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Himmel schützen; sollte sie in Deinem Herzen sich regen, so
wirst Du mit aller Kraft ihr entgegentreten, durch die feste
Ueberzeugung von Deines Mannes Liebe sie niederdrücken.
Gastfreundlich öffne sich Dein Haus jedem Freunde, den Armen
sei Deine Thüre nicht verschlossen, der Nothleidende flehe Dich
nicht vergebens um Hilfe an. Den frommen Sinn, der Dich
stets auszeichnete, bewahre treu, und Gottes Segen wird Dich
und Deinen lieben Mann beglücken.
Ich umarme Dich und ihn in Gedanken und bin mit un-
veränderlicher Liebe
Dein
treuer Oheim
N. N.
373.
An einen Freund über das Studiren seines Sohnes.
Theurer Freund!
Ich habe soeben vernommen, daß Sie Ihren Sohn Luitpold
von der hiesigen Lehranstalt abberufen und einem Gewerbe
widmen wollen. O, thun Sie es nicht! Ich kann mir denken,
was Sie bestimmte: die dermaligen schlechten Aussichten, daß
so mancher junge, talentvolle Mann nach vollendeten Studien
noch geraume Zeit warten muß, bis er endlich ein Amt mit
einem mäßigen Einkommen erhält; daß er mit dem Kapital,
welches seine Ausbildung kostet, als Gewerbsmann eine viel
freiere, unabhängigere, gewinnreichere Stellung einnimmt, als
der Beamte, der Geistliche, der Arzt. Aber haben Sie nebst
diesen auch noch so viele andere Gründe, so trete ich Ihnen
doch entgegen und frage Sie: 1) Hat denn Ihr Luitpold auch
wirklich Lust zu einem Gewerbe? 2) Ist es nicht Jammerschade
seine unverkennbaren Anlagen zum Studium ihn in einen Be-
ruf hineinzwängen zu wollen, zu dem er nach meiner festen
Ueberzeugung nicht paßt?
Ich antworte Ihnen zu 1 mit: Nein! — zu 2 mit: Jal
Ihr Luitpold hat schon zu große Fortschritte, er hat sie mit
einer zu großen Liebe für die Wissenschaft gemacht, als daß
ihn nicht das Herausreißen aus dieser unglücklich machen sollte.
Ihr Luitpold hat ausgezeichnete Anlagen, er ist voll eisernen
Fleißes, voll Wißbegierde; nur das weite Gebiet der Wissen-
schaften wird seinem Geiste genügen, in jeder andern Sphäre
wird und muß er sich unglhalich fühlen. Sie würden daher
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