Full text: Sachsen in großer Zeit. Band III. Die Kriegsjahre 1916-1918. (3)

Städte, die Rittergüter besaßen, stellten die nötigen Be— 
rittenen. Das geschickte Pferdematerial war oft minder— 
wertig, auch die einheitliche Uniformierung der Reiterei war 
nicht durchzusetzen. 
Die Defensionsartillerie sollte aus 18 Feld- 
geschützen bestehen: 3 Feldschlangen (Vierpfündern), 3 Fal- 
konetten (Sechspfündern), 6 Quartierschlangen (je 3 Acht- 
und Zwölfpfündern), 3 Notschlangen (Vierundzwanzig= 
pfündern) und 2 Mörsern (Zwölf= und Zwanzigpfündern), 
ben- die Heerfahrtswagen aus den Amtern und Adels- 
dörfern mit Bespannung zum Transport der Geschütge und 
Munition, über 200 Wagen, über 300 Knechte und lo00 
Pferde. Diese Artillerie bestand aber im Frieden überhaupt 
nicht (außer den im Dresdner Zeughaus liegenden Ge- 
schützen), nur im Kriegsfalle wurde sie errichtet; um Frieden 
gab es bloß die kurfürstliche Hausartillerie als stebende 
Truppe, die alten zunftmäßig ausgebildeten und organi- 
sierten Büchsenmeister, die 1558 aus 11 Personen im 
Dresdner Zeughause bestanden, 1586/87 45 Mann, 1602 
58 Mann, dazu 73 (später 60) als Büchsenmeister aus- 
gebildete Dresdner Bürger und 30 desgleichen in Alten- 
Dresden. 1620 bestand die Hausartillerie in Dresden (ohne 
die Bürger) aus 91 Personen. Für die Defensionsartillerie 
waren nur 36 Büchsenmeister in Wartegeld vorgeseben, die 
die Städte ausbilden lassen und besolden mußten, und noch 
eigne städtische Büchsenmelster in einigen Städten. 
Das Defensionswerk hätte bei der geringen Stärke da- 
maliger Heere immerhin eine beachtenswerte Kriegsmacht 
darstellen können, wenn seine Organisation straff durch- 
geführt worden wäre. In den ersten Jahren seines Be- 
stehens hielt man auf Musterungen, 1610 beim Ausbruch 
des Dreißigjährigen Krieges wurden die Fähnlein zum Teil 
aufgeboten, an der Südgrenze kam es zu kleinen Kämpfen 
der Defensioner mit böhmischen Haufen, 1620 wirkten sie 
mit zur Landessicherung gegen den Durchmarsch fremder 
Truppen, so auch in den folgenden Jahren. Die Schwierig- 
beiten der Unterhaltung, die Städten und Amtern zur Last 
fiel, schädigte aber das ganze Werk; das Geld blieb aus, 
der Mannschaftsbestand war nicht vollständig, der militä- 
rische Wert wurde immer geringer, je mehr sich die schweren 
Kriegsnöte im Laufe des Dreißigjährigen Krieges steigerten 
und die Notwendigkbeit brauchbarer Feldtruppen sich geltend 
machte. Allerdings wurden die Defensioner selbst zu auswär- 
tigen Unternehmungen mit herangezogen, wie 1631 gegen 
Böhmen, und bildeten einen Teil der Besatzung Prags, 
litten aber gerade dabei furchtbar, so daß weiterhin diese 
6 Fähnlein nie wieder verwendungsfähig waren; andre 
Fähnlein teilten im Laufe des Kriegec dieses Los, so daß 
nur Reste der Organisation bis zum Ende des Krieges fert- 
bestanden. Starke Schuld an dem Verfall trug allerdings 
die klägliche Finanzwirtschaft, die eine geordnete Besoldung 
nicht durchführen ließ, 6t daß der Kurfürst den Offizieren 
und Mannschaften oder den Stadträten, die Jahlungen ge- 
leistet hatten, große Summen schuldete, die allmählich von 
den Steuern abgezogen wurden. Das DOefensionswerk 
batte versucht, den uralten Grundsatz der all- 
gemeinen Wehrpflicht, wie er im Heerbann bestanden 
hatte, mit der Reiterdienstpflicht der mittelalter- 
lichen Lehnsverfassung und zugleich mit den 
Formen der neuzeitlichen Heereseinrichtung zu 
verbinden und scheiterte an dem inneren Widerspruch 
dieser Ideen zusammen mit den äußeren Schwierigkeiten 
und gesteigerten Nöten gerade jener Jahrzehnte. 
Der Dreißigjährige Krieg. — Kämpfe in der 
Lausitz und Schlesien 
Alo nach der Absetzung des protestantenfeindlichen Habs- 
burgers Ferdinand II. vom böhmischen Throne der Kur- 
fürst Friedrich V. von der Pfalz mit Zustimmung der Öber- 
250 
und Niederlausitz zum König von Böhmen gewählt worden 
war, übernahm der den reformierten Pfälzern und Unions-= 
mitgliedern abgeneigte Kurfürst Johann Georg I. von 
Sachsen die Vollstreckung der Acht gegen die Lau- 
sitzen und Schlesien. Mit einem angeworbenen Heere 
von fasi 10 000 Mann rückte er in Person in die Ober- 
  
Kurfürst Johann Georg l. von Sachsen 
lausitz vor, den militärischen Oberbefehl führte der Ge- 
neralleutnant Graf Wolfgang von Mansfeld. Zunächst galt 
es die Hauptstadt des Markgraftums, Bautzen, damals 
meist noch mit seinem alten Namen Budissin genannt, zum 
Gehorsam zu zwingen. Am 30. August bezogen die Sachsen 
ihr Lager auf den Höhen links der Spree und beschossen 
von hier die jenselts der Spree liegende Stadt, die von 
den Unionstruppen des Markgrafen Johann Georg von 
Brandenburg-Jägerndorf, von niederlausitzischem Zuzug und 
von ihren Bürgern, zuerst unter dem Befehl des branden- 
burgischen Hauptmanns von Karnitzky, dann des Obersi- 
leutnants von Spee verteidigt wurde. Da aber von dieser 
Seite aus eine Bezwingung der Stadt durch Sturm in- 
folge der Steilhänge deo Spreetales nicht zu erhoffen stand, 
setzte man zwar die Beschießung von hier aus, besonders 
vom Brotschenberge gegenüber dem Schlosse Ortenburg, 
fort, verlegte aber den Hauptangriff auf die andre Seite 
des Flusses gegen die Lauenvorstadt (die Gegend zwischen 
dem heutigen Bahnhof und der Spree), wo keine Terrain- 
schwierigkelten das Heranarbeiten an die Befestigungen er- 
schwerten (siehe Abbildung Seite 260). Die Stadt litt schwer 
unter der für damalige Verhältnisse heftigen Beschießung; an 
einzelnen Tagen wurden bis zu 366 Geschossen in die Stadt 
geworfen und die sächsische Artillerie leistete mit den im 
Felde befindlichen 28 Stücken ihr mröglichstes. Sie hatte ge- 
rade im selben Jahre 1620 eine Neuordnung erfahren, in- 
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