Full text: Sachsen in großer Zeit. Band III. Die Kriegsjahre 1916-1918. (3)

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verwaltung einmal ein Bekleidungsgeld, sogenanntes An- 
schaffungsgeld von 80 Mark, und daneben ein Abnutzungs- 
geld in Höhe von 10 Mark monatlich. Auf dieses letzte 
hatten diefenigen keinen Anspruch, die für andere als land- 
wirtschaftliche Arbeitgeber zum ortsüblichen Lohne tätig 
waren. Sofern ein Deutschrusse die Erlaubnis, bürgerliche 
Kleidung zu tragen, ausnützte, gewährte ihm das Lager 
als ersie Ausrüstung einen Winteranzug, eine Schirmmütze, 
einen Mantel, ein Paar Stiefel, zwei Hemden, zwei Paar 
Unterhosen und zwei Paar Strümpfe ohne jedes Entgelt. 
Die kriegsgefangenen Offiziere sorgten bestimmungs- 
gemäß für ihre Kleidung aus den ihnen zustehenden Geld- 
gebührnissen selbst. Sie bezogen sie auf Anordnung des 
Preußischen Kriegsministeriums aus ihrer Heimat. Nur in 
ganz besonderen Ausnahmefällen durften Kleidungsstücke 
#im Inlande aus nicht beschlagnahmten Stoffen des freien 
Handels angefertigt werden, und zwar auch nur gegen den 
vorgeschriebenen Bezugschein. Da aber die Beschaffung aus 
den Heimatstaaten der gefangenen Offiziere nicht selten 
großen Schwierigkeiten begegnete, und diejenige im freien 
Handel des Inlandes infolge der Stoffknappheit zuletzt 
unmöglich geworden war, so bestimmte die oberste Be- 
hörde, daß auch die Versorgung der kriegsgefangenen Offi- 
ziere mit Bekleidung Aufgabe der Heeresverwaltung und 
die Abgabe der Stücke nur gegen Bezahlung und nur in 
dem unbedingt erforderlichen Umfange zulässig sei. 
Die notwendigen Ausbesserungen ließen die Offiziere an- 
fangs durch freie Handwerker am Orte ausführen. Als 
jedoch Flickstoffe, Leder und Nähfäden kaum noch zu be- 
schaffen waren, gingen auch die Offiziersgefangenenlager 
dazu über, die Kleidung der Offiziere in den hier ebenfalls 
errichteten Ausbesserungswerkstätten gegen Bezahlung in- 
standhalten zu lassen. 
Gewissenhaft endlich hatte die Heeresberwaltung ein Ver- 
zeichnis der Bekleidungsstücke aufgestellt, die den Kriegsge- 
fangenen bei ihrer Entlassung in die Heimat mitzugeben waren. 
Rückblickend darf man wohl sagen, es ist auch auf dem 
Felde der Kleidungssorge für Kriegsgefangene vom deutschen 
Volke eine ungeheure Arbeit unter schwierigsten Verhält- 
nissen vollbracht worden; sie ist würdig der großen Zeit, die 
für Europas Völker angebrochen war und jedem unerhörte 
Aufgaben stellte und es zugleich unter schreiende 
Entbehrungen zwang. 
4. Die Körper= und Seelenpflege 
Die Grundbedürfnisse der Gefangenen zu befriedigen, 
ihnen nämlich Wohnung, Nahrung und Kleidung zu ge- 
währen, das bedeutete nur eine Seite, wenn auch die 
wichtigere, so doch die äußere an der Pflicht, die das Ge- 
fangenenwesen auch unserm Vaterlande auferlegte. Denn 
die Millionen Männer, die uns unser Siegerglück in unsere 
Hände gegeben hatte, wären körperlich und seelisch ver- 
kümmert, wenn sie in der strengen Abgeschlossenheit von 
der Außenwelt — allein auf Unterkunft, Essen und Trinken 
sowie Kleidung angewiesen — unserer Fürsorge nicht auch 
in anderer Hinsicht hätten teilhaftig werden dürfen. Es 
mußte ihnen und uns darauf ankommen, Körper und 
Seele trotz aller räumlichen Beschränkung gesund zu er- 
halten; ihnen, denn welcher Mensch will sich nicht selbst 
und den Seinen wohlbehalten zurückgeben; uns, denn wir 
fühlten uns den Heimatländern der Unglücklichen gegenüber 
verantwortlich für das Leben jedes unter ihnen gemäß 
den zwischenvölkischen Vereinbarungen und dem Begriff 
edler Menschlichkeit und lernten die gesunden Arbeitskräfte 
schätzen, die solchen Menschenmassen innewohnten, wenn sie 
gehegt und gepflegt wurden. Aus dieser Absicht ergab sich 
eine ganze Reihe Mittel, die von den Lagern angewendet 
wurden, um Körper und Seelen ihrer Pflegebefohlenen zu 
behüten und zu stärken. 
In vorderster Linie stand die Arbeit, die ja in einem so 
großen Gemeinschaftsleben, wie es die Kriegsgefangenen- 
lager darstellten, sehr viele Kräfte erfordert und lebendig 
erhält. Wir haben die Kriegsgefangenen bei der Arbeit 
schon in der Küche, auf den Lagergütern und in den Aus- 
besserungsstuben getroffen. Das waren ihrer aber ver- 
hältnismäßig wenige. Weit mehr zogen täglich mehrmals 
aus, um die alten Lagerstraßen zu reinigen, neue anzulegen, 
die dazu nötigen Rohstoffe herbeizuschaffen usw., andere 
dienten als Feuerwehrleute, arbeiteten auf den Bebleidungs- 
kammern, holten die Post= und Bahnsendungen ab, er- 
ledigten allerhand Geschäfte in den Schreibstuben, verrichteten 
Laufdienste, sortierten Postsachen und Liebesgaben, führten 
die Aufsicht in den Häusern und übersetzten Befehle aus 
einer Sprache in die andere, einzelne bemühten sich um die 
Kranken, übten die Seelsorge aus oder waren in heraus- 
gehobenen Stellungen tätig. 
Allein für die so reichgegliederte Arbeit kam nur ein 
kleiner Teil der Lagerbewohnerschaft, die nach Tausenden 
mitunter zählte, in Frage. Für den größern hatte die Ver- 
waltung auf anderem Wege für körperliche Betätigung zu 
sorgen. In den ersten Wochen der Gefangenschaft halfen 
sich die Leute selbst, soweit sie Franzosen waren. Sie turnten 
regelmäßig vor= und nachmittags Freiübungen oder führten 
Wehrübungen im Heimatstil unter dem Befehl ihrer 
Unteroffiziere vor. Das anzusehen, dünkte mich höchst 
fesselnd, denn aus der Art der Bewegungen, die in mancher- 
lei Hinsicht von der unsern abwich, sprach der ganze 
gallische Geist. Wie gänzlich anders die Russen. Sie hätten 
tagelang auf ihren Strohsäcken liegen können, wenn sie 
nicht regelmäßig aufgescheucht worden wären! 
Später stellte die Lagerverwaltung den Gefangenen Spiel- 
und Erholungsplätze zur Verfügung, teilweise sogar außer- 
halb der Lagerumzäunung. Hier konnten sie sich tummeln 
in mancherlei Spielen, wie sie die von Haus aus gewohnt 
waren. Da sah man gewandte Fußballspieler, Boxer und 
Strickzieher; die Engländer ergingen sich im Rasenball- 
spiel, andere maßen ihre Kraft auf der Kegelbahn und ihre 
Gewandtheit an Reck und Barren. Im Winter fuhr man 
fleißig Schlittschuh. 
Den kriegsgefangenen Offizieren gestatteten die Lager 
im Laufe der geit Spaziergänge gegen die ehrenwörtliche 
Versicherung, nicht zu fliehen. Der deutsche Begleitoffizier 
spielte dabei weniger die Rolle der Bewachung als die der 
Führung. Allerdings achtete er darauf, daß die Spazier= 
gänger weder Läden und Gastoirtschaften besuchten, noch 
mit deutschen Männern, Frauen und Kindern in Berührung 
kamen, noch sich von ihrem Trupp trennten. Auch den in 
den Geschäftszimmern beschäftigten Mannschaften und 
Unteroffizieren gönnte man wöchentlich einen Ausflug von 
1—2 Stunden unter Beaufsichtigung. 
Für die Franzosen wurden in manchen Lagern Hand- 
fertigkeitsräume eingerichtet. Dort stellten sie Nippsachen 
aus gebranntem Ton und Lehm, allerhand Schnitzereien 
aus Holz und Knochen her, malten und schufen als Bild- 
hauer sogar Denkmäler, besonders solche für die auf 
den Gefangenenfriedhöfen ruhenden Kameraden. Die Russen, 
denen diese Kunststätten auch offen standen, entwickelten 
wenig Sinn für solche Unterhaltungsarbeit. Später mußten 
die Handfertigkeitsstuben in den Mannschaftslagern auf- 
gehoben werden, weil die kriegsgefangenen Künstler und 
Kunstgewerbler in den Dienst von freien Arbeitgebern 
traten, während sie in den Offizierslagern weiter bestanden. 
Deren Insassen vertrieben sich außerdem die Zeit mit 
Blumenpflege und Gemüsebau. 
Viele der Gebildeten unter den Gefangenen sehnten sich 
schon die ersten Wochen nach der Kunst der Sprache und 
der Töne. Sie bildeten mit Genehmigung der Lagerver- 
waltungen Schauspielergruppen und Musikervereinigungen,
	        
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