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Der Antritt der Erbschaft bewirkt, daß der Erbe in alle
Rechtsverhältnisse des Erblassers eintritt. Dem Nachtheil, über
den Bestand der Masse für die Schulden haften zu müssen, kann
der Erbe dadurch entgehen, daß er sie nur unter der Rechts—
wohlthat des Inventars antritt. Dieses erfordert nach ge—
meinem Recht
1) daß er die Errichtung des Inventars innerhalb 30 Tagen
von der Zeit an, da ihm der Aufall der Erbschaft kund
geworden, beginne, und in 60 Tagen, längstens in einem
Jahr vollende;
2) daß er hiebei einen Notar und die Betheiligten, oder wenn
diese nicht erscheinen, drei unbescholtene Zeugen zuziehe und
3) das Inventar mit Bemerkung der Totalsumme und der
Versicherung, daß nichts unterschlagen sei, unterzeichne.
Vor der Vollendung des Inventars kann der Erbe von den
Gläubigern des Erblassers nicht gedrängt werden, und nach
dessen Vollendung haftet er den Gläubigern nicht über den
Bestand der Masse. Die auf Beerdigung des Verstorbenen und
Errichtung des Inventars verwendeten nothwendigen Kosten
werden vor Allem abgezogen und sodann die Gläubiger von
dem Erben befriedigt. Die Rechtswohlthat des Inventars
wird heutzutage gewöhnlich dadurch geltend gemacht, daß der
Erbe bei dem zuständigen Gericht erklärt, die Erbschaft nur
unter der Rechtswohlthat des Inventars antreten zu wollen,
worauf dann der Richter die Errichtung des Inventars und die
Auseinandersetzung der Verlassenschaft besorgt.
Durch die Antretung der Erbschaft erfolgt auch deren Trans-
mission auf die Erben des Erben, wenn auch dieser bei seinem
Tode den Besitz der Erbschaftssachen noch nicht erlangt hatte.
Eine bereits angetretene Erbschaft kann nicht mehr ausgeschlagen
werden; durch das Ausschlagen vor der Antretung geht sie
für den Erben verloren. Sie kann demselben auch wegen Un-
würdigkeit entrissen werden, entweder durch die privatorische
Clausel, vermöge deren der Erblasser verfügt, daß die Erbschaft
oder das Vermächtniß der verlieren solle, welcher dem Willen
des Erblassers nicht entspricht; oder kraft des Gesetzes, wenn
der Erbe oder Legatar den Erblasser getödet oder doch dessen
Tod durch Nachlässigkeit verschuldet hat; wenn er der Erbfolge
halber Zwang oder Betrug gegen den Erblasser gebraucht hat;
wenn er den letzten Willen des Erblassers als verfälscht ange-
fochten und den darüber erhobenen Prozeß verloren; wenn er