Full text: Unsere Reichsverfassung und deutsche Landesverfassungen.

188 VII. Abschn. Gesetze, Verordnungen u. Verträge. 
8 46. Die Reichsgeletzgebung und die 
Landesgesetzgebung. 
I. Die Reichsgesetzgebung. Artikel 5 der Reichs- 
verfassung bestimmt: „Die Reichsgesetzgebung wird aus- 
geübt durch den Bundesrat und den Reichstag. Die üÜber- 
einstimmung der Mehrheitsbeschlüsse beider Versammlungen 
ist zu einem Reichsgesetz erforderlich und ausreichend.“ Der 
Weg der Reichsgesetzgebung ist folgender: 
1. Die Feststellung des Gesetzesinhaltes ist 
Sache des Bundesrats und des Reichstags. Beide haben 
auch das Initiativrecht: Artikel 7 und 23 der Reichsver- 
fassung. Jede Regierung hat das Recht, im Bundesrat Ge- 
setze vorzuschlagen; das Präsidium ist verpflichtet, dieselben 
der Beratung zu übergeben; außerdem hat nach Artikel 9 
der Reichsverfassung jedes Mitglied des Bundesrats das 
Recht, im Reichstage zu erscheinen, um die Anträge seiner 
Regierung zu vertreten; es muß daselbst auf Verlangen 
jederzeit gehört werden, auch dann, wenn die Anträge von 
der Mehrheit des Bundesrats nicht angenommen sind. Der 
Reichstag hat auch das Recht der Amendierung. 
Grundsatz ist, daß zum Erlaß eines Reichsgesetzes 
sowohl im Bundesrat, wie im Reichstag die einfache Mehrheit 
genügt. Dieser Grundsatz gilt für den Reichstag unbedingt; 
er erleidet aber mehrere Einschränkungen für den Bundes- 
rat; vergl. hierüber § 40, III. Vergl. zu 1. auch § 41, 
VIII—XlI. 
2. Die Sanktion der Reichsgesetze steht dem Träger 
der Reichsgewalt, somit den verbündeten Regierungen, bezw. 
deren Vertreter, dem Bundesrat zu. 
Anläßlich der Aufhebung des § 2 des Jesuitengesetzes 
ist die Frage erörtert worden, bis zu welchem Zeitpunkt 
der Bundesrat das Recht hat, einem Beschluß des Reichs- 
tags seine Zustimmung und Sanktion zu erteilen. Während
	        
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