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223.
Klagebrief eines Mädchens an ihren Liebhaber wegen übeln Betragens.
Mein lieber
Wie sehr mußte ich mich wundern, ein solches Betragen,
wie das am letzten Sonntag in N. gezeigte, an Dir wahr-
nehmen zu müssen! Du hast mich dadurch in große Unruhe
versetzt; denn unter solchen Umständen wäre es mir durchaus
unmöglich, den Umgang mit Dir fortzusetzen, mich mit Dir
trauen zu lassen. Welche Befürchtungen machst Du in mir
rege! Wenn Du jetzt schon Beweise eines nicht sehr lobens-
werthen Gemüthes gibst, was hätte ich dann zu erwarten, wenn
ich für immer mit Dir verbunden wäre? Da ist es besser, wenn
wir uns treunen; doch will ich zuvor noch Deine Rechtfer-
tigung — wenn es für ein solches Betragen eine gibt — ver-
nehmen, Dir aber jedenfalls versichern, daß ich im geringsten
Wiederholungsfalle nimmermehr mich nennen kann
Deine
Dich liebende
N. N.
224.
Vorwürse an einen Freund wegen übler Nachreden.
Wie sehr mußte ich erstaunen, als ich hörte, daß Du neu-
lich auf eine so schonungslose Weise Dich über mich geäußert
hast! Zeigt es an sich schon von Lieblosigkeit, über Abwesende
übel zu reden, was soll ich erst davon denken, wenn derzjenige,
gegen den ich so freundschaftliche Gesinnungen hege, weit ent-
fernt, den Abwesenden zu vertheidigen, vielmehr selbst diesem
Uebles nachredet! Wie schmerzlich mich diese Nachricht berührt
hat, vermag ich nicht Dir zu schildern. Daß bei so bewandten
Verhältnissen unsere bisherige Freundschaft sich auflösen müsse,
wird Dir klar sein. Uebrigens hast Du niemals von mir eine
Wiedervergeltung dieser Art zu erwarten.
N.
225.
Ein Lehrer (auch Gewerbsmeister) beklagt sich über seinen Schüler (Lehrling)
bei dessen Vater.
Geehrter Herr!
Meine Pflicht fordert mich auf, werthester N., das Zutrauen,
welches Sie in mich setzten, indem Sie. meiner Aufsicht (und