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mit einem Briefe zu behelligen. Der Gegenstand meiner brief-
lichen Mittheilung ist der Art, daß er nicht leicht, ohne Ihre
Delicatesse zu beleidigen, auf andere Weise hätte abgemacht
werden können. Also ohne alle Umschweife — ich halte hiemit
um Ihre Hand an. Ich bin Wittwer, Vater von drei unmün-
digen Kindern, Besitzer eines namhaften Vermögens und aus-
gebreiteten Geschäftes. Sie werden es natürlich und würdig
finden, daß ich über meine persönlichen Eigenschaften nichts
sage, als daß ich 46 Jahre alt bin. Wenn Sie meinen Antrag
nicht kurz von der Hand zu weisen gesonnen sind, so haben Sie
hinlänglich Gelegenheit, sich nach meinem Charakter zu erkundigen
und zu sehen, ob mein Aeußeres Ihnen genehm ist.
Ich suche eine heitere, treue Gattin, eine liebende Mutter
meinen Kindern, eine tüchtige Hausfrau. Daß Sie mir Alles
das werden können, weiß ich, denn ich beobachte Sie schon seit
längerer Zeit und verstehe Ihre trefflichen Eigenschaften zu
würdigen. Ich bin im Stand, Ihnen eine von äußern Sorgen
unabhängige Existenz zu bereiten, und werde dabei bemüht sein,
Ihnen die Häuslichkeit so angenehm als möglich zu machen,
wenn ich auch kein Jünglingsherz Ihnen entgegen zu tragen
im Stande bin. Halten Sie meinen Vorschlag der Ueberlegung
wertze dann bitte ich Sie, mir durch einige Worte dies kund
zu thun.
Mit ausgezeichneter Hochachtung
ergebenster.
319.
Antwort darauf.
Verehrter Herr!
Sie irren sich sehr, wenn Sie glauben, daß Ihr Name
mir unbekannt sei. Ist er doch im Munde jedes Unglücklichen
hier. Ich sage Ihnen offen und ohne alle, hier wahrlich übel
angebrachte Zurückhaltung: Ich bin stolz auf Ihren Antrag,
der ein armes Mädchen aus seiner bisherigen abhängigen Lage
an die Seite eines allgemein geachteten Mannes führt. Ich
werde streben, Ihnen und Ihren Kindern die Verlorene zu er—
setzen. Ich überlasse Ihnen, die nöthigen offiziellen Schritte bei
meiner „Gnädigen“, und überhaupt Alles zu thun, was Sie
für zweckdienlich erachten. Gebieten Sie über
Ihre
Freundin.