Full text: Unsere Reichsverfassung und deutsche Landesverfassungen.

162 VI. Abschnitt. Organisation des Reiches. 
I. Allgemeine Stellung des Keichstags im 
Reichsorganismus. Staatsrechtliche Katur des 
Reichstags. Die Stellung des Reichstags im Deutschen 
Reich ist eine ganz ähnliche wie die der Landtage in den 
Einzelstaaten. Der Reichstag ist verfassungsrechtlich ein 
Organ des Reichs, politisch eine Vertretung der Regierten 
gegenüber dem Bundesrat und dem Kaiser. Der Reichstag 
hat die Interessen der Gesamtheit wahrzunehmen; deshalb 
bestimmt Artikel 29 der Reichsverfassung: „Die Mitglieder 
des Reichstages sind Vertreter des gesamten Volkes und 
an Aufträge und Instruktionen nicht gebunden.“ 
II. Die Suständigkeit des Reichstags. 
1. Gesetzgebung. Zum Zustandekommen eines 
Reichsgesetzes bedarf es der Zustimmung des Reichstags: 
Artikel 5 der Reichsverfassung. Der Reichstag hat das 
Recht der Initiative: Artikel 23 der Reichsverfassung. 
2. Verträge. Staatsverträge bedürfen, wenn sie in 
das Gebiet der Reichsgesetzgebung fallen, zu ihrer Voll- 
ziehbarkeit der Genehmigung des Reichstags; s. 8 47. 
3. Allgemeine Reichsverwaltung. Einige Re- 
gierungsakte bedürfen nach den betreffenden Gesetzen der 
Genehmigung des Reichstags; namentlich ist die durch den 
Kaiser erfolgende Vertagung des Reichstags über 30 Tage 
hinaus an dessen Zustimmung gebunden: Artikel 26 der 
Reichsverfassung. 
4. Finanzwesen. Der Reichshaushaltsetat wird durch 
ein Gesetz festgestellt (Reichsverfassung Artikel 69); also 
ist zu demselben die Zustimmung des Reichstags erforder- 
lich. „Dadurch hat der Reichstag nicht nur Gelegenheit, 
auf die Finanzwirtschaft des Reiches einen maßgebenden 
Einfluß auszuüben und in Aussicht genommene Regierungs- 
handlungen oder Einrichtungen durch Bewilligung oder 
Versagung der dazu erforderlichen Geldmittel zu genehmigen 
oder zu verhindern, sondern auch die gesamte Verwaltung,
	        
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