Full text: Sachsen in großer Zeit. Band III. Die Kriegsjahre 1916-1918. (3)

ländlichen Verwaltungsbezirk besteht ein Verein Heimat- 
dank, an dessen Spitze der Amtshauptmann bzw. das 
Stadtoberhaupt steht. Diese Vereine Heimatdank, in deren 
Bezirken sich in kleineren Orten auch noch Zweigvereine 
gebildet haben, schließen sich in jedem Regierungsbezirke zu 
einem Kreisverband zusammen, der vom Kreishaupt= 
mann und dem ihm zur Seite stehenden Kreisrat geleitet 
wird. Die Stiftung Heimatdank gibt der gesamten 
Organisation das finanzielle Rückgrat und wird vom Mi- 
nister des Innern geleitet; ihr zur Seite steht als be- 
ratendes und mitbeschließendes Organ der Landesrat; in 
ihm sind die Vereine durch dieselben Abgeordneten wie in 
ihrem Kreisrat vertreten. Zur Bewältigung der Gesamt- 
aufgaben des Heimatdankes sind neun Arbeitsausschüsse 
eingesetzt, und zwar der Presseausschuß, Finanzausschuß, 
Verfassungsausschuß, Ausschuß für Kleinwohnungsfürsorge, 
Ausschuß für ländliche Kleinsiedlung, Ausschuß für Kriegs- 
binterbliebenenfürsorge, für Heilbehandlung, für Berufs- 
beratung und Arbeitsvermittlung, für Berufsausbildung. 
Die frei gewählten Vorsitzenden dieser Ausschüsse bilden 
neben fünf vom Stiftungsvorstand berufenen Mitgliedern, 
sowie den Kreishauptleuten, den Vertretern der Großstädte 
des Landes und der Kriegsbeschädigtenorganisationen das 
Direktorium, dem auch die Schriftleitung der Heimat- 
dank-Nachrichten untersteht, welche als geistiges Band 
alle Mitarbeiter des Heimatdankes zu umschließen bestimmt 
sind. Jahlreich ist die Anzahl der Männer und Frauen, 
welche sich unentgeltlich in den Dienst der Sache gestellt 
haben, und daß auch die Vertreter der Kriegsbeschädigten- 
organisationen sich eifrig in den Vereinen Heimatdank be- 
tätigen bönnen, gereicht der Sache nur zum Vorteile. Es 
sei noch besonders betont, daß der Heimatdank partei- 
politisch und religiös völlig neutral ist. Auf dem Gebiet 
der Kriegshinterbliebenenfürsorge ist die Stiftung 
Heimatdank zugleich Sächsischer Landesausschuß der Na- 
tionalstiftung für die Hinterbliebenen der im Kriege 
Gefallenen in Berlin. Ebenso ist die Stiftung Heimatdank 
im Reichsausschuß für Kriegsbeschädigtenfür- 
sorge in Berlin vertreten, zu welchem sich lols sämtliche 
deutschen Hauptfürsogeorganisationen zusammengeschlossen 
haben. Die Mittel, welche der Stiftung und den Vereinen 
Heimatdank zu Gebote stehen, betrugen Ende 1917 etwa 
16 Million Mark; eine stattliche Summe, die bei recht- 
zeitiger Verwendung imstande ist viel Segen zu stiften. Frei- 
lich sind die Anforderungen, die an den Heimatdank ge- 
stellt werden, auf den verschiedensten Fürsorgegebieten auch 
recht große. Eine gewisse Unterstützung und Entlastung auf 
einzelnen Gebieten erhält der Heimatdank durch einige zweck- 
verwandte Organisationen, welche ihre Arbeit im engen 
Einvernehmen mit dem Heimatdank ausüben, und diese 
Arbeitsteilung hat sich bisher durchaus bewährt. Es sei an 
dieser Stelle genannt: der Frauendank, der Jugend- 
dank, der Akademische Hilfsbund, der Offiziers= 
hilfsbund, der Sächsische Künstlerhilfsbund, 
die Landessiedlungsgesellschaft und die Ver- 
einigung zur Beschaffung von Hausgerät für 
Kriegsgetraute. 
Entsprechend dem Zwecke des Heimatdankes, die reichs- 
gesetzliche Versorgung der Kriegsinvaliden und Kriegs- 
binterbliebenen durch soziale Fürsorge zu ergänzen, bat er 
den Schwerpunkt seiner Tätigkeit auf dle Berufsbera- 
tung, Berufsausbildung und Arbeitsvermitt- 
lung besonders für die Schwerkriegsbeschädigten gelegt. Die 
Berufsberatung stellt an denjenigen, der zu ihrer Ausübung 
berufen ist, große Anforderungen und legt ihm ein hobes 
Mas Lon Verantwortung auf. Nur der ist zum Berufs- 
berater geeignet und geschickt, der mit reichen Kenntnissen 
des praktischen Lebens ein hohes Verantwortungsgefühl ver- 
bindet, das getragen wird von einem warmen Herzen für 
Sachsen in großer Zeit. Band IlII 
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unsere Kriegsbeschädigten. Schon im Lazarett und Ge- 
nesungsheim beginnt der Berufsberater seine Tätigkeit, die 
zunächst mehr vorbereitend ist und darin besteht, die Mut- 
losigkeit des Kriegsbeschädigten zu bekämpfen und ihm klar 
zu machen, wieviel bei gutem Willen auch der in seiner Ge- 
sundheit Geschädigte oder im Gebrauch seiner Glieder be- 
schränkte Mensch noch leisten kann. Wenn auch der Ver- 
trauenomann dem Kriegsbeschädigten im Lazarett zumeist noch 
nicht bestimmte Natschläge hinsichtlich des zukünftigen Be- 
rufes erteilen kann, da sich während der Behandlung der 
zukünftige Zustand des Kriegsbeschädigten nicht immer vor- 
aussagen läßt, so kann er doch in vielen Fällen ein etwaiges 
Streben der Kriegsbeschädigten nach Beamtenstellen und 
leichten Posten bei Behörden entgegentreten, besonders mit 
dem Hinweise auf die geringe Anzahl der zur Verfügung 
stehenden Stellen, auf die bessere Bezahlung der Fach- 
arbeiter und auch auf die hohen Anforderungen, die bin- 
sichtlich der Schulbildung an Beamtenanwärter gestellt 
werden. Sobald der Zustand eines Kriegsbeschädigten sich 
überblicken läßt, erfolgt dann unter Zuziehung eines ortho- 
pädisch gebildeten Arztes und eines erfahrenen Fachberufs- 
beraters an einer meist in Verbindung mit einem ortho- 
pädischen Lazarett bestehenden Hauptberatungsstelle die 
eigentliche Berufsberatung, deren oberster Grundsatz ist, den 
Kriegsbeschädigten, wenn möglich, seinem Berufe zu er- 
halten oder ihn einem verwandten Berufe zuzuführen, 
bziv. einem Berufe, in dem er wenigstens einen Teil 
der bisher erworbenen Kenntnisse und Fertigkeiten ver- 
werten kann. Nur in den dringlichsten Fällen findet eine 
gänzliche Umschulung statt. Hierbei sind Berufe zu ver- 
meiden, welche stets an Uberfüllung leiden und hierber ge- 
hört in erster Linie der kaufmännische Beruf, dem zahlreiche 
Kriegsbeschädigte zustreben trotz der Warnungen, welche die 
kaufmännischen Berufsverbände wieder und wieder ver- 
öffentlichen. Auch auf die Bedeutung des Gartenbaues und 
der Kleintlerzucht hat die Berufsberatung binzuweisen, so- 
wohl im Interesse der Kriegsbeschädigten, als auch aus 
volkswirtschaftlichen Gründen. Viele Kriegsbeschädigte, die 
vom Lande stammen und dahin wieder zurückkehren, können 
sich durch Bienen= und Geflügelzucht, Obst= und Gemüse- 
bau einen einträglichen Nebenerwerb schaffen. 
Wir glauben mit Vorstehendem unsern Lesern einen 
kleinen Einblick in die soziale Fürsorge des Heimatdankes, 
soweit sie sich auf das weite Gebiet der Berufsberatung 
bezieht, gegeben zu haben. Aber hiermit ist es allein nicht 
getan. Dem Kriegsbeschädigten muß nun auch durch Ge- 
währung von Ausbildungsmöglichkeiten Gelegenheit, sich 
für einen neuen Beruf vorzubereiten, gegeben werden. Und 
gerade in dieser Beziehung ist im Freistaat Sachsen Her- 
vorragendes geleistet worden: Sachsen ist das bklassische 
Land der Schulen und der vorwiegend industrielle Charakter 
des Landes bedingt auch das Vorhandensein zahlreicher Fach- 
schulen, welche sich fast ausnahmslos in den Dienst der 
Kriegsbeschädigtenfürsorge gestellt haben. Die Lehrkräfte 
staatlicher, städtischer und privater Schulen wetteiferten 
geradezu miteinander, ihre Dienste dem Heimatdank ehren- 
amtlich und unentgeltlich zu widnen. Vor allem waren es 
die Gewerbeschulen des Landes und die Gewerbeakademie in 
Chemnitz, welche, meist mit Lehrwerkstätten verbunden, den 
Gewerbetreibenden und Facharbeitern unter den Kriegs- 
verletzten die Möglichkeit weiterer Ausbildung, unter anderem 
auch durch Vorbereitung zur Meisterprüfung, gewährten. 
Und zwar geschah diese Ausbildung teils durch Veranstal- 
tung besonderer Lehrgänge, teils durch Aufnahme der Kriegs- 
verletzten in die bestehenden Unterrichtsklassen. In äbnlicher 
Weise waren auch die öffentlichen Handelslebranstalten der 
größeren Städte, aber auch private Handelsschulen tätig. 
An den landwirtsehaftlichen Lehranstalten Lon Bautzen, 
Cheimnitz, Leipzig, Großenhain und Freiberg wurden Kriege- 
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