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Familienkreise, es waren die glücklichen Stunden in Ihrer
Nähe, es waren die Vorzüge Ihrer Fräulein Tochter, deren
Liebe zu erhalten stets mein aufrichtigstes Bestreben war.
Allein seit einiger Zeit scheint Ihre Fräulein Tochter jenen
Verbindlichkeiten, welche eine eheliche Verbindung ihr aufer—
legen werden, abhold, der mir früher geschenkten Liebe ganz
entfremdet zu sein. Zwang kann am wenigsten das Glück und
die Zufriedenheit begründen, und so glaube auch ich mich von
der Verbindlichkeit befreit, welche ich durch das Ihnen geleistete
Versprechen, Ihre Fräulein Tochter zu meiner Lebensgefährtin
machen zu wollen, übernommen habe. Indem ich Ihnen für
Ihre Bemühungen, mir die Stunden in Ihrem Kreise so an—
genehm als möglich zu machen, meinen innigsten Dank sage,
empfehle ich mich Ihrer ferneren Gewogenheit und Güte und
verharre hochachtungsvoll
Ihr
ergebenster N. N.
229.
An einen Freund wegen Mißbrauchs des Vertrauens.
Werther Herr!
Die Rückhaltslosigkeit und Offenheit, womit ich Sie mein
ganzes Wesen durchschauen ließ, finde ich jetzt schlecht belohnt;
mein Vertrauen haben Sie mißbraucht. In verschiedenen Gesell-
schaften haben Sie mich schonungslos dem Gelächter und Ge-
spötte der Witzlinge preisgegeben! Wenn Sie etwas an mir
bemerkt haben, was Ihren Tadel verdiente, warum sagten Sie
es nicht mire Sie würden mir eine große Gefälligkeit erwiesen
haben, wenn Sie meine Fehler und Leidenschaften mir vor Augen
geführt hätten; ich würde mich bestrebt haben, sie abzulegen.
Tief bin ich gekränkt durch die Art und Weise, mit der Sie
schonungslos mich, den Abwesenden, dem Hohn und dem Spott
aussetzten. Kein Mensch ist ohne Fehler, aber wir sehen immer
nur des Nächsten Fehler, die unsrigen nicht. Wie, wenn ich
Ihre Schwachheiten, Ihre Mängel, Ihre Fehler, auf die ich
Sie ohne Zeugen aufmerksam machte, offenbaren, wenn ich Sie
mit derselben Schonungslosigkeit öffentlich hinstellen würde, wie
Sie es mir gethan, was würden Sie thun? Würden Sie nicht
auf's äußerste entrüstet sein, gebrandmarkt dastehen? Könnte ich
nicht wenigstens Gleiches mit Gleichem vergelten? Würden Sie
nicht viel mehr verlieren? Doch das sei ferne von mir; zu einer