Full text: Unsere Reichsverfassung und deutsche Landesverfassungen.

134 V. Abschn. Organ. d. monarch. Staaten. 3. Kap. Behörden. 
Man sprach von einem „System der Selbstverwaltung“ 
und nahm in dasselbe nicht bloß die Übertragung der staat- 
lichen Verwaltungsgeschäfte an Kommunalverbände — wie 
sie durch die Steinsche Städteordnung erfolgt war, sondern 
auch die Dezentralisation der Verwaltung, die Verwendung 
von Ehrenbeamten, die Besetzung gewisser Amter durch 
Wahl, die Zuziehung von Laien zur Erledigung von Staats- 
geschäften, die Einrichtung von Verwaltungsgerichten auf. 
Dadurch ist der Ausdruck Selbstverwaltung ein vieldeutiger, 
unbestimmter und verschiedene Dinge umfassender geworden; 
ja man ging so weit, jede Betätigung individueller Willens- 
freiheit und jede irgend wie geartete Schranke bureau- 
kratischer Macht als Bestandteil oder Außerung „der Selbst- 
verwaltung“ anzusehen.“ 
Man hat also im wesentlichen 2 Arten von Selbstver- 
waltung zu unterscheiden, die man zutreffend bürger- 
liche und körperschaftliche genannt hat. Die bürger- 
liche Selbstverwaltung ist die Verwaltung durch Bürger, 
die nichtberufsmäßige Beamte sind (auch Verwal- 
tung im Ehrenamt genannt; allein der Gegensatz zum 
Berufsbeamtentum ist nicht das unbesoldete Ehrenamt, son- 
dern das Ausüben staatlicher Funktionen, ohne daß der 
Lebensberuf daraus gemacht wird). Der Gegensatz zu der 
bürgerlichen Selbstverwaltung ist die bureaukratische 
Verwaltung, d. h. die Verwaltung durch Berufsbeamte. Die 
körperschaftliche Selbstverwaltung ist die Verwaltung durch 
korporative Verbände, namentlich Kommunalver= 
bände (hierher gehören aber auch z. B. die Innungen, die 
Krankenkassen und die Unfallberufsgenossenschaften, nicht 
aber bloße Vereine). Ihr Gegensatz ist die unmittelbare 
Staatsverwaltung. Beide Begriffe der Selbstverwaltung 
decken sich keineswegs. Denn einmal können die korporativen 
Verbände bei größerer Entwicklung, namentlich die großen 
Städte, des besoldeten Berufsbeamtentums keineswegs ent-
	        
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