Full text: Der belehrende bayerische Sekretär.

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So wünschenswerth aber die Kürze ist, so muß man sich 
doch hüten, das Streben darnach zu übertreiben. Eine häßliche 
Uebertreibung dieser Art, welche heutzutage leider sich vielfach 
in dem kaufmännischen Briefverkehr breit macht, ist das Weg— 
lassen der Fürwörter Ich und Wir, z. B.: „Beifolgenden Preis- 
courant erlaube mir Ihrer Beachtung zu empfehlen.“ Diese 
Weglassungen können vernünftigerweise durch gar nichts ge— 
rechtfertigt werden: auf Kosten der Sprachrichtigkeit darf die 
Kürze nicht gewonnen werden, die Zeitersparniß durch diese 
Weglassungen ist von keinem Belang, und das Streben, seine 
eigene Person nicht zu sehr in den Vordergrund zu stellen, darf 
doch uicht so weit gehen, sie ganz verschwinden zu lassen. 
Ueberhaupt sei bei dieser Gelegenheit auf einige ganz 
falsche Ausdrucksweisen aufmerksam gemacht, welche sich neuer— 
lich in den Geschäftsstyl eingeschlichen haben, von den Meisten 
ohne weitere Ueberlegung nachgeahmt werden, als müßte es so 
sein oder als wäre Wunder was Schönes oder Geschmackvolles 
daran, und auf diese Art so häufig vorkommen, daß ihnen die 
Häufigkeit schon fast zum Bürgerrecht verholfen hat. Dahin 
gehört z. B. „Meine seit vorigem Frühjahr in Pacht habende 
Wirthschaft“, statt: „Meine Wirthschaft, die ich seit vorigem 
Frühjahr in Pacht habe.“ Oder: „Mein schuldenfrei besitzendes 
Anwesen Nr.“ statt: „Mein Anwesen Nr. , das ich schulden- 
frei besitze.“ Ferner der ungeschickte Gebrauch des Wortes „be- 
reits“; z. B. „Mein bereits ganz neues Haus“ statt: „Mein 
noch ganz neues Haus.“ Ferner: „Bis Micheeli suche ich einen 
Lehrling in mein Geschäft“, statt: „Auf Michaeli suche ich 2c.“; 
denn wenn der Mann einen Lehrling bis Michaeli sucht, so 
will er ihn — nämlich wenn er richtig Deutsch schreibt — jetzt 
daben und nur bis Michaeli behalten. Falsch ist auch der Aus- 
ruck: „Ich erlaube mir, mein Lager in Tapeten in empfehlende 
Erinnerung zu bringen“, statt: „Ich erlaube mir, mein Lager 
Tapeten empfehlend in Erinnerung zu bringen“; denn nicht die 
Erinnerung empfiehlt, sondern der Schreiber thut es. 
Neben der Kürze muß sich der kaufmänn sche Styl durch 
Klarheit und Deutlichkeit auszeichnen. Zweideutigkeiten und 
Dunkelheiten müssen schon aus dem Grunde vermieden werden, 
weil sie leicht zu Mißverständnissen und Streitigkeiten Veran- 
lassung geben. Es wird aber nur derjenige sich klar und deut- 
lich auszudrücken vermögen, der den Gegenstand des Briefes 
genau kennt und der überhaupt Geschäftskenntniß besitzt. 
Auch Vorsicht in der Wahl der Ausdrücke und Worte ist
	        
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