Ein Sachse, Georg Rimpler aus Leisnig, erwarb sich
dabei große Verdienste. Ursprünglich Weißgerber, dann
Soldat, hatte er es bis zum Offizier gebracht, war als
Ingenieur in sächsischen, dann in kaiserlichen Diensten ge-
wesen, hatte gegen die Türken auf Kreta, gegen Frank-
reich und andere Feinde gekämpft und leitete jetzt vom 8.
bis 15. Juli als geschätzter Kriegsbaumeister in der Stellung
eines Oberingenieurs und Oberstleutnants die Armie-=
rungsarbeiten von Wien. Am 25. Juli durch ein
türkisches Geschoß schwer verwundet, starb er am 2. August,
seine Werke aber bestanden die Probe und vermochten trotz
der unvermeidlichen Unvollbommenheit ihres überhasteten
Aucbaus den Türken zwei Monate lang zu widerstehen,
und wenn im Wiener Ruhmeskranze von 1683 die Namen
Karl von Lothringen, Johann Sobieski, Johann Georg III.
von Sachsen, Rüdiger Graf Starhemberg und andere ge-
nannt werden, soll auch der bescheidenere Name unsers
wackeren Landomanns Georg Rimpler nicht fehlen.
In der zweiten Julihälfte hatte Kurfürst Johann Georg III.
beschlossen, dem Hilfegesuch des Kaisers schleunigst zu ent-
sprechen; in der für damalige Verhältnisse außerordentlich
kurzen Zeit von drei Wochen stand die sächsische Armee
marschbereit und rückte am 11. August von Dreoden ab.
Es waren s Reiterregimenter und die Leibgardetrabanten
zu Pferde, etwa 3200 Mann, und 6 Infanterieregimenter
und 1 Gardekompagnie, etwa 7000 Mann, und 16 Ge-
schütze mit 187 Mann. Den Oberbefehl übernahm der Kur-
fürst und unter ihm Generalfeldmarschall Joachim Rüdiger
Freiherr von der Goltz. Das Heer stand bereit, aber die
Beschaffung der Verpflegung und der dafür nötigen Geld-
mittel bot große Schwierigbeiten: der Kaiser, seine Räte
und die böhmischen Behörden hemmten durch ihre ab-
lehnende Haltung den raschen Fortgang des Zuges in un-
glaublicher Weise und es bedurfte der ganzen Gutwillig=
keit, wackeren deutschen Gesinnung und zugleich militäri-
schen Entschiedenheit des Kurfürsten, um an seiner Absicht
der Rettung der deutschösterreichischen Lande festzuhalten;
dem Hause Habsburg und seinen Schranzen kommt an
dieser Rettung das Cllergeringste Verdienst zu; nur das
Geschick Karls von Lothringen, der Zuzug der deutschen
Hilfsvölker und die aufopfernde Tätigkeit der Verteidiger
haben das Werk vollbracht. Unter widerwärtigen Verhand-
lungen, Zänkereien und Drohungen mit Heimkehr setzten
bei fortdauernden Erschwerungen die Sachsen ihren Weiter-
marsch durch Böhmen fort. Am §. September trafen sie end-
lich bei Krems an der Donau nordwestlich von Wien ein, wo
schon die andern Truppen vereinigt waren; am 6. über-
schritten sie die Donau bei Tulln und zogen am 1o. bis
Klosterneuburg. Sie bildeten unter Johann Georgs Führung
zusammen mit den kaiserlichen Truppen unter Karl von
Lothringen den linken, bis zur Donau reichenden Flügel des
vereinigten christlichen Heeres; das Zentrum bestand aus
bayrischen und fränkischen Hilfstruppen und Kaiserlichen
unter dem Kurfürsten Mar Emanuel von Bayern und dem
Fürsten von Waldeck; auf dem rechten Flügel standen die
Polen unter dem Krongroßfeldherrn Jablonowski. Der
Polenbönig Johann III. Sobieski hatte den Oberbefehl des
ganzen Heeres, doch war dies mehr eine Ehrenstellung; in
Wirklichkeit handelten gerade während der Schlacht Karl
und Johann Georg selbständig und die für das Ganze ent-
scheidenden Erfolge dieses Flügels kommen ihnen allein zu.
Jede Gruppe gliederte sich in drei Treffen, gemischt aus
Reiterei und Fußvolk. Noch in der Nacht zum 11. Septem-
ber verstärkten einige vorausgeschickte sächsische Bataillone
die schwache Besatzung des Kamaldulenserklosters auf dem
Kahlenberge rechtzeitig und wiesen türkische Truppen
ab, die so verhindert wurden, sich auf dem Kahlenberge
festzusetzen und den ganzen Anmarschplan der Christen zu
gefährden. Am 11. selbst rückten auf den schwierigen, fast
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ungangbaren Berg= und Waldwegen, zum Teil auch ohne
Weg und Steg, unter voller Auflösung aller Verbände und
Zurücklassung der schweren Geschütze, die Sachsen und
Kaiserlichen den Vorausgeschickten nach und gelangten all-
mählich alle im Laufe dieses Tages in die befohlenen Linien,
die sich über die Höhen des Leopolds= und Kahlenberges
nach Südwesten hinzogen und mit dem polnischen, rechten
Flügel am Dreimarkstein endeten. Sobieski trug anfangs
wegen der Schwierigkeiten des Vorgeländes, die seiner
Hauptwaffe, der Reiterei, nicht günstig waren, Bedenken,
den Hauptangriff sogleich auf den 12. September anzusetzen
und wollte erst die Artillerie vorarbeiten lassen, ließ sich
aber schließlich doch zur Schlacht bestimmen. Kara Mu-
stafa hatte zunächst entschiedene Abwehrmaßregeln gegen
dao Christenheer sorglos versäumt; erst am 9. und 10. zog
er seine Hauptmacht zwischen der Stadt Wien und den
westlich und nordwestlich davon liegenden Berghängen zu-
sammen, aber am 11. erst bezog er die Kampfstellungen
selbst ovon Nußdorf —Heiligendorf bis Ottakring—Breiten-
see. Sich rechtzeitig in den Besitz der das Gelände bis Wien
beherrschenden Höhenstellungen vom Leopoldsberg an süd-
wärts zu setzen, hatte er unterlassen, der Versuch gegen
das Kloster auf dem Kahlenberge wurde, wie oben erwähnt,
zu spät und erfolglos unternommen.
Am Morgen des 12. Septembers rückten beide Heere
gegeneinander. Auf dem linken Flügel der Christen ent-
brannte der erste Kampf um den dem höheren Kahlenberg
südöstlich vorgelagerten Nußberg, den die Kaiserlichen
nahmen und mit sachsischer, durch Goltz und den General-
wachtmeister Grafen Reuß rechtzeitig und geschickt im
Schreiberbachgrund in den Kampf geworfener Unterstützung
zu halten vermochten, trotzdem sie zeitweilig in schwere Be-
drängnis gerieten. Im Zentrum und auf dem polnischen
Flügel bam ec erst nachmittags zu schweren Kämpfen, wäh-
rend gleichzeitig auch der linke Flügel erneut vorging. Nußdorf
wurde von den Kaiserlichen, Heiligenstadt von den Sachsen
in blutigem, erbittertem Häuserkampf erobert und behauptet,
ungeachtet aller Gegenstöße der guten asiatischen Truppen
unter Kara Mohammeds Führung. Andre sächsische Ba-
taillone rangen mit den sich hartnäckig verteidigenden
Türken am Grinzingbache, und es bedurfte vierstündiger
Kämpfe, um Kara Mohammed zum Rückzug zu nötigen.
Die Bayern und Franken in der Mitte kamen gegen die
Janitscharen nicht recht vorwärts über den Kobenzl hinaus,
die ersten polnischen Reiterangriffe bei Dornbach verbluteten
ohne wesentlichen Erfolg; als aber der grofsse, vom König
selbst geführte Reiterangriff losbrach und gleichzeitig Jo-
hann Georg und Karl von Lothringen im Norden aber-
mals zum Angriff vorgingen, wurde die Schlacht ent-
schieden. Karl hatte erst, ehe er sich nochmals vorzugehen
entschloß, mit dem Kurfürsten von Sachsen und den sächsi-
schen Generälen auf dem Nußberge, von dessen Höhe sie
die Vorgänge rekognoszierten, die Lage besprochen; er trug
ein gewisses Bedenken, seinem Flügel, der bisher die Haupt-
sache hatte leisten müssen, neue Anstrengungen zuzumuten
und sich am Schlußakt zu beteiligen und überließ den Ge-
nerälen die Entscheidung, ob man sich mit dem erreichten
Erfolge begnügen oder weiter vorrücken solle. Feldmarschall
Goltz fand sogleich die rechten Worte: der Feind sei in
Schrecken gesetzt, er halte für gut, ihn zu verfolgen und
den Sieg weiter auszunützen; „auch sei er, fügte er scher-
zend bei, ein alter, kontrakter Mann und wünsche noch
heute abend ein gutes Quartier in Wien zu haben“. Das
Scherzwort des alten Soldaten zündete, alles stimmte zu
und HarI der derselben Ansicht war, rief aus: „Also mar-
schieren wir!“ Allgemein flutete nun der chrisiliche Ansturm
gegen die Türken an, die Siegesgewißheit erhöhte den Eifer.
Die Sachsen beteiligten sich kräftigst wieder mit und nahmen
beim Vorwärtsdringen über den Krottenbach noch eine