Full text: Sachsen in großer Zeit. Band III. Die Kriegsjahre 1916-1918. (3)

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beschädigte aus der Landwirtschaft, die sich dazu eigneten, 
für gehobene Stellen in der Landwirtschaft ausgebildet. 
Kriegsbeschädigte aus dem Baufach (Maurer, Steinmetzen, 
Zimmerleute), welche ihren Beruf nicht mehr in der früheren 
Weise ausführen konnten, wurden in besonderen Lehrgängen 
an den Bauschulen von Dresden, Leipzig, Glauchau, Chem- 
nitz zu Polieren, Platzaufsehern und Bauschreibern, bei guter 
Eignung auch als Bauzeichner ausgebildet. Für Kriegs- 
verletzte aus dem Tertilgewerbe waren Lehrgänge für Spin- 
nerei, Weberei, Stickerei und Färberei an den Fachschulen 
zu Chemnitz, Reichenbach, Großschönau, Zittau, Glauchau, 
Crimmitschau und Plauen i. V. bestimmt. Für kriegsbeschä- 
digte Metallarbeiter kamen noch einige Fachschulen in Betracht 
wie die Schlosserschule in Roßwein, die Uhrmacherschule in 
Glashütte, sowie die Fachschule für Metallbearbeitung und 
  
Lehrgang für Bienenzucht beim Reservelazarett Arnsdorf. 
Installation in Aue i. E., für Holzbearbeitung die Fach- 
gewerbeschule für die Spiel= und Holzwarenindustrie in 
Seiffen, für Lederbearbeitung die deutsche Schuhmacherfach- 
schule in Siebenlehn. In den Lehrwerkstätten dieser Fach- 
schulen hatte man mit viel Geschick durch besondere Behelfe 
Maschinen auch für Arm= bzw. Beinbeschädigte benutzbar ge- 
macht, von dem Bestreben ausgehend, die Kriegsverletzten 
möglichst ihrem Berufe zu erhalten. Auch für das Nah- 
rungemittelgewerbe seien noch zwei Fachschulen genannt, 
welche zahlreiche Kriegsbeschädigte ausgebildet haben: die 
Konditoreifachschule von Weber in Dresden, welche von 
Kriegsbeschädigten aus ganz Deutschland besucht wurde und 
in welcher hauptsächlich Bäcker, die ihren Beruf nicht mehr 
ausüben konnten, zu Konditoren umgeschult wurden, und 
die Fachschule für das Hotelwesen in Buchholz-Friedewald, 
in welcher sich kriegsbeschädigte Angestellte aus dem Gast- 
wirtsgewerbe zu Hotelsekretären ausbildeten. Auch Lehr- 
gänge für Kleintierzucht, insbesondere Bienenzucht, fanden 
an verschiedenen Orten statt. Beifolgendes Bild zeigt uns 
einen solchen Lehrgang, wie er in Arnsdorf vom dortigen 
Verein Heimatdank geboten wurde. Zur Ertüchtigung in- 
dustrieller Arbeiter für die praktische Arbeit dienten die Lehr- 
werkstätten der Schullazarette zu Dresden, Chemnitz, Leipzig 
und Zwickau, welche gleichfallö unter Beteiligung des Heimat- 
dankes zusammen mit der Militärbehörde betrieben werden. 
Gleichfalls im Anschluß an Reservelazarette bestehen beson- 
dere Schuleinrichtungen für Armbeschädigte und 
Hirnverletzte. Einarmerschulen wurden in Dresden und 
Chemnitz, Leipzig und Zwickau ins Leben gerufen. Der Zweck 
derselben ist weniger, den Besuchern eine Berufsausbildung 
zu geben, als die gebrauchsfähig gebliebene Hand möglichst 
vielseitig auszubilden. Gerade der Verlust der Hand, be- 
sonders der rechten, wird schmerzlich empfunden; ein so 
schwerer Verlust bringt begreiflicherweise vielfach eine starke 
Hemmung der Arbeitslust und eine Lähmung des Willens 
mit sich, so daß vor allem die entstandene Mutlosigkeit be- 
kämpft werden muß. Es muß dem Einarmigen zunächst ge- 
lehrt werden, sich in den Hantierungen des täglichen Lebens 
zurechtzufinden und ihm gezeigt werden, daß er auch sonst 
eine ganze Anzahl Berufe ausfüllen kann mit einer ge- 
übten Hand. In der zuerst begründeten Dresdner Einarmer= 
schule war daher das Beispiel eines einarmigen Handwerks- 
lehrers von großem Nutzen, der, trotzdem er nur die linke 
Hand besaß, fast alle Verrichtungen der verschiedensten 
praktischen Berufe ausüben konnte 
und den Einarmigen ein gutes Bei- 
spiel bot. Außer dem Linkeschreiben 
werden an der Einarmerschule auch 
allerlei Handfertigkeiten, sowie Ar- 
beiten in Metall und Holz getrieben, 
zum Teil unter Anwendung einfacher 
Behelfe. Auch das Arbeiten mit 
Prothesen wird geübt, wenn auch 
letztere noch nicht so recht von den 
Einarmigen geschätzt werden. Als 
ein Beruf, der sich besonders für 
Einarmige eignet, wurde der eines 
Kontorbetriebsbelfers er- 
kannt; sowohl in Dresden als auch 
in Leipzig bestehen hierfür besondere 
Ausbildungsgelegenheiten. Ein sol- 
cher Kontorbetriebshelfer hat alle 
Nebenarbeiten im Kontor oder der 
Kanzlei zu erledigen, deren Voll- 
bringen durch höher qualifizierte Be- 
amte eine Energie= und Kostenver- 
schwendung bedeuten würde. Solche 
Nebenarbeiten sind zum Beispiel 
Vervielfältigungen von Schrift- 
stücken, Kopieren von Briefen, Einordnen derselben, Post- 
fertigmachen von Briefen, Heften von Akten, Führung 
einer Kartothek usw. Unser Bild zeigt Einarmige in dieser 
Tätigkeit. Einer Anregung des Schreibers dieser Zeilen 
folgend, richtete die Stiftung Heimatdank im März 1918 
im Reservelazarett Arnsdorf eine Hirnverletztenschule ein, 
nach dem Muster derartiger Schulen in Köln, Frankfurt am 
Main, Hannover und andere Orten. Die Erfahrung zeigte, 
daß die geistigen Funktionen der birnverletzten Kriegs- 
beschädigten oft derart herabgesetzt wurden, daß sie zu einer 
regulären Beschäftigung nicht fähig waren und in Gefahr 
standen zu verblöden. Sprachstörungen und epileptische An- 
fälle traten erfahrungsgemäß auch bei derartigen Ver- 
letzungen öfter auf. Die Aufgabe unserer Hirnverletzten- 
schule bestand nun darin, die Hirnverletzten körperlich und 
geistig zu heben und für das fernere Leben wieder brauch- 
bar zu machen. Als Mittel hierzu dienten: planmäßiger 
Unterricht, von den elementarsten Stufen beginnend (eine 
Abbildung zeigt den Anschauungsunterricht, der zur Wieder= 
erlangung elementarer Begriffe dient), Ubung der sprach- 
lichen und körperlichen Bewegungsfähigkeit; vorbereitende 
Werktätigkeit und Werkstättenarbeit. Die Schule wird ge- 
leitet von dem in der Hilfsschularbeit erfolgreich tätigen 
Lehrer Mehnert (aus Dresden), dem noch vier Hilfsschul- 
lehrer zur Seite stehen. Auch der Kreisverband Leipzig hat 
eine solche Hirnverletztenschule begründet. 
Über die gleichfalls vom Heimatdank eingerichteten 
Kriegsprimanerkurse ist schon früher berichtet worden 
(siehe das Gesundheitswesen im Weltkriege), nur sei er-
	        
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