gebracht — so der von einem Feldgrauen verfaßte „Hias“,
den in Dresden und Leipzig Mitglieder der Genesungskom—
pagnie spielten — und hat des Eindrucks auf die Bevölke-
rung nicht entbehrt; aber nach dem Verrauschen der Zeit-
stimmung wird sich wohl kaum etwas davon erhalten.
So war der Spielplan der bedeutenderen Bühnen des
Landes wesentlich auf den vorhandenen Schatz an zug-
kräftigen Werken angewiesen. Was seine Gestaltung be-
trifft, so faßte der künstlerische Leiter des Hofschauspiels
in Dresden, wo soeben erst (1913) der neue schöne Bau
des Kgl. Schauspielhauses am Zwinger seiner Bestimmung
übergeben worden war, Dr. K. Zeiß, die Aufgabe, welche
jetzt den wahre Kunst pflegenden Bühnen gestellt war,
mit voller Klarheit ins Auge: nicht mehr, wie vornehmlich
bisher, Werke, in denen das Einzelschicksal des Menschen
gestaltet wird, vorzuführen, sondern auf solche das Augen-
merk zu richten, „in denen es um die großen Fragen der
Nation geht, in denen der heiße Atem und der gewaltige
Rhythmus unserer Tage bebt“. Nicht ausschließen wollte
man auf die Dauer das gute Fremde — wurde doch der
300. Todestag Shakespeares, des größten germanischen
Dramatikers bei uns nicht vergessen —; aber zunächst
sollten einmal die Schöpfungen deutscher Dichter den Vor-
zug haben. Manche Bereicherung des Spielplans wurde
nach solchem Grundsatz gewonnen, an den Dresdener Thea-
tern, wie auch anderwärts; so in Leipzig, wo das Schauspiel
von dem Intendanten M. Martersteig feinsinnig geleitet
ward. Doch waren auch einzelne Uraufführungen im künst-
lerischen Sinne bedeutend, zumal bei Bühnendichtungen,
deren Stoff, aus der Vergangenheit genommen, aber unse-
rem eigenen Erleben in großer schmerzlicher Zeit innerlich
verwandt, besondere Ausdruckemöglichkeiten dichterischer Art
bot: Otto Erlers, eines Dresdeners, Struensee, in ganz
anderem Stile Walter von Molo's Friedrich Staps und Gg.
Kaisers Bürger von Calais — beides Werke nichtsächsi-
scher Künstler, aber in Dresden und Leipzig aufgeführt —
mögen genannt sein. Tiefen Eindruck machten die Dich-
tungen älterer Volksspiele, besonders ein Totentanz, Para-
dies= und Weihnachtsspiele, die der Thüringer Haas-Berkow,
ein Schüler Reinhardts, mit einer Inszenierungskunst von
erlesenem Geschmack unter Mitwirkung von Laien zur Auf-
führung brachte. Auch Bestrebungen nach Gründung einer
stehenden Volksbühne, in Dresden unterstützt vom Ober-
spielleiter des Alberttheaters M. Alberty, wurden verfolgt.
Für die Oper konnten sich die Schwierigkeiten leicht
noch mißlicher fühlbar machen, als für das Schauspiel;
doch wurden sie merkwürdig gut überwunden. Die Dres-
dener Hofoper, an welcher nach Schuchs Tode im Mai 1914
zwar kein neuer Generalmusikdirektor angestellt ward, jedoch
die beiden Hofkapellmeister Kutzschbach und Reiner in treff-
licher gegenseitiger Ergänzung die Leitung innehatten, war
gerade in den Jahren 1915/18 außerordentlich regsam,
sowohl in Neueinstudierung und neuer Inszenierung früher
schon gebrachter Werke, wie auch mit Erstaufführungen;
dabei wurde die deutsche Opernkunst ganz anders als vor-
dem bevorzugt. Auch Leipzigs Oper unter ihrem ausgezeich-
neten Direktor O. Lohse erwies sich den Anforderungen
der Kriegszeit durchaus gewachsen. Daß daneben die
Operette während des Krieges ihr Publikum fand, war
sehr natürlich; man brachte gute alte Stlücke, bisweilen
ein auf die Tagesstimmung berechnetes „patriotisches“ neues
C,Ertrablätter“) und erfüllte ein Bedürfnis der Menschen
nach Ablenkung von den mancherlei Kümmernissen der
schweren Zeit, die sie je nach Temperament und Bildung
innerlich niedergedrückt oder trotz allem hochgestimmt er-
lebten. —
Eine Folge der Kriegszeit, die nicht unmittelbar das
geistige Leben in Sachsen beeinflußte, wohl aber in Zu-
kunft Bedeutung dafür gewinnen kann, war die Hin-
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wendung der Künstler zu wirtsehaftlich sozialer Selbst-
bilfe. Da die Ansprüche an die „selbstlose Mitwirkung“
der Künstler bei den unzähligen Wohltätigkeitsveranstaltun=
gen überspannt wurden, so war es begreiflich, daß eine
ganz ungewohnte soziale Tätigkeit einsetzte: im Anschluß
an den Dresdener Tonkünstlerverein entstand eine „Wirt-
schaftliche Vereinigung vortragender Künstler“. Dazu kam
im Juni 10917 die „Gründung des sächsischen Künstlerhilfs-
bundes“, dem der Staat seine Unterslützung verlieh.
4. Die bildenden Künste
Die bildende Kunst in Sachsen, einst von der Kirche
und dem fürstlichen Hofe, erst später von dem wohlhabender
werdenden Bürgertum gepflegt, war bisher siets mit der
Friedenspalme einhergeschritten; kriegerischen Lorbeer hatte
sie nicht gesucht und gepflückt. Inzwischen hatte sie sich,
vom glänzenden wirtschaftlichen Aufschwung des Landes
gefördert, zu einer reicheren Blüte entfaltet; war sie jetzt
stark genug und der Aufgabe gewachsen, dem Erleben der
Weltkriegszeit in ihrer Weise Gestalt zu verleihen?
Soeben noch, ein Jahr vor Ausbruch des Krieges, hatte
die Baukunst Sachsens auf der Leipziger Ausstellung
ihre Fähigkeiten gezeigt. Aber der imposante Leipziger
Hauptbahnhof und danach die Deutsche Bücherei, das
von Stadtbaurat Erlwein in Dregden erbaute neue Aus-
stellungsgebäude für Kunst (an der Lennéstraße) und etwa
noch die Studienanstalt für Mädchen in der Neustadt waren
die letzten stattlichen Bauten, deren Vollendung möglich
blieb. Während draußen im Felde die eigenartige Baukunst
der Pioniere ihre Triumphe feierte, in einer Zeit steigenden
Mangels an allen Baustoffen daheim und steter Minderung
der verfügbaren Arbeitskräfte, stockte die Bautätigkeit aller
Orten; für neue große Schöpfungen edler Architektur war
kein Raum.
Weit günstigere Bedingungen boten sich für die Pflege
der Bildnerei und Malerei, insbesondere der Griffelkunst.
Die Fülle und Mannigfaltigkeit der Eindrücke im Krieg,
das muntere Treiben der Soldaten im Lagerort, der Wach-
und Aufklärungsdienst mit seinen Leuchtsignalen, die grau-
sigen Bilder der Schlacht, die Widerspiegelung der Seelen-
erregungen des Kriegers in seinem Antlitz, das innige Leben
mit der Natur bei Tag und Nacht in den so unendlich
verschiedenen Landschaften zwischen der nebelfeuchten Nord-
seeküste und dem südlichen Gebirge nahe dem Agsischen
Meer, dies alles lockte zu bildlicher Wiedergabe ebenso
den geborenen Künstler wie den einfachen Mann mit ge-
sunden Augen, der mit unausgebildeter Geschicklichkeit den
Zeichenstift führte. Uberdies gab eine Menge von bestimmten
praktischen Zwecken Anlaß zu Arbeiten der „Kriegs-
graphik“: Aufträge von Zeitschriften und Tagegzeitun-
gen, Anfertigung von Gedenkblättern und Kriegsgedenk-
büchern, Widmungstafeln, Ansichtspostkarten u. dgl. Kaum
ist es erlaubt, aus der Zahl der Schaffenden nur einzelne zu
nennen: Br. Hérour und Erich Gruner in Leipzig, W. Zei-
sing in Dresden. Große Bedeutung erlangte auch das
Plakat für Werbezwecke: man legte Wert auf seine künst-
lerische Gestaltung; der Sächsische Heimatdank erließ ein
Preicausschreiben, andere folgten, und wirklich wurde
manche treffliche Lösung der gestellten Aufgaben — die
Taube mit dem schlichten Symbol der Blutstropfen und
des Olzweigs oder die wuchtige Gestalt des schützenden
Kriegers — gefunden, welche in die sonst so grau ein-
förmige Kriegozeit einen erfreuenden Farbenton brachte und
in der Kunstgeschichte Sachsens als Zeichen der Zeit un-
vergessen bleiben wird. In Leipzig nahm sich die Kgl.
Akademie der graphischen Künsie unter Leitung von Geb.
Hofrat Prof. Dr. M. Seeliger der Förderung solcher
Aufgaben an. So wurde im Deutschen Museum für Buch-
wesen und Schrifttum 1917/18 eine doppelte Ausstellung