8 28. Rechtl. Stellung des Landtags. 107
Tätigkeit äußert sich nur in der Fassung von Beschlüssen;
ein Recht des Befehls oder eine unmittelbare Zwangs—
gewalt steht ihm nicht zu.
Da nun bei Erfüllung der wichtigsten staatlichen Auf—
gaben (Gesetzgebung, Budgetfeststellung, Abschluß völkerrecht-
licher Verträge) eine Vereinbarung zwischen Monarch und
Landtag erforderlich ist, so ist die Möglichkeit eines nahezu
völligen Stillstands im Staatsleben, eine völlige Lähmung
staatlichen Handels gegeben, wenn eine Vereinbarung nicht
zu erzielen ist. Die aus solchen Fällen sich ergebenden
Schwierigkeiten hat man in England und einigen anderen
Staaten durch Einführung des Systems der parlamen-
tarischen Regierung beseitigt. Die notwendige Har-
monie zwischen Regierung und Volksvertretung wird hier
dadurch hergestellt, daß der Monarch stets die Führer der
parlamentarischen Mehrheit in die Ministerien beruft. Die
Einführung desselben Systems in Deutschland hat lebhafte
Verteidiger gefunden, ist aber praktisch bis jetzt nicht durch-
gedrungen. Für die Einführung des parlamentarischen Sy-
stems fehlen bei uns die Vorbedingungen, vor allem das
Vorhandensein großer regierungsfähiger Parteien; aber auch
die Rücksicht auf die Reichspolitik verbietet die Bildung
der einzelstaatlichen Ministerien lediglich nach den Wün-
schen der Kammermehrheiten.
Für den Fall nun, daß es in den deutschen Staaten
zu einem unlösbaren Streit zwischen Regierung und Volks-
vertretung kommt, fehlt es an Vorschriften der Verfassungen
und der Gesetze. Da das Staatsleben aber keinen Augen-
blick stillstehen kann, wird eben die Regierung des Landes
von derjenigen Macht weitergeführt, welche die Gewalt im
Staate hat; das wird regelmäßig die Regierung sein. Das
bedeutendste Beispiel eines solchen Zwiespalts zwischen Re-
gierung und Landtag ist die preußische Konfliktszeit von
1862—1866, der weltgeschichtlich berühmte Streit zwischen