Full text: Unsere Reichsverfassung und deutsche Landesverfassungen.

§ 30. Der Bundesrat. 157 
Stellvertreter für ihn bestellt (s. § 42, II), so hat letzterer 
das Recht des Vorsitzes; außerdem kann sich der Reichs- 
kanzler durch jedes andere Mitglied vermöge schriftlicher 
Substitution (d. h. Vollmacht) vertreten lassen. Sollte der 
Fall vorkommen, daß sämtliche preußische Bevollmächtigte 
verhindert wären, so darf der Vorsitz nur einem bayerischen 
Bevollmächtigten, nicht dem eines anderen Staates über- 
tragen werden; dies ist ein bayerisches Sonderrecht (s. 
87, ID. 
Nach Artikel 7 der Reichsverfassung ist jedes Bundes- 
glied befugt, Vorschläge zu machen und in Vortrag zu 
bringen; das Präsidium ist verpflichtet, dieselben der Be- 
ratung zu übergeben. 
Der Bundesrat ist ohne Rücksicht auf die Zahl der 
ernannten Bevollmächtigten beschlußfähig. Nicht ver- 
tretene oder nicht instruierte Stimmen werden nicht gezählt. 
Die Beschlußfassung erfolgt mit einfacher Mehrheit; bei 
Stimmengleichheit gibt die Präsidialstimme den Ausschlag. 
(Artikel 7 der Reichsverfassung.) 
Von dem Grundsatz, daß die einfache Mehr- 
heit entscheidet, gibt es jedoch 4 Ausnahmen: 
1. Veränderungen der' Reichsverfassung gelten als ab- 
gelehnt, wenn sie im Bundesrat 14 Stimmen gegen sich 
haben: Artikel 78 der Reichsverfassung; da Preußen 
17 Stimmen hat, kann also ohne dessen Zustimmung die 
Reichsverfassung nicht geändert werden. 
2. Diejenigen Vorschriften der Reichsverfassung, durch 
welche bestimmte Rechte einzelner Bundesstaaten in deren 
Verhältnis zur Gesamtheit festgestellt sind (verfassungs- 
mäßige Sonderrechte; s. § 7, II) können nur mit Zu- 
stimmung des berechtigten Bundesstaats abgeändert werden: 
Artikel 78 Abs. 2 der Reichsverfassung. 
3. Nach Artikel 5 und 37 der Reichsverfassung gibt bei 
Meinungsverschiedenheiten im Bundesrat die Stimme des
	        
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