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der V.U. hat endlich der König das Recht, in
dringenden Fällen zur Sicherheit des Staates das
Nötige vorzukehren. Durch eine solche Notver-
ordnung kann der König jede Änderung des be-
stehenden Rechtszustands gültig anordnen, also
auch eine Verfassungsbestimmung abändern oder
außer Wirkung setzen. Sie kann erlassen werden,
auch wenn die Stände versammelt sind, und dauert
fort, bis sie durch Gesetz oder eine neue Verord-
nung aufgehoben wird. In die unter dem Schutz
der Reichsgesetzgebung stehenden Rechtsverhält-
nisse kann eine kgl. Notverordnung nicht ein-
greifen. Eine staatsrechtliche Berühmtheit hat die
kgl. Verordnung vom 6. November 1850 (s. 81, III)
erlangt; der Streit darüber, inwieweit diese Ver-
ordnung noch zu Recht besteht, ist ein müßiger,
da auf dem durch dieselbe geschaffenen Rechts-
zustand die ganze seitherige Gesetzgebung beruht;
gegenüber der Wucht dieser Tatsache müssen
staatsrechtliche Bedenken rein theoretisch bleiben.
IV. Die Staatsverträge. Auch nach Errich-
tung des Deutschen Reichs sind die Einzelstaaten,
demnach auch Württ., noch befugt, Verträge mit
anderen Staaten abzuschließen, aber nur innerhalb
sehr enger Grenzen. Sie können nämlich nur noch
Verträge abschließen 1. in denjenigen Angelegen-
heiten, bezüglich welcher eine Zuständigkeit des
Reichs zur Gesetzgebung überhaupt nicht besteht ;
2. in solchen Angelegenheiten, für welche die Zu-
ständigkeit des Reichs zur Gesetzgebung besteht,
solange von derselben noch kein Gebrauch gemacht
ist. Bei Staatsverträgen ist zu unterscheiden
zwischen dem Verhältnis der vertragschließenden
Teile zu einander (völkerrechtliche Seite) und der
Geltung des Vertrags gegenüber den Behörden und
Untertanen (staatsrechtliche Seite). Nach 8 85 der
V.U. ist der König zum Abschluß von Staatsver-