3. Unterwerfung der Offiziere unter die Befehlsgewalt
des Soldatenrats.
General v. Schweinitz und General v. Kaufmann ge-
standen die ersten beiden Punkte zu. Dem letzten Punkte
konnten sie als Offiziere nicht zustimmen. Die andere
Partei blieb jedoch bei ihren Forderungen.
Nach der Ubergabe der militärischen Gewalt wurde die
Verpflegung der Truppen und Urlauber so geregelt, daß
die Stadtverwaltung sich verpflichtete, für Verpflegung und
Unterkunft zu sorgen. Aus dem Großen Arbeiter= und Sol-
datenrat konstituierte sich ein engerer Ausschuß, der
die augübende Gewalt übernahm, dem großen Rat aber ver-
antwortlich blieb. Am 9. November wurde der erweiterte
Arbeiterrat gewählt. Die Wahl erfolgte nach Betrieben,
wobei auf 500 Arbeiter ein Delegierter kam.
Das Leben in der Stadt war sehr aufgeregt. Regellose
Horden hielten die Straßenbahnen an und durchsuchten sie
nach Offizieren, die vielfach mißhandelt wurden. Haupt-
bahnhof und Post, überhaupt alle öffentlichen Gebäude
wurden besetzt. Die Arbeiterschaft mit Ausnahme der der
lebenswichtigen Betriebe trat in den Generalstreik. Überall
wurden rote Fahnen gehißt (Staatszeitung 262).
In Dresden setzte die Revolution nur um ein paar
Stunden später ein. Auf dem Altmarkt sammelte sich eine
Menschenmenge, wo zwei Redner mit aufrührerischen Neden
die Menge aufpeitschten. Stark vergrößert zog ein Zug nach der
Neustädter Hauptwache. Die Wache wurde aufgehoben und
man wollte die Räumlichkeiten plündern. Otto Knauß riß
in beherzter Weise die Aufmerbsamkeit auf sich und forderte
die Unbesonnenen auf, jede Gewalttätigkeit zu unterlassen.
Es gelang ihm die Demonstranten vom Innenhof des
Kriegsministeriums wegzuziehen. Man zog nun nach den
Grenadierkasernen, wo die Wachen die Waffen übergaben.
Mit Hilfe von Sergeant Goldberg, Unteroffizier Otto, Gre-
nadier Huter und Musketier Garhor konnte Knauß auch
hier die Menge von der Plünderung abhalten. Der Zug
begab sich nach der Schützenkaserne, die auch ohne Wider-
stand übergeben wurde. Jetzt drang nun die Menge nach
dem Militär= und Festungsgefängnis, um die Arrestanten
zu befreien. Nur die mit bleineren Strafen belegten Ge-
fangenen wurden entlassen. Auf dem weiteren Zuge wurde
das Generalkommando berührt, wo sich Hauptman
Thierig, um der Bewegung gemäßigte Bahnen zu geben,
zur Verfügung stellte. Am nächsten Vormittag sollten
weitere Besprechungen stattfinden.
Inzwischen hatte sich ein provisorischer Arbeiter-=
und Soldatenrat gebildet, der folgenden Aufruf erliess
Kameraden und Genossen!
Unsere Schicksalsstunde hat geschlagen. Die Macht ist in
unserer Hand! Hört auf uns! Sammelt Euch um Eure er-
wählten Führer! Keine Unbesonnenheiten! Nuhe und eiserne
Nerven sind das Gebot der Stunde! Zeigt, daß Ihr Männer
seidl Folgt unserm Sicherheitsorgan, plündert und raubt
nicht! Es ist Euer unwürdig und gereicht Euch nicht zur
Ehre. Zum giel führt es nicht. Große Aufgaben liegen
vor uns. Aber damit sie erfüllt werden bönnen, ist die
Einigkeit und Geschlossenheit der Bewegung erforderlich.
Wir haben einen provisorischen Arbeiter= und Soldatenrat
aus Vertretern hiesiger Gewerkschaften und Garnisontrup-=
penteilen gebildet. Folgt seinen Anweisungen und Beschlüs-
sen, sorgt für Nuhe und Ordmung, damit sich nichts er-
eignet, was gegen uns ausgehetzt werden kann. Denkt auch
an die Aufrechterhaltung der Ordnung in den Kasernen!
Alle Arbeiter und Soldaten sind auf unserer Seite. Wir
sind unserm Ziele nahel!
Der provisorksche Arbeiter= und Soldatenrat.
Das Leben in der Stadt war in der gleichen Weise auf-
geregt wie allerwärts. Im Zirkus Sarrasani wurde die
Sachsen In großer Zeit. Band III
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Vorstellung gestört. Man begab sich im Zug nach dem
Hauptbahnhof. Post und öffentliche Gebäude wurden be-
setzt, die Wachen am Schloß beseitigt. Offiziere und Mann-
schaften wurden bei der Waffenabnahme und beim Ab-
zeichenraub beschimpft und belästigt. Der König, der noch
am Abend an einer Sitzung im Kriegsministerium teil-
genommen hatte, begab sich in der Nacht nach Moritzburg
(Staatszeitung 262). — Ahnlich gestalteten sich die Ver-
hältnisse in Chemnitz und den größeren und kleineren Orten
Sachsens.
Inzwischen hatte auch die Bewegung Berlin ergriffen.
Durch verschiedene Forderungen hatte die Sozialdemokratie
das alte Negime gehörig unterwühlt. Schließlich wurde
der Rücktritt des Kaisers und der Verzicht des
Kronprinzen von den Mehrbeitsparteien als die einzige
Lösung der schweren Frage angesehen. Am 9. November
mittags lag der Entschluß des Kaisers vor, der vom Reichs-
kanzler in folgendem Erlaß bekanntgegeben wurde (Deut-
scher Geschichtskalender: Oi= deutsche Revolution, Seite 26);
Der Kaiser und König hat sich entschlossen, dem Throne
zu entsagen. Der Reichskanzler bleibt noch so lange im
Amte, bis die mit der Abdankung des Kaisers, dem Thron-
verzicht des Kronprinzen des Deutschen Reiches und von
Preußen und der Einsetzung der Regentschaft verbundenen
Fragen geregelt sind. Er beabsichtigt, dem Regenten die Er-
nennung des Abgeordneten Ebert zum Reichskanzler und die
Vorlage eines Gesetzentwurfes wegen der sofortigen Aus-
schreibung allgemeiner Wahlen für eine verfassunggebende
deutsche Nationalversammlung vorzuschlagen, der es ob-
liegen würde, die künftige Staatsform des deutschen Volkes
einschließlich der Volksteile, die ihren Eintritt in die Reichs-
grenzen wünschen sollten, endgültig festzustellen.
Der Reichskanzler: Max, Prinz von Baden.
Noch vorher war in Berlin am Vormittag der Aufsiand
ausgebrochen. Die Truppenteile gingen geschlossen über,
und die beiden sozialdemokratischen Parteien übernahmen
die Regierungsbildung. Nach der Bekanntgabe der Abdan-
kung des Kaisers wurde von Scheidemann in kurzen Worten
die Republik ausgerufen (Deutscher Geschichtskalen-
der: Die deutsche Revolution, Seite 36):
Das monarchische System ist zusammengebrochen. Ein
großer Teil der Garnison hat sich uns angeschlossen. Die
Hohenzollern haben abgedankt. Es lebe die große deutsche
Republik! Ebert bildet eine neue Regierung, der alle sozial-
demokratischen Richtungen angehören. Dem Militärober=
befehlshaber ist der Abgeordnete Göhre beigeordnet, der die
Verordnungen mitunterzeichnen wird. Nichts darf den großen
Sieg, den wir errungen haben, stören. Sorgt für Ruhe und
Ordnung und Sicherheit! —
Der neue Reichskanzler Ebert wandte sich dann in zwei
Aufrufen an die deutschen Bürger, die Behör-
den und Beamten (Deutscher Geschichtskalender: Die
deutsche Revolution, Seite 36 f.):
Mitbürger! Der bisherige Reichskanzler Prinz Mar von
Baden hat mir unter Zustimmung der sämtlichen Staats-
sekretäre die Wahrnehmung der Geschäfte des Reichskanzlers
übertragen. Ich bin im Begriffe, die neue Regierung im
Einvernehmen mit den Parteien zu bilden, und werde über
das Ergebnis der Offentlichkeit in Kürze berichten.
Die neue Regierung wird eine Volksregierung sein. Ihr
Bestreben wird sein müssen, dem deutschen Volke den Frie-
den schnellstens zu bringen und die Freiheit, die es errungen
hat, zu befestigen.
Mitbürger! Ich bitte Euch alle um Eure Unterstützung bei
der schweren Arbeit, die unser harrt. Ihr wißt, wie schwer
der Krieg die Ernährung des Volkes, die erste Voraussetzung
des politischen Lebeno, bedroht.
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