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315.
Antwort. (Zu Nr. 314.)
Theuerste N. N.!
Die mir so eben und ganz unerwartet zugekommene Nach-
richt von Ihrer lieben Hand hat mich im ersten Momente tief
erschüttert, fast vernichtet. Das einzige, das höchste, das kaum
gefundene Glück meines Lebens soll ich wieder verlieren; das
ist viel verlangt! Ruhigeres, kälteres Nachdenken zeigte mir aber,
daß Sie so handeln mußten, wie Sie gehandelt haben, daß es
besonders für unser beiderseitiges Glück unumgänglich nöthig
war. Ihrer liebevollen Güte kann ich nicht widerstehen. Ohne
Zaudern, obwohl mit blutendem Herzen, muß ich jenes Band
lösen, dessen Knüpfung so beseligend auf mein Herz einwirkte!
Leben Sie wohl; empfangen Sie von mir den herzlichsten Glück-
wunsch zu dem neu betretenen Pfade. Möge auch mir die Zeit
die geschlagene tiefe Wunde heilen, lindernden Balsam in
dieselbe mir träufeln. Zugleich halte ich es für eine Pflicht der
Delicatesse, Ihnen Ihre sämmtlichen Briefe zurückzusenden, damit
nicht später daraus Mißverständnisse entstehen können. Indem
ich Sie bitte, in freundschaftlichem Andenken mich zu behalten,
verharre ich
Ihr
ergebenster N.
316.
Abschied von einer Geliebten.
Geliebte Louise!
Vor meiner Abreise halte ich es für meine Pflicht, Ihnen
den wärmsten Dank für Ihre innige Liebe und Ihre so rege
Theilnahme an allen meinen Sckhicksalen zu zollen, dann auch
Ihnen die Gefühle zu schildern, welche mein Herz bei der be-
vorstehenden Trennung bestürmen. Unerbittlich reißt mich das
Schicksal von Ihrer Seite; es versetzt mich trostlos in eine
starre Wüste, wo der Blick unbefriedigt über die öde, endlose
Fläche streicht, wo kein liebevoller Blick ihm begegnet, kein Gruß
der Liebe möglich ist. Eine verzehrende Sehnsucht wird an
meinem Herzen nagen, ein rasender Schmerz wird die Tiefen
meiner Seele durchtoben, und mit thränenfeuchtem Blicke werde
ich in schlaflosen Nächten zum Himmel hinaufstarren, zu den
Sternen, zu denen auch Sie hinaufblicken, den einzigen Boten