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in Uhehe liegen, mich aber womöglich von kriege-
rischen Verwickelungen fernhalten.
Ueber den Verlauf meiner Reise, sowie das
Resultat meiner Rekognoszirungen erlaube ich mir Euer
Hochwohlgeboren ganz gehorsamst wie folgt zu be-
richten:
Ich brach von der nunmehrigen Station Langen-
burg mit meinem Kommando (Proviantmeister Illich,
Zugführer Krause, 70 Mann, 50 Trägern, 1 Maxim-
gun und 1 3,7 cm Geschütz) am 29. Januar cr. auf
und erreichte nach ungemein beschwerlichem Aufstieg
die ersten Dörfer der Wakinga in 3 Tagereisen.
Troß der vorsichtigsten Behandlung der Ein-
geborenen gelang es mir nicht, mit dem Häuptling
unseres direkten Hinterlandes Munirumwira in Ver-
bindung zu treten, da derselbe sich aus Furcht ver-
steckt hielt. Nach dreitägigem Warten entschloß ich
mich, unverrichteter Dinge weiter nach Norden zu
ziehen; von Anwendung irgend welcher Zwangsmaß-
regeln gegen den Genannten glaubte ich absehen zu
müssen, da ein Erfolg doch nur sehr fraglich, die
Eingeborenen aber von vornherein so eingeschüchtert
worden wären, daß sich die Situation nur verschlim-
mert hätte.
Die nächsten Tage durchwanderte ich nun das ganze
Gebiet der Wakinga bis zu ihrer äußersten nörd-
lichen Ausdehnung (Mahowe), wobei allmählich die
Bevölkerung, die bis dahin kaum Weiße, geschweige
denn Soldaten, gesehen hatte, zugänglicher wurde.
Die Wakinga, vielleicht die ursprüngliche Bevölke-
rung der Ebene von den wilden Sulustämmen nach
den Gebirgen verdrängt, stehen noch auf dem denk-
bar tiessten Nivean menschlicher Kultur. Armselig,
scheu, feige, wohnen sic zerstreut auf dem Hochland
des Livingstone-Gebirges bis zu einer Höhe von
3000 m nicht in Dörfern, sondern nur familienweise
in einzelnen zuckerhutförmigen Hütten. Ihre Felder
sind trotz des prachtwollen Bodens, wo Alles gedeihen
würde, nur spärlich bebaut und bringen ihnen eben
das, was sie zum Unterhalt bedürsen. Es läßt sich
denken, daß ich unter diesen Umständen die größte
Mühe hatte, die 150 Mann starke Karawane zu
ernähren.
Von einer Verbindung der Bewohner des See-
gestades im Norden, der Waketi mit den Wakinga,
ist nicht die Nede. Die Leute verstehen nicht einmal
die gegenseitige Sprache, trotzdem sie kaum 10 km
entfernt voneinander wohnen, auch sind ihre
Nahrungsmittel, Sitten r. voneinander grund-
verschieden. Die Wakinga haben ebenso keine Ver-
bindung weder mit den Wabena, noch mit den Wahehe,
haben vielmehr unter den Einsällen dieser Raub-
stämme zu leiden, wenngleich infolge ihrer Armuth
in letzter Zeit solche Heimsuchungen nicht stattgefunden
haben. Ihre Grenzbewohner nach Osten sind die
Wabena, die in neuerer Zeit sich sogar bereits an
den Osthängen des Gebirges angesiedelt und nach
Süden hin bis ekwa zum 10. Grad südlicher Breite
sich ausgedehnt haben sollen. Die Makwankwara
dagegen, welche stets auf allen Karken bis zum 9. Grad,
ja noch nördlicher eingezeichnet werden, dürften über
den 1°9 30“ südlicher Breite nach Norden hin sich
nicht erstrecken; wahrscheinlich liegt zwischen den sich
feindlich gesinnten Wabena und Makwankwara ein
weites, unbewohntes Gebiet. Wie weit nach Süden
sich die Wakinga erstrecken, konnte ich nicht ersahren;
dieselben sind dem mächtigen Merere unterthan und
tributpflichtig.
Da ich sehr bald einsah, daß wir an diesem
armseligen Völkchen keinen Stühpunkt finden können,
so entschloß ich mich, das Livingstone-Gebirge zu ver-
lassen und durch das Usafagebirge zu Merere zu
marschiren, mit diesem, wenn möglich, Verbindung
anzubahnen und von dort eine bequemere, für
größere Karawanen passirbare Straße nach der Station
ausfindig zu machen. Mein Weg führte mich nach
zweitägigem Pori an dem äußersten Vorposten Mereres
Buanji (eine Niederlassung dahin vorgeschobener
Wasanga) vorbei zu dem nördlichsten Ausläufer des
Livingstone-Gebirges, das ich also von Numvira aus
in seiner ganzen Längenausdehnung durchzogen habe.
Das Livingstone-Gebirge ist ein gewaltiger, gleich-
mäßig zum Norden ansteigender und nur von wenig
Kuppen überragter Gebirgsstock. Das eigentliche
Hochgebirge baut sich auf drei von Süd nach Nord
parallel durchlaufenden Gebirgsketten auf, das Vor-
gebirge, welches schroff nach Westen, und zwar un-
mittelbar in den See abfällt und von LeWterem allein
sichibar ist. Wild zerrissen und vielfach zerklüftet,
von tief eingeschnittenen Querthälern nach allen Rich-
tungen durchbrochen, ein Wirrsal zackiger Berg-
gipfel, von deren Grat nackte starre Felswände aus
schwindelnder Höhe senkrecht niederfallen, und tiefer
grausiger Schründe, durch welche tosend der vom
heutigen Wolkenbruch angeschwollene Gießbach sein
Wasser über gewaltige Felsblöcke zum See herab-
stürzt, bietet sich hier dem Reisenden wie selten anders
ein wildromantisches Naturbild und läßt ihn die
Mühseligkeiten des Weges vergessen. Ich erinnere
mich nicht, auf meinen vielfachen Wanderungen in der
Schweiz, Tirol und dem Schwarzwald Gebirgspartien
gefunden zu haben, die sich mit diesen pitloresken Gebirgs-
formen an Großartigkeit messen könnten. Das Hoch-
gebirge hingegen stellt sich als ein sanftes, welliges,
fast baumloses, nur mit Gras und Heide bewachsenes
breites Hochland dar, mit einer durchschnittlichen
Höhe von 2500 bis 3000 m. Die höchste Erhebung
des Gebirges liegt im Nordausläufer; dic höchste
Kuppe, wenigstens im mittleren und nördlichen Theil,
ist der Dumwe, 10 000 Fuß (er ist höher als der
Rungwe, wird dagegen vom Beja, etwa 12 000 Fuß,
überragt).
Der Dumwe bildet zugleich Wasserscheide für
den Nyasa und die Meeresküste, und ist dort die
Quelle des Ruaha (Rufidschih zu suchen. Vom-
Nordende des Sees zweigt das Gebirge in nord-