem schweren Opfer und lieferte seine letzte
Festung aus, unterwarf sich selbst aber nicht. Im Volbe
haftete noch lange die Erinnerung an diese Zeit, wo der
Fürst im eignen Lande, nur von einem Knecht begleitet,
ruhekos umherzog, aber durch des treuen Volbes Liebe vor
den Verfolgern errettet; bis in die Neuzeit hat die Volks-
sage einzelne Vorkommnisse aufbewahrt. Geschichtlich be-
zeugt ist, daß Friedrich landflüchtig, wie ein Recke der
deutschen Heldensage, in der Fremde Zuflucht suchen mußte.
Am Hofe seiner kärntnisch-tirolischen Verwandten fand er
Aufnahme; im Sommer 1296 zog er durch das obere
Drau= und Pusiertal nach Tirol und scheint auf einem
Kriegszuge sogar bis in die Lombardei gekommen
zu sein. Erst 1298 gelang es ihm zurückzukehren, und
Adolfs Tod bot ihm und seinem Bruder Diezmann Ge-
legenheit, in seinen Erblanden sich wieder festzusetzen. Aber
Adolfs Nachfolger König Abbrecht I. behauptete die An-
sprüche des Reiches auf Thüringen und Meißen und ge-
dachte im Frühjahr 1307 einen Hauptschlag zu führen; ein
stattliches Reichsheer unter dem Truchseß Heinrich von
Nortenberg stieß ins Osterland vor und rückte gegen Leipzig
heran. Hierhin hatten Friedrich und Diezmann ihre
Mannen entboten, unter denen neben den ritterbürtigen
Vasallen auch Bürger und Bauern besonders genannt wer-
den. Am 31. Mai 1307 zogen die Brüder aus Leipzigs
Toren südwärts, nachdem sie die Zuversicht der Ihrigen
durch ein feierliches Hochamt gestärkt hatten; denn es war
kein leichter Kampf und Friedrich wußte, was auf dem
Spiele stand; diese Schlacht entschied über sein und seines
Hauses Schicksal. Deutlichen Ausdruck fand dieses Be-
wußtsein in seinem Verhalten vor der Schlacht; als er
sich wappnete, sagte er: „Es ist besser im Kampfe zu fallen,
als das Unrecht gegen unser Volk und die Heiligen mit
anzusehen“ (denn die Königlichen hatten auch Klöster und
Kirchen verwüstet), und seinem Knappen rief er zu: „Setz
mir heute den Helm aufs Haupt, geschmückt mit der Helm-
zier meiner drei Lande Meißen, Osterland und Thüringen!
Gott helfe uns, da unsere Sache gerecht ist!“ Es war dies
nicht bloß ein äußerlicher Schmuck, sondern das Tragen
der Wappenkleinode der drei Länder im Kampfe sollte sym-
bolisch in der heraldisch-ritterlichen Sprache dieser Zeit aus-
drücken, um welchen Prei# der Kampf gehe. Bei Lucka-
(südwestlich von Leipzig) stieß man auf die Feinde, über die
man überraschend hereinbrach. Nach heftigem Streite wurden
sie geworfen, mehrere Edle gefangen genommen; der Rückzug
artete in wilde Flucht aus und nicht bloß die nachsetzenden
wettinischen Krieger, sondern auch die durch die Ausschrei-
tungen erbitterten Landleute erschlugen manchen Flüchtling.
Tolle, von der Volkssage drastisch geschilderte Angst scheuchte