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IV. Die Verfassungsrevision, ein Gegenstand
langjähriger politischer Kämpfe in Württemberg,
hat sich vorzugsweise um die Bildung der beiden
Kammern und ihr Verhältnis zueinander gedreht.
Sie hat mit dem Verfassungsgesetz vom 16. Juli
1906 (Reg.-Bl. S. 161) auf absehbare Zeit ihren
Abschluß gefunden. Die 2. Kammer, welcher vor-
her Mitglieder der Ritterschaft, der evangelischen
und der katholischen Kirche sowie der Kanzler
der Landesuniversität angehört haben, ist nun-
mehr eine reine Volkskammer geworden; die
1. Kammer, die bis 1906 aus den Prinzen des
Kgl. Hauses, den Standesherrn und den vom
König erblich und auf Lebenszeit ernannten Mit-
gliedern bestanden hatte, hat eine modernere Ge-
stalt bekommen. Allein auch die nunmehrige Zu-
sammensetzung des Landtags genügt den Bedürf-
nissen des Landes nicht, da das Zweikammer-
system für die dem Lande Württ. verbliebene
Kompetenz zu schwerfällig ist und einer rascheren
Abwicklung der Staatsgeschäfte im Wege steht.
$ 15. Die Bildung der 1. Kammer.
Die 1. Kammer besteht nach $$ 129—132a
der V.U. (Verfassungsgesetz von 1906):
l. aus den Prinzen des Kgl. Hauses;
2. aus den Häuptern der fürstlichen
und gräflichen Familien, auf deren Be-
sitzungen vormals eine Reichs- oder Kreistags-
stimme geruht hat, sowie aus den Häuptern der
gräflichen Familien von Rechberg und von Neip-
perg, solange sie sich im Besitz ihres mit Fidei-
kommiß belegten, nach dem Rechte der Erstgeburt
sich vererbenden Grundvermögens im Königreich
befinden;
3. aus höchstens sechs von dem König auf
Lebenszeit ernannten Mitgliedern;