Full text: Unsere Reichsverfassung und deutsche Landesverfassungen.

12 I. Abschnitt. Begriffe und Quellen des Staatsrechts. 
in 2 große Gebiete, das öffentliche Recht und das Privat- 
recht (Zivilrecht, Bürgerliches Recht). Das öffentliche Recht 
regelt die Verhältnisse, welche sich aus der Zugehörigkeit der 
Einzelnen zum Staat oder zu einem öffentlichen, einen orga- 
nischen Bestandteil des Staats bildenden Gemeinwesen (Kom- 
munalverband, Ortsgemeinde), sowie aus den Bezie- 
hungen ergeben, in welchen die einzelnen Staatsangehörigen 
mit Rücksicht auf ihre Zugehörigkeit zum Staate stehen oder 
treten können. Das Privatrecht regelt diejenigen Verhält- 
nisse der einzelnen Personen zu einander, welche privater 
Natur sind, d. h. also keine Beziehungen zu Staat und Ge- 
meinde haben. Die Grenze zwischen öffentlichem Recht und 
Privatrecht ist keine scharfe; es gibt Grenzgebiete und Wan- 
delungen. Ob eine Angelegenheit öffentlich-rechtlicher oder 
privatrechtlicher Art ist (für viele Angelegenheiten von 
größter Bedeutung!), ist nach dem geltenden Recht zu be- 
urteilen. Von entscheidendem Einfluß auf den Gesetzgeber 
hinsichtlich der Frage, was er dem öffentlichen und was er 
dem Privatrecht zuteilen soll, ist das Interesse, das die 
Gesamtheit an der betreffenden Angelegenheit hat. So hat 
z. B. die Gesamtheit im wesentlichen kein Interesse an einem 
Darlehensverhältnis, einem Kaufvertrag, einem Mietsver- 
trag u. dgl., weshalb der Gesetzgeber Rechtsverhältnisse 
solcher Art dem Privatrecht zuweist. Wohl aber hat die 
Gesamtheit ein Interesse an der Sühne von Verbrechen, an 
der Wahl von Abgeordneten, an gesundheitspolizeilichen 
Maßregeln u. dgl., weshalb derartige Verhältnisse dem 
öffentlichen Recht zugeteilt worden sind. 
Auf der Grenze zwischen öffentlichem Recht und Privat- 
recht liegt z. B. die Ehe. Sie ist zwar zunächst eine An- 
gelegenheit der beiden Ehegatten; allein dadurch, daß die 
Ehe eine der großen sittlichen Grundlagen unseres Lebens 
ist, ist auch die Gesamtheit an dem Bestand von Einzelehen 
interessiert. Die Scheidung, Anfechtung u. s. w. von Ehen ist
	        
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