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Vorträge, durch Pressemitteilungen und Aufsätze der in-
teressierten Kreise aufklärt, für den Gedanken der Woh-
nungsfürsorge wirbt und das Verständnis für die Bedeu-
tung und Wichtigkeit des Wohnungswesens, richtiger Woh-
nungopflege usw. wach ruft und wach erhält. Mit Rück-
sicht auf die durch die Zeitverhältnisse bedingte bedeutende
Erweiterung ihrer Tätigkeit hat sie ihre Geschäftsstelle weiter
ausgebaut und kann infolgedessen jederzeit allen an sie
herantretenden Anforderungen gerecht werden. Seit dem-
selben obengenannten Jahre 1912 besteht der
„Verband der sächsischen gemeinnützigen
Bauvereinigungen“.
Die Zentralstelle für Wohnungsfürsorge war von vorn-
berein unausgesetzt und zielbewußt bemüht, einmal der Be-
friedigung des Bedürfnisses nach Kleinwohnungen überhaupt
zu dienen, nicht minder aber auch die Art der Wohnungs-
erstellung, und zwar in Richtung auf das Kleinhaus zu be-
einflussen und damit dem Flachbau die ihm gebührende Gel-
tung zu verschaffen.
Die Zentralstelle für Wohnungefürsorge, von Anfang
lols an für die Frage der Kriegersiedlung rege interessiert,
unterbreitete der Kgl. Staatsregierung eine in den Heimat-
dank-Nachrichten vom 15. Dezember 1915 abgedruckte
Denkschrift, in der der Erlaß eines besonderen Krieger-
ansiedlungeogesetzes erbeten wird. Die Eingabe hatte vollen
Erfolg, indem im April 1916 den Ständen ein solches
Kriegeransiedlungsgesetz vorgelegt wurde, das nach einstem-
miger Annahme in beiden Kammern des Landtages am
§. Mai 1916 zur Einführung gelangte. Bei der Aufstellung
der Auoführungsbestimmungen zu diesem Gesetze wie bei
der notwendig werdenden Organisierung zur Durchführung
des Gesetzes konnte die Zentralstelle sehr eifrig mitarbeiten.
Regierungsbaumeister Dr. Kruschwitz, der erste Geschäfts-
führer der Zentralstelle für Wohnungsfürsorge, sagt dar-
über in seinem bei der fünften ordentlichen Verbandsver-
sammlung des Verbandes der sächsischen gemeinnützigen
Bauvereinigungen vom 22. Oktober 1917 gehaltenen sehr
lehrreichen Vortrage über „Die gemeinnützigen Bauver-
einigungen als die Hauptträger der Kriegeransiedlung im
Königreich Sachsen“ — Bericht darüber Seite 19 —:
„Das Gesetz befriedigte nicht, vor allen Dingen, weil
es in seiner Begründung doch in uns die Befürchtung
aufkommen lassen mußte, daß eine einseitige Bevorzu-
gung der ländlichen Ansiedlung eintreten würde. In
der Begründung war nur von der Bedeutung der länd-
lichen Ansiedlung die Rede, und ebenso saßen in
dem Beirat, der der Landessiedlungsstelle zur Seite ge-
stellt wurde, in der Hauptsache nur Vertreter der
Landwirtschaft. Nur unseren besonderen Vor-
stellungen an maßgebenden Stellen ist es zuzuschrei-
ben, daß schließlich auch der Geschäftsführer der Jentral=
stelle für Wohnungsfürsorge Sitz und Stimme in diesem
Beirat bekam.“
Der Redner sprach des weiteren von seinen Ausführungen
im „Archiv für innere Kolonisation“ über die durch die
besonderen Verhältnisse Sachsens bedingte Sonderart der
Gestaltung des Siedlungswerkes, die in Verbindung mit
entsprechenden Vorstellungen an maßgeblicher Stelle zur
Folge hatte, daß diesen Einwänden in den Ausführungs-
bestimmungen vollauf Rechnung getragen wurde.
Des weiteren war die Zentralstelle für Wohnungsfürsorge
auch nicht unwesentlich an den Vorarbeiten zur Gründung
per Landessiedlungögesellschaft „Sächsisches Heim“ mit
beteiligt, insbesondere bei Ausarbeitung der sehr wichtigen
„Anleitung für die bei der Ansiedlung Lon Kriegsteil-
nehmern mitwirkenden Behörden“.
Die Bedeutung der oben erwähnten Denkschrift er-
beischt es, sie nach Anlage und Inhalt kurz zu charakteri-
sieren. Sie zerfällt in zwei Hauptteile, wenn wir von dem
für unsern Zusammenhang jedenfalls nicht in Betracht
kommenden dritten Teile absehen, der sich auf die Ent-
lastung des vorhandenen städtischen Hausbesitzes bezieht.
Der erste Hauptteil nimmt Stellung zur Frage der länd-
lichen Ansiedlung und behandelt unter A Schaffung von
Handwerker= und Arbeiterstellen auf dem Lande und zwar
zunächst allgemein, sodann 1. Beschaffung von Land, 2. bau-
liche Beratung, 3. Beschaffung von Kredit, 4. Schutz gegen
Mißbrauch — unter B Unterbringung in bäuerlichen Stellen.
Zur Frage des städtischen Kleinwohnungsbaues, dem zweiten
Hauptteil der Schrift, wird A Verbilligung des Herstellungs-
aufwander, B Verbilligung der Gelder behandelt.
Um auch Industrie und Handel für den Kleinwohnungs-
bau und die Kriegersiedlung zu interessieren, hat der rede-
und federgewandte Geschäftsführer der Zentralstelle für
Wohnungsfürsorge Dr. Kruschwitz im Vaterländischen
Verlag seinen in der Chemnitzer Handelskammer gehaltenen
Vortrag erscheinen und verbreiten lassen. Nach ihm liegt
die Mithilfe von Handel und Industrie am Sied-
lungswerke schon im ureigensten Interesse dieser selbst,
sie erhöhen die Leistungsfähigkeit ihrer Angestellten und Ar-
beiter, sie entlasten sich von der Erstellung von Werkwoh-
nungen, einer leicht mißlichen Aufgabe, und dienen durch
Beteiligung am gemeinnützigen Wohnungsbau zugleich besser
den Wünschen ihrer Arbeitnehmer, sie erfüllen auf diese
Weise am besten ihre vaterländische Dankespflicht. Über-
dies wird durch Niedrighaltung der Mieten ungerechtfer-
tigter Höhe von Lohnforderungen entgegengewirkt, die oft
letzten Endes nicht einmal denen zugutekommen, die sie
stellen.
Damit sind wir bei der Tätigkeit des
Verbandes der sächsischen gemeinnützigen
Bauvereinigungen
angelangt, das beißt aber bei derjenigen Organisation, die
wenn nicht ausschließlich, so doch in erster Linie als Träger
des Siedlungswerkes, wenigstens soweit es die Erstellung
von Kleinwohnungen und Wohnheimstätten anlangt, zu be-
trachten ist. Dr. Kruschwitz drlückt dies in dem erwähnten,
bei der Tagung des sächsischen Bauvereinigungsverbandes
gebaltenen Vortrage — Seite 20 — wie folgt aus:
„Mit öffentlicher Hilfe kann und soll keine spekula-
tive Ausnutzung getrieben und vor allem kein Mißbrauch
mit dem Grund und Boden ermöglicht werden; da aber
den hierdurch bedingten Einschränkungen sich der
Privatunternehmer niemals oder nur in Ausnahmefällen
unterwerfen wird, kommen als ausübende Organe
tatsächlich nur gemeinnützige Bauvereini=
gungen in Frage.“
Wir beschränken uns auf die Ausführungen in dem Be-
richt über das Geschäftsjahr 1916/17 des Verbandes der
gemeinnützigen Bauvereinigungen im Königreich Sachsen,
erstattet von Oberregierungsrat Dr. Höhne, seinem ersten
Vorsitzenden. Selbst ein Muster und Vorbild äußerster
Gründlichkeit und Gewissenhaftigkeit, zeigt er, wie eifrig
sich dieser Verband gerade während des Krieges im Inter-
esse der Siedlungsfrage betätigt hat. Wir heben nur Aller-
wichtigstes hervor. So wurden, „ausgehend von dem engen
Zusammenhange der Lohn= und der Wohnfrage, der eine
rege Anteilnahme der Industrie an der Kleinwohnungs-
herstellung rechtfertigt, Leitsäße über die Beteili-
gung der Industrie an der genossenschaftlichen ge-
meinnützigen Wohnungsherstellung durch Ge-
währung von Hypothekengeldern und Bereitstellung von
Bauland ausgearbeitet sowie hierzu Muster für Kauf= und
Darlehnsverträge aufgestellt. Die großen, kapitalkräftigen,
privaten Arbeitgeber sollen sich hiernach im wesentlichen in
gleicher Weise unterstützend betätigen, wie es in vorbildlicher