292
Kirchenhoheit oder jus circa sacra, wäh-
rend die der Kirche selbst zustehenden Befugnisse
als Kirchengewalt oder jus in sacra be-
zeichnet werden. Vermöge seines Aufsichtsrechts
steht dem Staat die Befugnis zu, sich darüber zu
vergewissern, ob die Kirchen sich innerhalb der
Grenzen ihrer Aufgaben halten. Dieses Prüfungs-
recht des Staates bezeichnet man mit Plazet;
dasselbe steht dem König zu; doch kann das
Plazet, wenn eine kirchliche Vorschrift mit der
Staatsverfassung oder einem Staatsgesetz in
Widerspruch steht, nur in der Form eines Staats-
verfassungsgesetzes bzw. eines einfachen Gesetzes
gegeben werden. Kirchliche Anordnungen, die mit
der Staatsgesetzgebung in Widerspruch stehen,
sind nichtig.
II. Die evangelisch-lutherische Landeskirche.
Ihr gegenüber hat der König, wenn er selbst der
evangelischen Konfession angehört, eine doppelte
Stellung. Als Landesbischof ist er Oberhaupt
derselben, also Träger der Kirchengewalt; als
Staatsoberhaupt hat er das Aufsichtsrecht über
dieselbe. Da die Entschließungen des Königs als
Landesbischof durch den Minister des Kirchen-
und Schulwesens an die Organe der kirchlichen
Verwaltung vermittelt werden, derselbe Minister
aber auch die staatshoheitlichen Rechte des Königs
gegenüber der Kirche geltend zu machen hat, so
hat das staatliche Oberaufsichtsrecht für die evan-
gelische Kirche solange keine praktische Bedeu-
tung, als der König und der Minister der evan-
gelischen Kirche angehören. Wenn der König der
katholischen Konfession angehört, so kann er nicht
Landesbischof sein. Für diesen Fall ist durch das
Staatsgesetz vom 28. März 1898 (Reg.-Bl. S. 75) in
Verbindung mit dem Kirchengesetz vom selben
Tage eine besondere Evangelische Kirchen-