Full text: Sachsen in großer Zeit. Band III. Die Kriegsjahre 1916-1918. (3)

und äußere Fremdherrschaft länger als es unter dem Zwange 
seiner Lage muß! Was man vor einem halben Jahre, als 
das gewaltigste, schönste Heer, das Europa je gesehen, gen 
Osten zog, noch für ganz unmöglich gehalten hatte, war 
eingetreten: von 6209000 Mann waren 88 000 zurück- 
gekehrt, zerlumpt, halb verhungert, seelisch aufs tiefste er- 
schüttert, krank und müde. Nur 25000 von 182 000 Pfer- 
den hatte man zurückbringen können, 150 von 1108 Ge- 
schützen. Nun flammten üÜberall die Feuerzeichen auf, Eu- 
ropa erhob sich gegen den Korsen. 
Auch in Sachsen jubelte der deutsche Geist auf. Theodor 
Körner eilte zu den Lützower Freische#ren, seine Gesänge be- 
geisterten die Massen. Der König sehwankte. Er war ein Greis; 
der Wille des übermächtigen Kaisers hatte den seinen gebrochen. 
Er hatte große Vorteile von ihm genossen. Mit begeisterter 
Verehrung hing er an ihm, und niemand in seiner Umgebung 
sagte ihm, dem Weltfremden, wie in seinem Volke die Er- 
regung dieser Frühlingstage nachzitterte, keiner seiner Rat- 
geber verstand zur entscheidenden Stunde die gewaltigen 
Wehen der Zeit. Dazu war Sachsens Lage sehwieriger als die 
jedes anderen Landes. Könnte sich Napoleon an der Elbe 
nicht halten, so würde er doch sicher mit einem neuen Heere, 
das sich bereits bildete, wieder bis zu diesem Strome vor- 
zustoßen versuchen. Sagte man sich von ihm los, so war 
man auf Gnade und Ungnade Preußen und Rußland oder 
Osterreich verfallen. Die Annäherung an Kaiser Franz schien 
in dieser Lage das beste, er lebte ja noch im Frieden mit 
Napoleon, er konnte vermitteln. Schon war die Loslösung 
von den Franzosen unter Osterreichs Hilfe im Zuge, da 
siegte Napoleon, bereits wieder im Vormarsche, bei Kützen 
am 2. Mai, der König mußte am 12. Mai nach Dreoden 
zurückkehren, die Franzosen überschritten die Elbe, der Sieg 
bei Bautzen am 20. und 21. Mai brachte das ganze Land 
in die Gewalt des Kaisers. Nun war die Trennung nicht 
mehr möglich.“ 
Als am 7. Mai General Reynier mit 2 Divisionen vor 
Torgau erschien, verweigerte ihm Thielmann befehlsgemäß 
den Eintritt; als aber am 10. der König anordnen mußte, 
die Festung zu öffnen und den größten Teil der Besatzung 
wieder zum 7. französischen Korps stoßen zu lassen, da 
legte Thielmann seinen Oberbefehl nieder und begab sich, 
begleitet von seinem Stabschef Oberstleutnant Aster, ins 
russische Hauptquartier nach Wurschen. 
General Sahrer von Sahr übergab am 11. Mai die 
Festung. 6000 felddienstfähige Sachsen traten umer seiner 
Führung ins Korps Reynier, die übrigen blieben als Be- 
satzung in Torgau. 
Die zur Begleitung des Königs über Plauen und Regens- 
burg mit nach Prag gezogenen Regimenter wurden am 
17. Mai bei Bautzen in die französische Hauptarmee ein- 
gereiht, die Kürassiere zur Division Bordesoult, die leichte 
Brigade zur leichten Division La Bruyeres. 
Das Korps Reynier, bei dem sich auch die Division Du- 
rutte wieder befand, zog unter Marschall Ney zunächst 
gegen Berlin, kehrte aber mit ihm um und griff am Abend 
des 2 1. Mai noch mit Artillerie in die Bautzener Schkacht 
ein. Bei der Verfolgung der nach Schlesien zurückweichenden 
Verbündeten, bildete das VII. Korps die Vorhut und warf 
den Gegner am 22. bei Reichenbach, drang dann mit bis 
Liegnitz vor, wurde aber infolge des Waffenstillstandes An- 
fang Juli in ein Lager hei Görlitz zurückgenommen, wo 
es bis 13. August stehen blieb. Die sächsische Kavallerie 
kam nach Sagan, die leichte Brigade später nach Herrn- 
hut und Marklissa zu liegen. 
Während der Waffenruhe wurde in eifriger Arbeit das 
sächsische Heer wieder aufgerichtet, so daß es im August 
in 2 Divisionen (Lecog und Sahrer von Sahr), 13 o feld- 
taugliche Mann stark, in Verbindung mit der auf 8000 
Mann angewachsenen Divisidn Durutte des VII. Korps Rey- 
285 
nier bilden konnte. Am 17. August bei Luckau vereinigt, 
wurde das Korps mit dem IV. und Xll. und dem Kavallerie= 
lorps Arrighi unter Oudinot gegen Berlin vorgesandt. Am 
21. trat Oudinot aus der Linie Baruth—KLuckenwalde den 
Vormarsch an, die Sachsen in der Mitte von Schönefeld 
aus, im ganzen 70 000 Mann, darunter 9000 Reiter und 
216 Geschütze. 
Die Verbündeten standen unter Bernadottes, des nun- 
mehrigen Kronprinzen von Schweden, Führung in der Linie 
Elbe bei Burg bis Oder bei Crossen, mit der Hauptmasse 
zwischen Saarmund und Mittenwalde, 98000 Mann. Nach 
kleinen Gefechten an den nach Berlin führenden Straßen 
am 21. und 22. August, griff am 23. die Dioision Sahr 
den bei Großbeeren stehenden Gegner an und warf ihn 
gegen Heinersdorf zurlck. Bei strömendem Regen bezog 
darauf das Korps Reynier nördlich der Genshagener Heide 
zwischen Großbeeren und dem Vorwerke Neubeeren Biwak. 
Während noch die Divisionen Durutte und Lecoq aus dem 
Walde heraustraten, warf sich das preußische Korps Bülow 
nach kräftiger Artillerievorbereitung auf die das Dorf und 
die Höhen westlich davon haltenden Sachsen. In einem 
mörderischen Kampfe von Kolben und Bajonett wurden 
die in Front und Flanke angepackten Sachsen in den Wald 
zurückgedrängt. Die zu Hilfe gesandte Division Durutte 
stob in heillosem Schrecken auseinander, Lecoq konnte nur 
mit Mühe den Abmarsch decken. Abends 10 Uhr erreichte 
das Korps Löwenbruch, nach längerer Rast Wietstock. Oudi- 
not hatte am Abend noch eine Zusammenkunft mit Neynier 
in Wietstock, er sah sich gezwungen seine ganze Armee in 
die Ausgangsstellung vom 22. zurückzunehmen. Scine Auf- 
gabe war der großen Übermacht Bernadottes gegenüber in 
diesem sumpfigen, waldreichen Gelände überhaupt kaum lös- 
bar. Vielleicht bewahrte ihn Reyniers Tellniederlage bei 
Großbeeren vor einer entscheidenden seiner ganzen Heeres- 
abteilung. 
Während Oudinot hinter das Bruchgelände südlich der 
Linie Baruth—Luckenwalde am 25. zurückging, verfolgte der 
Kronprinz von Schweden, um seine rechte Flanke besorgt, 
nur langsam. Unbelästigt konnte sich Oudinot nach Witten- 
berg zurückziehen, wo er auf dem rechten Elbufer im Halb- 
kreise um die Stadt Stellung nahm, die Sachsen auf dem 
linken Flügel bei Dobien. Am 4. September übernahm 
Marschall Ney den Oberbefehl, Oudinot trat schwer ge- 
kränkt an die Spitze des XII. Korps. 
Auf dem rechten Flügel der Franzosen war in Luckau 
ein sächsisches Bataillon zurückgeblieben. Am 28. August 
wurde es von Truppen des Korps Tauentzien angegriffen 
und nach mehrstündiger Beschießung der Stadt samt 8 Ge- 
schützen gefangen genommen. 
Ney sollte sofort die „Berliner Armee“ in einem kühnen 
Flankenmärsche nach Baruth führen und das noch einmal 
versuchen, was Oudinot mit denselben Truppen nicht er- 
reicht hatte. Allerdings hatte ihm der Kaiser versprochen, 
am 6. ein Korps bei Luckau bereitzustellen, wodurch das 
jetzige ungünstige Verhältnis 58:73 etwas gebessert worden 
wäre. Allein schon vorher brach das. Unglück über Ney 
herein. Ein am s. September sich östlich Zahna entspinnen- 
des Marschgefecht des die Spitze führenden Korps Oudinot 
verlief für die französischen Waffen noch günstig, auch der 
am andern Morgen bei Dennewitz, fünf Kilometer südwest- 
lich Jüterbog entbrennende Kampf gegen das Korps 
Tauentzien schien anfangs aussichtsreich, bis das Korpe 
Bülow auf der Walstatt erschien und die Schlacht zum 
Stehen brachte. 
Das Korps Reynier war nachmittags 2 Uhr auf dem 
Gefechtsfelde erschienen. Während Durutte bei Dennewitz 
eingriff, drangen die Sachsen rechts und links von Göhls- 
dorf auf dem linken Flügel vor und nahmen nach hartem 
Kampfe das Dorf. In einem Gegenstoße wurde die Bri-
	        
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