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37.
An einen Oheim (Vormund).
Verehrtester Herr Oheim!
So gerne möchte ich zu Ihnen eilen, Ihnen meine Wünsche
zum neuen Jahre mündlich darzubringen. Es ist mir nicht ver-
gönnt; ich muß dieses Blatt zum Träger meiner Empfindungen,
meiner Wünsche machen. Daß der Himmel Sie noch viele, viele
Jahre in ungetrübtem Wohlsein erhalte, Ihnen seinen reichsten
Segen spende, dieses sind die Wünsche Ihres Karl, dessen Liebe
zu Ihnen Sie kennen. Erharten Sie mir ferner Ihre Liebe und
Gewogenheit, die Sie mir so oft schon bewährten; entziehen Sie
mir Ihr Wohlwollen, Ihre wahrhaft väterliche Zuneigung nicht,
und genehmigen Sie die Versicherungen der innigsten Verehrung
und Dankbarkeit, welche Ihnen stets aus des Herzens tiefstem,
innerstem Grunde weihen wird
Ihr
gehorsamer Neffe (Mündel)
Karl F.
38.
An einen Freund (Freundin).
Geliebter, theurer Freund!
An Deine Brust eilen, an mein treues Herz Dich schließen,
Dir sagen, was ich für Dich fühle — ja das möchte ich heute
so gerne, heute, wo Alles jubelt, Alles sich Glück wünscht. Aber
leider muß ich zu der todten Schrift meine Zuflucht nehmen,
und was ich auch schreiben will, es ist Alles so kalt; ich finde
die Worte nicht, die meine Gesinnungen aussprechen sollen.
Daß ich Dir Alles erdenkliche Glück und Heil wünsche, davon
bist Du überzeugt; daß meine Gesinnungen gegen Dich sich nie
ändern werden, dessen bist Du sicher; daß auch Du derselbe
bleibst, unterliegt mir keinem Zweifel. Fest, treu und innig
war bisher unsere Freundschaft, sie bleibe es auch fortan; keine
Zeit, kein Geschick wird und kann sie ändern. Werde so glück—
lich, als mein treues, in Liebe für Dich erglühtes Herz es
wünscht, und erhalte Deine Freundschaft
Deinem
ergebensten
N. N.
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