353
gemeinschaft wird der überlebende Theil Alleineigenthümer des
Vermögens, hat also eine Erbfolge nicht statt. Das gemeine Recht
setzt Folgendes über die Reihenfolge fest, in welcher die nach
dem Gesetz Erbberechtigten zur Erbschaft gelangen, in der Art,
daß die erste Ordnung die zweite und die zweite die dritte Ord-
nung ausschließt. Erste Ordnung: Die Descendenten des Ver-
blichenen (seine Kinder und die Nachkommen der verstorbenen
Kinder). Sie erben in der Art, daß das Vermögen nach der
Zahl der Kinder gleichheitlich getheilt wird; die Nachkommen
eines verstorbenen Kindes erhalten zusammen so viel, als das
Verstorbene bekommen würde, z. B. ein Großvater hinterläßt
ein Vermögen von 40,000 „E., seine Erben sind die noch lebende
Tochter Christine, sein Sohn Karl, der Sohn Joseph seines
verstorbenen Sohnes Georg, die zwei Töchter, Johanne und
Leonore seiner verstorbenen Tochter Friederike. Es erbt Chri-
stine 10,000 —4., Karl 10,000 —.„, der Enkel Joseph für
seinen Vater 10,000 L4., und die beiden Enkelinnen für ihre
Mutter zusammen 10,000 J—., also jede für ihren Theil
5000 l. — In die zweite Ordnung gehören
1) die dem Grade nach nächsten Vorfahren (Ascendenten)
des Erblassers und zwar in der Art, daß der nächste Vorfahr,
ob er nun von väterlicher oder mütterlicher Seite mit dem Ver-
storbenen verwandt war, den entfernteren ausschließt, z. B. der
verstorbene A hinterläßt einen Vater B und die Mutter seiner
Mutter C. B erbt Alles; C erhält nichts; 2) die vollbürtigen
Geschwister und 3) die Kinder derselben, falls ihre Eltern schon
gestorben sind. Alle diese drei erbfähigen Klassen kommen zu-
gleich an die Erbschaft, doch ist die Vertheilung derselben je
nach den verschiedenen Fällen sehr verschieden.
Sind keine Erben der zweiten Ordnung da, so treten die
der dritten ein; das sind die halbbürtigen (Stief-) Geschwister
des Erblassers und, falls sie verstorben sind, ihre Kinder.
Fehlen auch solche Verwandte, so tritt die vierte Ordnung ein,
über deren nähere Bestimmung man sich bei den Juristen Raths
erholen soll.
Das bayerische Landrecht schließt sich ganz genau an das
römische Recht an; hingegen im Gebiete des fränkischen Landrechts
kommen in die erste Klasse die Descendenten und die Ehefrau
mit ihrer portio statutaria; in die zweite die Ascendenten
allein, in die dritte die Geschwister und Geschwisterkinder, und
in die vierte die übrigen Seitenverwandten. — Was Anfall und
Antretung der Erbschaft bedeuten, werden wir später erfahren.
Der bayer. Sekretär. 23