Full text: Sachsen in großer Zeit. Band III. Die Kriegsjahre 1916-1918. (3)

machen, daß wir die Veteranen früherer Kriege einst so un- 
glaublich vernachlässigt haben.“ 
Herzhaftig, ja ins Herz treffend, diese Worte von der 
Schuld und heiligen Verpflichtung, diese Brandmarkung des 
Wuchers mit der Quelle unserer Kraft und unseres Schaffens, 
ein echtes Zeugnis wahrer, echt christlicher Menschen- und 
Heimatliebe. 
Da hinreichender Grund zu der Annahme besteht, daß 
auch innerhalb der katholischen Kirche Sachsens volles 
Verständnis für die Bedeutung der Sache und reges In- 
teresse gegenüber dieser Frage vorhanden ist, so läßt sich 
wohl von einem edlen Wetteifer in dieser großen Sache 
sprechen, einer seltenen, aber um so erfreulicheren Ein- 
mütigkeit bei einer Gelegenheit, die ebenso davon zeugt, ob 
lebendiger Glaube vorhanden, wie sie ihn ihrerseits zu lebens- 
voller Betätigung weckt. Wahrlich, wenn je eine Gelegen- 
heit sich bot, so ist es die Frage der Kriegerheimstätten, von 
der Fürstbischof Bettinger gesagt hat: „In dieser Frage 
soll meine Kirche nicht mit= oder gar nachgehen, sondern 
vorangehen soll sie“, die Gelegenheit bietet, so nicht wieder- 
kehrend, dem Volke in seiner Gesamtheit in schönster Be- 
tätigung echten Glaubens sich dienstbar zu erweisen und 
damit auch den ihr Entfremdeten zu bezeugen, daß es ihr 
am guten, an ernstem, zielbewußtem, festem Willen nicht 
fehlt. Solches Verhalten wird dazu beitragen, daß das Ver- 
trauen zu ihr gestärkt. wird, es dürfte als ein wichtiger 
Schritt auf dem Wege zur Volksbkirche sich erweisen, 
wie es in der Entschließung einer Konferenz von Synodalen 
vom 2. Dezember 1915 mit den Worten ausgeführt ist: 
„Soll unsere Landeskirche zur Volkbskirche werden, so 
muß sie zu allen sozialen und nationalen Problemen, die 
für die sittliche und religiöse Gesundheit unseres Volks- 
lebens grundlegend sind, öffentlich Stellung nehmen.“ 
Wir schließen diesen Abschnitt, indem wir nur noch eines 
gedenken, der sich um die Sache der Kriegerheimstätten be- 
sonders verdient gemacht, des Pfarrers Johannes Steude- 
Großdrebnitzbei Bischofswerda, dessen Veröffentlichung über 
Kriegerheimstätten im nächsten Abschnitt noch besonders zu 
besprechen sein wird. Aus der praktischen Tätigkeit der Seel- 
sorge ist ihm bei Gelegenheit von Vorträgen im Lazarett das 
Verständnis für die Größe der Sache erwachsen, dem er in 
seiner Schrift beredten Ausdruck verliehen hat. 
. Schule, Presse und sonstige Förderer der Krie- 
gerheimstätten, insbesondere Siedler- 
organisationen 
Beginnen wir auch bei der Schule mit der Stellung der 
obersten Schulbehörde zur Frage der Kriegeransiedlung. Das 
Ministerium des Kultus und öffentlichen Un- 
terrichts hat laut Mitteilung zur Ständischen Schrift 
Nr. 45 vom 26. Oktober 1916 sich gern bereit erklärt, 
die Bestrebungen für den weiteren Ausbau der Wohnungs- 
fürsorge, insbesondere für Kriegsteilnehmer mit allen tun- 
lichen Mitteln auch in seinem Geschäftsbereiche zu fördern. 
„Dac Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts 
wird,“ so heißt es wörtlich daselbst weiter, „deshalb wie 
schon bisher ganz besonders solche unvermögende Schul- 
gemeinden, deren Schulaufwand im Verhältnisse zur 
vorhandenen Steuerkraft namentlich durch Gründung von 
Hausgartenwirtschaften und Wirtschaftsheimstätten, über- 
baupt durch Entstehen von Kleinansiedlungen, den Bau von 
Kleinwohnungen auf gemeinnütziger Grundlage u. a. m. er- 
heblich gesteigert wird, durch Baubeihilfen bei Schul-Neu- 
oder Erweiterungsbauten oder durch Gewährung außer- 
ordentlicher laufender Beihilfen zu den Unterhaltungskosten 
des Volksschulwesens im allgemeinen nach Maßgabe der 
verfügbaren Mittel unterstützen, falls hierüber von den zu- 
ständigen Bezirboschulinspektionen befürwortende Berichte 
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unter Nachweis des Bedürfnisses erstattet werden. Auch 
für Bereilstellung von Land, vornehmlich für die Errichtung 
von Wohnstätten aus Schulbesitz, fehlt es nicht an grund- 
sätzlicher Bereitschaft, wobei freilich zu bemerken ist, daß 
für solche Zwecke geeigneter Besitz nur in sehr beschränktem 
Umfange vorhanden ist.“ 
Eo ist kein Zweifel, daß die Frage der zweckmäßigen 
Verteilung der Schullasten von einschneidender, ja 
geradezu entscheidender Bedeutung für die Verwirklichung 
des Kriegerheimstättengedankens bei näherer Betrachtung 
sich erweist. Weil mit dem dadurch bewirkten Zuzuge von 
Bevölkerung, gerade kinderreicher Bevölkerung zu rechnen 
ist, wird diese Frage ausreichender Behebung anwachsender 
Schullasten besonders brennend. Weil es im Siediungs- 
interesse aber so besonders wichtig ist, wird eine wirksame 
und ausreichende Hilfe wohl nur von einer Neuregelung 
der Verteilung der Schullasten zu erhoffen sein, 
eine dringliche und für das Gelingen des vaterländischen 
Werkes grundlegende Angelegenheit. 
Neben dieser unmittelbaren Mitwirkung ist der Tätigkeft 
zur Verbreitung des Verständnisses für das Siedlungswesen 
Erwähnung zu tun. Diese ist darum höchst wichtig, weil da- 
durch erst wahres Interesse, einsichtsvolles Interesse geweckt 
wird. Dies zu tun aber hat die Schule, d. h. aber in erster 
Linie die Lehrerschaft sich in hohem Grade angelegen 
sein lassen. 
Zunächst sei erwähnt, daß die oberste Schulbehörde in 
einer Verordnung vom 20. Oktober 1917 auf die Sied- 
lungosnummer des Heimatdank (Nr. 20 von 1917) beson- 
dero hingewiesen und ihre Anschaffung für Schülerbüchereien 
sowie die Besprechung ihres Inhaltes in geeigneter Weise 
beim Unterricht empfohlen hat. 
Und in der Tat gibt es ja kaum eine bessere Gelegenheit, 
auf volkswirtschaftliche Zusammenhänge, auf die Aufgaben 
des Staates, auf die Tätigkeit der Regierung in Wahr- 
nehmung der Interessen des Gemeinwohles hinzuweisen, 
als anläßlich der Siedlungofrage — zumal da von dieser 
Seite durch den Krieg das Problem der sozialen Frage erst 
in seine volle, umfassende Beleuchtung gerückt worden ist. 
So wurden — als der Aushungerungsplan bekannt wurde 
— regierungsseitig Kurse zur Belehrung abgehalten, 
die zugleich die Wichtigkeit der Siedlungsfrage mit erbennen 
ließen, und in großer Zahl waren es Lehreralter Schul- 
gattungen, welche daran teilnahmen. Lehrervereine ge- 
hörten mit zu den ersten Mitgliedern des Hauptausschusses 
für Kriegerheimstätten in Berlin, Lehrer traten hervor, als 
es galt, den Gedanken der Kriegerheimstätten zu verbreiten. 
Wir erwähnen in diesem Zusammenhange, daß in einer 
Lehrerversammlung in Dresden 1917 eigens Herr Dr. Da- 
maschke gesprochen, wir erwähnen die auch in Druck er- 
schienene Rede des Seminar-Oberlehrers Dr. Milkner-= 
Dresden über Kriegerheimstätten, gehalten am 26. Januar 
1918 im Lehrerseminar zu Dresden-Plauen als Vorfeier 
für Kaisers Geburtstag. 
Eine Umfrage in den Kreisen der Lehrer Sachsens hat 
ergeben, daß — wie auch in den Kreisen der Geistlichen — 
bei den verschiedensten Gelegenheiten der Kriegerheimstätten- 
sache gedacht worden ist, soweit aber doch von dieser Seite 
das Ohr des Volkes nicht erreicht wurde, dürfte die Auf- 
klärung durch Vorträge im Felde ein übriges getan haben: 
zahlreiche Zeugnisse bekunden, daß das Wort auf empfäng- 
lichen Boden gefallen — fast scheint des Guten zuviel ge- 
schehen zu sein, man habe falsche Hoffnungen erweckt, Ver- 
sprechungen gegeben, die nun nicht erfüllt würden. Warum 
aber nicht erfüllt? Weil der Gesamtwille doch nicht recht- 
zeitig die Verwirklichung des Gedankens herbeizwang. Wir 
sprachen schon davon, daß dann manches anders hätte ver- 
laufen können: Kriegerheimstätten eine Lebens= und Schick- 
salsfrage unseres Volkes!
	        
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