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4 28. .Die Amtskörperschaften.
1. V.U. SS 62—69.
2. Bezirksordnung vom 28. Juli 1906 (Reg.-Bl. S. 442) nebst
Vollzugsverfügung vom 30. Oktober 1907 (Reg.-Bl. S. 643).
3. Vgl. ferner die zu $27 genannten Gesetze sowie die
dort genannte Literatur.
Die gleichzeitig mit der Gemeindeordnung ($ 28) erlas-
sene, am 1. Dezember 1907 in Kraft getretene Bezirksordnung
teilt die Vorzüge der ersteren; neugeschaffen hat sie den
Bezirksrat. Als Mangel ist namentlich zu bezeichnen,
daß die Bezirksordnung nicht nur die Verwaltung der Amts-
körperschaften, sondern auch die staatliche Bezirksverwaltung
durch die Oberämter umfaßt, also einen Teil derjenigen
Angelegenheiten, welche in einem die Verwaltung des Innern
regelnden, in Württ. noch fehlenden Allgemeinen Landes-
verwaltungsgesetz zu behandeln wären. Diese Ver-
quickung von Staats- und Selbstverwaltung ist insbesondere
deshalb nicht glücklich, weil so bezüglich der wichtigen
Verwaltung des Innern wieder ein Stückwerk geschaffen ist,
das einer gründlichen, allerdings schwierigen gesetzlichen
Regelung des mangelhaften Rechts der inneren Staatsver-
waltung Württ.im Wege steht. Außerdem hat die Zusammen-
fassung der körperschaftlichen und staatlichen Bezirkever-
waltung in eisem Gesetz den ganz unglücklichen und rasch
zu einem Schlagwort gewordenen Gedanken einer „Kreis-
ordnung“ erzeugt, welche, wie sie auch ausfallen möge, nur
eine weitere Rechtsverwirrung und Komplizierung der Ver-
waltung bringen wird, im besten Fall aber Flickarbeit blei-
ben muß.
Die Ausgestaltung der 4 Kreise zu Selbstverwaltungs-
körpern ist in einem Lande von der Größe Württ. überflüssig
und stört nur die rasche Abwicklung der Geschäfte. Über-
haupt weist gerade die Einführung des Bezirksrats auf die
energische Wiederaufnahme einer früher lebhaft vertretenen
Forderung hin, nämlich auf die Beseitigung der Kreis-
verwaltung, d. h. also Aufhebung der Kreisregierungen. Der
Bezirksrat ist bei den Aufgaben, die ihm gegenwärtig über-
tragen sind (vgl. IV), zwar wohl lebensfähig, kann aber nicht
die Bedeutung erlangen, die man ihm wünschen muß. Man
wird früher oder später dazu übergehen müssen, ihm weitere
Aufgaben, insbesondere auch solche aus dem Geschäftskreis
der Kreisregierungen, einschließlich der verwaltungsgericht-
lichen Funktionen in einer Reihe von Fällen zuzuweisen,
Vermeiden läßt sich bei einer Beseitigung der Kreisregierungen
allerdings nicht, daß auch dem Ministerium des Innern