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zu einer Anklage wegen Verfassungsverletzung
(8 21) ist jede Kammer auch einzeln berechtigt.
Die Kammer, an welche der Beschluß der andern
mitgeteilt wird, kann denselben verwerfen oder
annehmen, und zwar unbedingt oder mit bei-
gefügten Änderungen; die Verwerfung muß aber
begründet werden. Nur solche Beschlüsse, worüber
in beiden Kammern Übereinstimmung erzielt
worden ist, können an den König gebracht und
von diesem bestätigt werden. Der von der einen
Kammer verworfene Beschluß der andern kann
auf demselben Landtag nicht wiederholt werden.
U. Ausnahme: Beratung und Beschluß-
fassung über den Hauptetat. Der $ 181 der V.U.
regelt das Verhältnis der beiden Kammern bei
der Beratung und Beschlußfassung über den
Hauptetat. Er beruht in seiner jetzigen Fassung
auf dem Verfassungsgesetz von 1906 und kam
erst nach langen Verhandlungen zwischen 1. und
2. Kammer zustande; gerade an diesem Para-
graphen drohte die Verfassungsänderung von 1906
zu scheitern. Die jetzige Fassung bedeutet eine
Erweiterung der Rechte der 1. Kammer gegenüber
dem bisherigen Zustand, zu dem Zweck, eine
Höherbesteuerung der besitzenden Klassen durch
einfachen Beschluß der jetzt ausschließlich aus
allgemeinen Wahlen hervorgehenden 2. Kammer
zu verhindern.
Der $ 181 ist eine Abweichung von der sonst
in der Verfassung festgestellten Gleichberechti-
gung der Kammern zugunsten der 2. Kammer.
Da der Hauptetat tatsächlich stets zugleich eine
Abgabenverwilligung in sich schließt, so sind
bezüglich desselben die Vorrechte der 2. Kammer
gegenüber der 1. folgende:
1. Der Hauptetat muß immer zuerst bei der
2. Kammer eingebracht werden: V.U. $ 178. Hier